Tagebau Hambach und der noch verbliebene Wald.
Der Tagebau Hambach und der noch verbliebene Wald liegen im Rheinischen Braunkohlerevier zwischen Köln und Aachen. (Foto: Kathrin Henneberger)

Wir befinden uns kurz vor der Zerstörung dessen, was vom 12.000 Jahre alten Hambacher Forst noch übrig ist. Der Hambacher Wald beherbergt eine einzigartige Artenvielfalt. Diese soll nun für den weiteren Abbau von Braunkohle, einem der klimazerstörendsten Energieträger, aufgegeben werden.

Der Energiekonzern RWE hat bereits rund 90 Prozent des Waldes abgeholzt und will nun auch noch die verbleibenden zehn Prozent der Bäume fällen. Das macht den Ort zu einem veritablen Schlachtfeld zwischen Klima-Aktivisten und der Kohle-Lobby.

Die Abholzung des Waldes ebnete bisher den Weg für den Abbau von 40 Millionen Tonnen Braunkohle pro Jahr. So gut wie die gesamte Kohle, die im Tagebau Hambach abgebaut wird, wird auch in Deutschland verbrannt. Die Verbrennung der 40 Millionen Tonnen würden rund sieben Prozent des jährlichen Ausstoßes von Treibhausgasen in der Bundesrepublik beitragen. Ein Tagebau stellt damit die gesamten deutschen Klimaziele in Frage.

Darüber hinaus verursacht der Tagebau noch andere erhebliche gesellschaftliche Kosten. Die Gemeinden in der Umgebung werden nicht nur mit stärkerer Luftverschmutzung konfrontiert, sondern auch mit dem Verlust eines Naturschatzes, der auf vielfältige Weise einen bedeutenden Mehrwert schafft, beispielsweise indem er Raum für Freizeitaktivitäten bietet, zur Luftverbesserung beiträgt oder sogar Lebensraum für wichtige Tierarten wie Bestäuberinsekten bereithält.

Ein solcher Ort ist schwer zu ersetzen und noch schwerer wiederherzustellen. Es ist leicht zu verstehen, dass das Vorhaben von RWE dem Verursacherprinzip widerspricht: Hier werden Gewinne privatisiert, während die Bewältigung der Schäden der Allgemeinheit überlassen wird.

Umweltschäden müssen stärker berücksichtigt werden

Als Forscher an den Universitäten Oxford und Groningen stellen wir zurzeit Berechnungen zu den Schäden an, die der Tagebau dem Ökosystem zufügt, und untersuchen rechtliche Wege, wie diese Schäden vermieden werden können. Insbesondere die Umweltschäden vor Ort könnten einen Grund darstellen, aus dem die Behörden den weiteren Abbau verhindern könnten.

Das Bundesberggesetz schreibt zwar vor, dass die zuständige Bergbaubehörde grundsätzlich eine Bewilligung auf Antrag zu erteilen hat oder einen Betriebsplan zuzulassen hat. Sie ist jedoch ermächtigt, die Anträge von RWE zurückzuweisen, falls der Tagebau der Umwelt oder anderen öffentlichen Interessen unverhältnismäßig großen Schaden zufügt.

Ryan Rafaty

Zur Person

Ryan Rafaty ist Politikwissenschaftler und erforscht Energie- und Klimapolitik an der Universität Oxford. Er wurde in Cambridge promoviert.

Eine Bewilligung kann auch widerrufen werden, falls nachträglich Tatsachen eintreten, die die genannten Schäden unverhältnismäßig wachsen lassen. Selbst wenn die von RWE erhaltene Bewilligung im Fall Hambach nicht widerrufen werden kann, sollten Bergbaubehörden und Gerichte Umweltschäden bei der Ausstellung von Bewilligungen und der Prüfung von Betriebsplänen stärker berücksichtigen.

Eine Lücke im Bundesberggesetz ist, dass der Klimawandel keine Rolle spielt. Klimaschäden werden als Kosten angesehen, die nicht einem bestimmten Bergwerk oder Tagebau zugeordnet werden können. Um das Leben und die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen und den grundgesetzlichen Auftrag zur Bewahrung der Umwelt zu erfüllen, sollten die Gerichte in naher Zukunft auf eine umweltfreundlichere Interpretation des Bundesberggesetzes umschwenken.

Eine solche Kursänderung ist gerechtfertigt, da die Bergbaugesetzgebung zuletzt novelliert wurde, als der Klimawandel noch nicht als eine ernsthafte Bedrohung anerkannt war. Da eine derartige Reaktion der Gerichte jedoch unwahrscheinlich erscheint, sollte der Bundesgesetzgeber handeln.

Sugandha Srivastav

Zur Person

Sugandha Srivastav forscht an der Oxford Martin School zu Kohleausstieg und Strukturwandel. Ihre Forschungsinteressen umfassen grünes Wachstum und die Förderung des Übergangs zum postfossilen Wirtschaften.

Der Hambach-Fall ist von besonderem Interesse, weil er in einem Mikrokosmos einen globalen Trend widerspiegelt. Deutschland hat das Pariser Klimaabkommen ratifiziert, die Energiewende beschlossen und eine Kohleausstiegskommission eingesetzt. Durch den weiteren Abbau fossiler Brennstoffe konterkariert die Bundesrepublik jedoch diese Anstrengungen.

Dieser Widerspruch ist keinesfalls nur ein deutsches Phänomen. So verfolgt Norwegen zwar eine Politik, die die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen beträchtlich reduziert, beschleunigt jedoch gleichzeitig den Export von Öl und Gas aus der Nordsee. In Kanada hat die Regierung Trudeau kürzlich eine landesweite Klimarahmenordnung für sauberes Wachstum verabschiedet, während sie gleichzeitig versucht, die Kinder-Morgan-Pipeline für mehr Teersand-Exporte nach Asien zu erwerben.

Die Handlungen dieser Länder sind von großer Bedeutung, da die Industriestaaten Vorreiter beim Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft sein müssen. Scheitern sie an dieser Herausforderung, gibt es wenig Hoffnung, dass Entwicklungs- und Schwellenländer ihren Beitrag liefern werden.

Björn Hoops
Porträtfotos: privat

Zur Person

Björn Hoops studierte deutsches und vergleichendes europäisches Recht in Bremen, Oldenburg und Groningen. Er hat eine Juniorprofessur an der Rijksuniversiteit Groningen inne.

Darüber hinaus ist das Bundesberggesetz eines der Bergbaugesetze, das den geringsten Spielraum dafür bietet, Bergbaugenehmigungen zugunsten des Umweltschutzes zu verbieten. Sollte also der Klimaschutz ins Bundesberggesetz Einzug halten, wäre dies in anderen Ländern erst recht möglich.

Jedes Land hat das Recht, seine zukünftige Energieversorgung zu sichern, und Deutschland stellt keine Ausnahme dar. Die Quelle dieser Energie spielt jedoch eine entscheidende Rolle und die Staaten können jederzeit "grünere" Alternativen wählen. Über ihre gesamte Lebensdauer ist Braunkohle die schmutzigste Form fossiler Brennstoffe.

Um den zukünftigen Energiebedarf zu decken, können Staaten auf Alternativen wie Solarenergie oder Windkraft zurückgreifen und ihre Energieeffizienz erhöhen, um mehr Haushalte mit der gleichen Menge zu versorgen. Sie können für den Transport erneuerbaren Stroms neue Hochspannungsleitungen bauen, Maßnahmen zur Nachfragesteuerung wie etwa verbrauchsabhängige Preise festlegen oder Haushalte fördern, die sparsam mit Strom umgehen.

Bergrecht ohne Klimaschutz ist nicht mehr zeitgemäß

Deutschland hat beim Ausbau der erneuerbaren Energien große Fortschritte gemacht. Dennoch stammen immer noch 39 Prozent des deutschen Stroms aus der Verbrennung von Kohle. Deutschland ist der größte Kohleverbraucher Europas.

Doch wie seine europäischen Nachbarn, die die Rolle der Kohle im Energiemix zurückgefahren haben – wie zum Beispiel Spanien, das aus der Kohle aussteigen und Bergarbeiter entschädigen wird –, kann auch Deutschland sich dieses wenig schmeichelhaften Titels entledigen.

Ein Gesamtbild der Kosten der Braunkohleförderung im Hambacher Forst zeigt, dass sie der Gesundheit der Menschen schadet, ein Naturerbe mit vielen Ökosystem-Funktionen zerstört und kaum mit Deutschlands eigener Klimapolitik vereinbar ist.

Unsere Forschungen zeigen, dass das deutsche Recht einem Widerruf der Bergbaugenehmigungen für RWE nicht zwingend im Wege steht, und unsere Arbeiten werden weiterhin den Beweis führen, dass der Braunkohletagebau unverhältnismäßig große Schäden in der Region verursacht.

Der Klimaschutz sollte auf jeden Fall auch im Bergrecht Einzug halten. So oder so ist es überfällig, dass die reichsten Staaten der Welt die Widersprüche in ihrer Klimapolitik auflösen und, statt zu zaudern, auf schlüssige Weise als Klimaretter des 21. Jahrhunderts vorangehen.

Anzeige