Eine Rolle Klopapier an einer waldgrün gekachelten Wand.
Sanitärbedarf, Desinfektionsmittel und Einweghandschuhe in Mengen – viele Maßnahmen gegen die Coronakrise sind alles andere als umweltfreundlich. (Foto: Lichtaus/​Pixabay)

Nie war er so wertvoll wie heute, der Ökomarkt um die Ecke. Da gibt’s nämlich ein rares Gut, das sich gerade anschickt, zum ikonischen Produkt der Coronakrise zu werden: Klopapier.

Allerdings kostet der Pack mit acht schneeweißen Rollen, dreilagig, markante fünf Euro, was sich nur besserverdienende Toilettenbenutzer leisten können und der Grund dafür sein könnte, warum im Normalosupermarkt und beim Discounter die Regale mit Hygieneartikeln blitzeblank leer geräumt sind.

Kleiner Vorgeschmack auf die Schwarzmarktpreise, die uns ins Haus stehen, wenn Corona vielleicht mal vorbei ist, uns dafür aber die größte Wirtschaftskrise aller Zeiten beutelt. 

Weil ich ein Herdentier bin wie alle, habe ich mir auch einen kleinen Klopapier-Vorrat im Keller angelegt. Mit dem Internetrechner howmuchtoiletpaper.com habe ich ausgerechnet, dass wir zu zweit mit den gehamsterten Rollen 57 Tage durchhalten, entsprechend 407 Prozent einer vierzehntägigen Corona-Quarantäne, wobei wir momentan (noch) nicht von einer solchen betroffen sind, sondern nur dem von Markus Söder für Bayern erlassenen beschränkten Ausgehverbot unterliegen. Wenn man die "average number of wipes per trip" und/oder die "sheets per trip" noch reduziert, würde sich der Zeitraum verlängern. 

Vor ein paar Tagen hat sich Söder, der jetzt auch von Journalisten, die bei Nennung seines Namens noch vor ein paar Wochen Krampfanfälle bekamen, zum genialen Krisenmanager hochgejubelt wird, in einer großen Lagerhalle vor überquellenden Klopapierregalen ablichten lassen.

Zu einem zotigen Kommentar nach Beispiel seines niederländischen Amtskollegen Mark Rutte ließ sich der bayerische Ministerpräsident offenbar nicht hinreißen. Rutte hatte bei einem Supermarktrundgang gesagt, es gebe noch so viel Toilettenpapier in den Niederlanden, dass "wir zehn Jahre kacken können"

Zur Flasche Wein eine Rolle Klopapier

Trotzdem traue ich den beruhigenden Botschaften nicht so recht und fürchte, dass der Nachschub an Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs doch einmal ausbleiben könnte und man im Ökomarkt, wie zu guten alten Zeiten, wieder die letzten Schrumpelmöhren aus dem Regal grabbeln muss.

Foto: Monika Höfler

Georg Etscheit

lebt als Autor und Journalist in München – und regt sich leidenschaftlich gern über die kleinen und großen Stressmomente des Alltags auf.

Dann käme vielleicht wieder der bayerische "Arschwurz" zu Ehren, eine Pestwurzart, mit deren Blättern sich die Menschen früherer Zeiten nach dem Stuhlgang im Wald hinter der Hütte auf überaus nachhaltige Weise den Hintern abwischten.

Übrigens unterscheiden sich die Menschen in unterschiedlichen Ländern sehr stark in dem, was sie in der Krise für unverzichtbar halten. In Deutschland und den Niederlanden setzen die Menschen auf Klopapier, in Nordamerika auf Waffen, in Frankreich auf Wein und Kondome.

Apropos Wein: Ein Münchner Weinhändler hier ganz in der Nähe, mit dem ich natürlich auch über das Virus philosophierte, denkt gerade darüber nach, bei jeder verkauften Flasche eine Rolle Klopapier draufzulegen, als verkaufsfördernde Maßnahme sozusagen. Und das Käsegeschäft, wo ich immer meinen Rohmilchkäse kaufe, offerierte mir beim jüngsten Besuch auf Nachfrage gleich eine ganze Packung.

In Stuttgart gab es laut DPA bei einem einfallsreichen  Getränkehändler eine Rolle pro Kiste Leergut, weil die Leute Mineralwasser hamsterten und der Mehrweg-Kreislauf ins Stocken zu geraten drohe. Die Agentur verbreitet so etwas unter der Rubrik "Corona-Splitter". 

Harald Welzer hat sich zu früh gefreut

Wein und Klopapier, Käse und Klopapier, ein bisschen erinnern mich diese Kombinationen an "Asterix und der Arvernerschild", wo die lispelnden Händler der heutigen Auvergne überall nur "Weine und Kohlen" im Angebot haben. Jedenfalls zeigt die Marktwirtschaft gerade mal wieder, was in ihr steckt, auch wenn man dabei ist, ihr den Lebenssaft abzudrehen.

Leider dürfte die aktuelle Krise – wie alle Krisen, Kriege und Notstandssituationen – nicht dazu angetan sein, ökologische Lebensweisen voranzubringen. Die Mengen an Hygienepapier, Tempotaschentüchern, Einweghandschuhen und Desinfektionsmitteln, die derzeit verbraucht werden, dürfte alles bisher Übliche in den Schatten stellen.

Und wenn sich Mode-Soziologen wie der eloquente Harald Welzer schon darüber freuen, dass die Corona-Krise samt unvermeidlichem Wirtschaftscrash gewissermaßen ein Glücksfall für den Klimaschutz ist, weil man doch sehe, was alles möglich sei an Konsum-einschränkenden Maßnahmen, so möchte ich dem entgegenhalten, dass ich mich jetzt schon narrisch freue auf den Moment, wenn der bleierne Deckel des Shutdown wieder gelüftet wird und man zu einem normalen Leben zurückfinden kann, mit Verkehr auf den Straßen und Bürgersteigen, mit Konzert- und Theaterbesuchen, schönen Reisen, gelegentlichen Restaurantbesuchen und vollen Regalen, und die Rollen wieder jenen etwas anrüchigen Stellenwert bekommen, der ihnen zusteht.

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