Seit einigen Tagen macht die Warnung vor einem Zusammenbruch der Warmwasser-Strömung im Atlantik in den Medien die Runde – da kommt die nächste Hiobsbotschaft: Der Amazonas-Regenwald könnte sich einem Kipppunkt nähern, der zu einem großflächigen Zusammenbruch mit schwerwiegenden Auswirkungen auf das globale Klima führen könnte. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie eines internationalen Forschungsteams.
Einige Teile des Waldes, vor allem im südöstlichen Amazonasgebiet, sind laut der Studie bereits jetzt so stark vom Menschen verändert, dass sie ihren Status als Regenwald langfristig nicht behalten können. Das hat auch Auswirkungen auf andere Regionen Südamerikas.
"Da Regenwälder die Luft mit viel Feuchtigkeit anreichern, die die Grundlage für Niederschläge weiter im Westen und Süden des Kontinents bilden, kann der Verlust von Wald an einem Ort zum Verlust von Wald an einem anderen führen", erläuterte Boris Sakschewski vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), einer der Autoren der Studie. "Das nennt man dann eine sich selbst verstärkende Rückkopplungsschleife, oder einfach 'kippen'."
Und in bereits geschädigten Waldgebieten können schneller Brände entstehen, die dann auch auf umliegenden, noch intakten Wald übergreifen können. Bis zu 47 Prozent der Fläche des Amazonas könnten von einer Zerstörung durch Brände und Trockenheit und dem Überschreiten solcher Kipppunkte betroffen sein.
Bereits 2020 hatte eine Studie herausgefunden, dass damals schon für 40 Prozent der Regenwaldfläche die Gefahr bestand, einen Kipppunkt zu überschreiten, dadurch auszutrocknen und zur Savanne zu werden.
Ein "Kippen" des Regenwaldes hätte weltweite Auswirkungen
Solch ein großflächiges 'Kippen' von Regenwaldgebieten hätte auch Auswirkungen auf das globale Klima, da die Möglichkeit zur CO2-Speicherung dort verloren ginge. Durch Brände wird zudem das bereits in den Wäldern gespeicherte CO2 wieder freigesetzt. Beides würde den Klimawandel zusätzlich antreiben.
Außerdem trägt die Feuchtigkeit aus dem Amazonasbecken viel zum südamerikanischen Monsun bei. Der Regenwald ist dadurch von großer Wichtigkeit für die Regenfälle auf dem gesamten Kontinent.
Bedroht wird der Amazonas-Regenwald laut den Forscher:innen durch mehrere Faktoren, die mit einem solchen Kipppunkt in Zusammenhang stehen: die globale Erwärmung, die jährlichen Niederschlagsmengen, die saisonalen Niederschlagsveränderungen, die Länge der Trockenzeit und die fortschreitende Abholzung.
Die Autor:innen schlagen deswegen in der Studie vor, klare Grenzwerte für die Klima- und Landnutzungsänderungen festzulegen, die eingehalten werden sollten. Zum Beispiel dürften bestimme Niederschlagsmengen nicht unterschritten werden. Bereits bei Niederschlägen von 1.800 Millimetern abwärts könnte es durch Ereignisse wie Brände dazu kommen, dass Gebiete sich in Savannen verwandeln.
Um den Amazonaswald innerhalb sicherer Belastungsgrenzen zu halten, müssten lokale und globale Anstrengungen kombiniert werden, um die Waldzerstörung zu beenden und die Wiederaufforstung auszuweiten, sagte Niklas Boers, Mitautor der Studie und Leiter einer Forschungsgruppe für "künstliche Intelligenz im Anthropozän" am PIK.
Aus Sicht von Boers muss darüber hinaus viel mehr unternommen werden, um weltweit die Treibhausgasemissionen zu stoppen.