Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.
Klimareporter°: Herr Mühlhaus, das Klimakabinett hat am Mittwoch zum ersten Mal getagt. Die zuständigen Minister sollen bis Ende Mai Vorschläge liefern, wie in ihrem Sektor die Klimaziele erreicht werden können. Kommt die Regierung beim Klimaschutz endlich in die Gänge?
Jens Mühlhaus: Ich würde von einem eher schlaffen Start sprechen. Die Regierung hat bereits im Januar von einem "Jahr des Handelns" gesprochen. Wenn sie jetzt, Mitte April, noch Wochen braucht, allein um Vorschläge zu liefern, ist der Schwung für mich beim besten Willen nicht erkennbar.
Es ist gut und schön, wenn Bundesumweltministerin Svenja Schulze die einzelnen Ressorts in die Pflicht nehmen will, auch was mögliche Strafzahlungen der EU angeht. Doch konkrete Maßnahmen bringt das leider auch noch nicht. Die brauchen wir allerdings dringend, wenn wir das Ruder noch herumreißen möchten.
Die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future fordern einen CO2-Preis von 180 Euro pro Tonne, einen Kohleausstieg bis 2030 und netto null Emissionen bis 2035. Ist das realistisch?
Die Forderungen sind durchaus realistisch und konsequent. Sie werden der Maßstab für das weitere politische Vorgehen sein und beruhen auf dem, was Wissenschaftler seit Langem fordern.
Schon 2012 hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ein Szenario beschrieben, wie sich Deutschland zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen könnte. Auch dass der Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid Schäden von 180 Euro verursacht, haben sich nicht Schüler ausgedacht, sondern es ist eine Berechnung des Umweltbundesamtes.
Mit dem Positionspapier fordert Fridays for Future lediglich ein, was die Politik versprochen und bisher nicht eingehalten hat.
Besonders die CO2-Bepreisung ist ein zentraler Baustein für die Transformation im Energiesektor. Denn für unseren heutigen Lebenswandel zahlen unsere Kinder und Enkel die Rechnung. Wir müssen jetzt monetäre Maßnahmen ergreifen, um meine Generation aus der klimaschädlichen Komfortzone zu bewegen. Nur so erhöhen wir den Druck auf Industrie und Wirtschaft, klimafreundliche Technologien zum Einsatz zu bringen.
Mit der Forderung sind natürlich auch gleich die ersten Berechnungen in Umlauf gekommen, wie die Preise sich für die Verbraucher verändern werden. Doch eine CO2-Steuer ist einer der notwendigen Vorsorgemechanismen für die nachfolgenden Generationen. Ein zusätzlicher Hebel für eine einigermaßen sichere Zukunft unserer Kinder und Enkel, der sofort und zielgerichtet eingesetzt werden kann.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Ich habe mich sehr gefreut, dass wir uns den Zuschlag für den Bau einer Photovoltaik-Anlage in der Oberpfalz sichern konnten. Solarenergie ist weiter auf dem Vormarsch und dank der sinkenden Technologiekosten dabei, zum kostengünstigsten Energieträger in Europa zu werden.
Umso trauriger ist es, wenn die politischen Entscheider auf der Bremse stehen: Bayern hat jährlich 30 Zuschläge für Photovoltaik-Ausschreibungsanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten freigegeben. Das Kontingent für dieses Jahr ist allerdings schon jetzt im ersten Quartal ausgeschöpft. Erste Forderungen, die Anzahl der Freiflächen zu verdoppeln, wurden bereits laut.
Aber auch damit springen wir zu kurz! Warum überhaupt die Beschränkung? Wir müssen die Solarenergieerzeugung in Deutschland in den kommenden 15 Jahren verachtfachen – von 50.000 Megawatt auf bis zu 400.000 Megawatt. Dafür werden wir jede verfügbare Fläche brauchen, also worauf warten wir noch?
Fragen: Friederike Meier