Abraumbagger im Tagebau Jänschwalde in der Nacht.
Der Braunkohletagebau Jänschwalde in Brandenburg wird illegal betrieben, sagen Umweltverbände. Eine Klage soll Licht in die Angelegenheit bringen. (Foto: Sandra Kirchner)

Wasser ist knapp im Osten Brandenburgs, für normale Leute jedenfalls. Etwa 170.000 Menschen müssen dort künftig damit leben, dass ihr Wasserversorger, der Wasserverband Strausberg-Erkner, ihnen das gelieferte Nass rationiert.

Das beschloss jetzt laut Medienberichten die Verbandsversammlung, bestehend aus Bürgermeistern und Amtsdirektoren. Für jedes Grundstück will der Wasserverband bis 2025 eine jährliche Maximalmenge festlegen. Auch für Unternehmen soll es Kontingente geben.

Ganz anders wird mit Wasser beim ebenfalls in Ostbrandenburg gelegenen Braunkohletagebau Jänschwalde umgegangen. Der versorgt das gleichnamige Kraftwerk mit Kohle. Damit die Bagger die Kohle fördern können, wird – wie bei jedem Tagebau – das Grundwasser rundum großflächig abgepumpt.

Die Genehmigung dafür ist ziemlich alt und stammt aus dem Jahr 1996. Der damalige Betriebsplan wurde allerdings nur nach Bergrecht genehmigt. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung habe es bis heute nicht gegeben, erläuterte Rechtsanwalt Dirk Teßmer am Donnerstag in Berlin.

Weil sich nördlich des Tagebaus wertvolle Naturgebiete befinden, die durch europäisches Recht geschützt sind, ließen Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und die Grüne Liga bezüglich der fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung aber nicht locker und klagten – teilweise erfolgreich – gegen Betriebspläne des Tagebaus.

Im Zuge des dazu nötigen Aktenstudiums sei ihnen ein "schier unglaublicher Vorgang" in die Hände gefallen, schilderte der von den beiden Verbänden beauftragte Teßmer gestern weiter. Die Genehmigung von 1996 habe für Jänschwalde wasserrechtlich "klare Grenzen" dafür definiert, was der Lausitzer Braunkohlebetreiber Leag abpumpen darf.

"Diese Mengen sind inzwischen sehr deutlich überschritten", betonte der Umweltjurist. Im vergangenen Jahr hätten der Leag beispielsweise nur rund 42 Millionen Kubikmeter Wasser zugestanden, tatsächlich seien aber rund 114 Millionen Kubikmeter abgepumpt worden.

Seit 2017 habe der Stromkonzern für den Tagebaubetrieb in Jänschwalde etwa 240 Millionen Kubikmeter mehr Grundwasser entnommen als erlaubt, so Teßmer. Zum Vergleich: Die Menge entspricht dem sechsfachen Wasservolumen des Berliner Müggelsees.

Auch das Bergamt blieb offenbar untätig

Über die illegale Wasserentnahme sei er "einigermaßen erschüttert", sagte Teßmer. Für ihn sei auch schwer vorstellbar, dass dies der Leag versehentlich passiert sein könnte. Eher sei zu vermuten, dass der Betreiber wissentlich einen Tagebaubetrieb durchgeführt habe, der wasserrechtlich nicht gedeckt sei.

So etwas habe er in den 20 Jahren, in denen er mit dem Thema Bergbau zu tun habe, "noch nie erlebt", zeigte sich Teßmer ziemlich fassungslos. "Die Bergbehörde hat einen Betriebsplan zugelassen, der gar nicht ohne massive Verstöße gegen die geltende wasserrechtliche Erlaubnis umsetzbar ist. Die Zulassung ist deshalb offensichtlich rechtswidrig".

Für den Anwalt kommt der Betrieb des Tagebaus Jänschwalde deswegen rechtlich einem "Schwarzbau" gleich.

Wie zu hören war, soll auch das zuständige Bergamt den Umstand eingeräumt haben, dass deutlich mehr Wasser als genehmigt gehoben wurde. Allerdings hielt es die Behörde bisher offenbar nicht für nötig, den Betrieb zu stoppen.

Die DUH und die Grüne Liga wollten deswegen noch am Donnerstag einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Cottbus einreichen. Sie wollen erreichen, dass das Gericht den Hauptbetriebsplan des Tagebaus außer Vollzug setzt – was einen Förderstopp nach sich zöge.

Ihr Ziel sei es unter anderem, in der Region Seen und Feuchtgebiete zu schützen, die zunehmend unter dem Grundwasserentzug litten, erklärten die Umweltverbände.

Bei einem umgehenden und endgültigen Stopp ende der Tagebau auch lediglich etwa 350 Meter früher als von der Leag vorgesehen. "Das ist mehr als verhältnismäßig", sagte DUH-Rechtsexpertin Cornelia Nicklas anlässlich der Vorstellung der Klage. Die Versorgungssicherheit hält Nicklas durch einen Stopp des Jänschwalder Tagebaus nicht für gefährdet.

Ausgerechnet im wasserarmen Brandenburg

Eine Reaktion der Leag zu den Vorwürfen ist bisher nicht bekannt. René Schuster von der Grünen Liga vermutet als Grund für das übermäßige Wasserabpumpen, dass der Tagebau Jänschwalde inzwischen länger als ursprünglich geplant Kohle fördert.

Laut der 1996 erteilten Genehmigung sollte der Tagebau spätestens 2019 außer Betrieb gehen. Die wasserrechtliche Genehmigung sieht deshalb ab 2018 sinkende Entnahmen vor.

"Spätestens 2017 hat die Leag gewusst, dass sie länger Wasser pumpen will, hat das aber nicht beantragt", sagte Schuster am Donnerstag. Mittlerweile will die Leag den Tagebaubetrieb 2023 auslaufen lassen – das Kraftwerk Jänschwalde soll dann aus anderen Braunkohletagebauen beliefert werden.

Für René Schuster ist es ein "Skandal", ausgerechnet im wasserarmen Brandenburg 240 Millionen Kubikmeter Grundwasser ohne jede Genehmigung abzupumpen. "Im gleichen Zeitraum wurden in der Lausitz private Wassernutzungen mehrfach durch Anordnungen der Wasserbehörden eingeschränkt", macht er auf die offensichtliche Ungleichbehandlung aufmerksam.

Ergänzung um 17 Uhr: Die Leag reagierte auf Anfrage von Klimareporter° nicht auf die Vorwürfe. Dem Sender RBB sagte eine Sprecherin nur, das Unternehmen wolle sich zu der Angelegenheit nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Verfahren handle.

Dem RBB bestätigte das Verwaltungsgericht Cottbus inzwischen auch, dass der Eilantrag der Umweltverbände eingegangen ist. Dieser werde jetzt dem Bergamt und der Leag zugestellt, um jeweils eine Stellungnahme einzuholen. Erst danach gebe es eine Entscheidung des Gerichts.

Ergänzung um 19 Uhr: Brandenburgs Wirtschaftsministerium teilt auf Nachfrage von Klimareporter° mit, es sei seit geraumer Zeit mit der zuständigen Behörde und der Leag im Gespräch. Der Sachverhalt werde detailliert geprüft, eine Bewertung bleibe dem Gerichtsurteil vorbehalten. Zum laufenden Verfahren will sich das Ministerium ebenfalls nicht äußern.

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