Liste der Ausgaben eines privaten Haushalts in deutscher Sprache auf Notizblock mit Stift, Münzen und Taschenrechner.
Je knapper das Haushaltsgeld, desto wichtiger das Klimageld. Angesichts der Ungleichheit in Deutschland liegt hier ein Schlüssel zur Akzeptanz von Klimaschutz. (Bild: Makrobetz/​Shutterstock)

Ab sofort können Bedürftige in Deutschland Klimageld beantragen. Allerdings nicht bei der Bundesregierung, sondern beim Verein Sanktionsfrei. Auf dessen Website kann sich jede und jeder anmelden, um 139 Euro als Ausgleich für den steigenden CO2-Preis in Deutschland zu bekommen.

Das Geld, das Förderer an Sanktionsfrei gegeben, soll nach den Angaben reichen, um an genau eintausend Menschen die 139 Euro Klimageld auszuzahlen. Die Aktion ist als symbolischer Vorgriff auf die von der Ampel im Koalitionsvertrag versprochene Kompensation für steigende CO2-Preise zu verstehen, gab Sanktionsfrei-Gründerin Helena Steinhaus am gestrigen Donnerstag vor der Presse in Berlin zu verstehen.

Steinhaus kritisierte dabei die Ampel scharf. Statt wie versprochen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zumindest in Teilen an die Gesellschaft zurückzuverteilen, werde das Geld von der Regierung größtenteils zweckentfremdet, sagte sie. So erhalte Intel für seine Chipfabrik bei Magdeburg zehn Milliarden Euro an Subventionen. Das habe weder mit Klimaschutz noch mit einem sozialen Ausgleich das Geringste zu tun, bemerkte die Sozialaktivistin.

Bündnis will Klimageld sofort und am besten sozial gestaffelt

Mit der Summe von 139 Euro bezieht sich der Verein auf eine Rechnung, die der Verbraucherzentrale Bundesverband Ende letzten Jahres öffentlich gemacht hatte. Danach habe die Bundesregierung von 2021 bis 2023 insgesamt 11,4 Milliarden Euro nicht an die Leute zurückgegeben, die diese über den nationalen CO2-Preis gezahlt hatten, also durch den CO2-Aufschlag auf die in Deutschland im Verkehr und beim Heizen eingesetzten fossilen Brennstoffe.

 

Mit den 139 Euro pro Kopf würden laut Verbraucherzentrale die geleisteten CO2-Abgaben dann letztlich vollständig an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen.

Die Forderung nach einer kompletten Rückzahlung der CO2-Bepreisung stellt jetzt auch ein ökosoziales Bündnis, das sich am Donnerstag in Berlin vorstellte und dem neben dem Verein Sanktionsfrei ein Dutzend weiterer Organisationen angehört. Für die Rückerstattung müsse das Klimageld sofort und am besten sozial gestaffelt eingeführt werden, verlangt das Bündnis.

Die Einführung eines Klimageldes befürwortete gestern an der Seite des Bündnisses auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Institut sei nicht Teil des Bündnisses, begleite aber deren Arbeit aus wissenschaftlicher Sicht, erläuterte der DIW-Chef.

Man wisse aus vielen Studien: Menschen mit geringem Einkommen sind viel stärker von einem CO2-Preis betroffen, sie tragen viel weniger zum Klimaeffekt bei, haben aber am stärksten mit den Auswirkungen zu kämpfen. Und diese Menschen hätten auch die geringste Finanzkraft für nötige Investitionen, so Fratzscher weiter.

DIW-Chef Fratzscher sieht falsche Prioritäten

Für den DIW-Chef ist die fehlende soziale Akzeptanz heutzutage die "größte Hürde" für einen erfolgreichen Klimaschutz. "Aus diesem Grund ist das Klimageld so wichtig", betonte er. Es würde für mehr Vertrauen in die Politik sorgen, wenn die Ampel ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag endlich einlöste.

Dass aus Sicht der Regierung die CO2-Einnahmen bereits für andere Projekte verplant und so nicht mehr verfügbar sind – das ist für Fratzscher, wie er sagte, kein Argument, das Versprechen gegenüber den Bürgern zu brechen.

Der DIW-Chef ließ auch erkennen, dass die CO2-Gelder, die derzeit noch in Industrieprojekte oder in die Förderung der erneuerbaren Energien gehen, dann durch eine Aufhebung der Schuldenbremse oder die Umwidmung fossiler Subventionen "ersetzt" werden müssen. Er sehe hier falsche Prioritäten, sagte er. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten seien langfristige Zukunftsinvestitionen deutlich wichtiger als das Festhalten an einer Schuldenbremse.

Auch Carla Reemtsma von Fridays for Future verbindet das Klimageld stark mit der Akzeptanzfrage. Die Klimabewegung ist Teil des Bündnisses. Derzeit versuchten Rechtsextreme und Rechtspopulisten Ängste vor der Energie- und Wärmewende zu schüren, sagte Reemtsma am Donnerstag.

In diesem Zusammenhang sei der Zickzackkurs der Ampel eine Katastrophe für das Vertrauen in die Klimapolitik. "Das Klimageld einzuführen, wird die Klimakrise allein nicht lösen, aber das Klimageld nicht einzuführen, sabotiert jeden Klimaschutz", sagte die Aktivistin.

 

Helena Steinhaus und andere aus dem Klimageld-Bündnis machten dabei klar, dass die 139 Euro gewissermaßen nur ein rückwirkender Ausgleich sind. Würde das Klimageld nach den aktuellen CO2-Abgaben bemessen, fiele es deutlich höher aus.

So würden bei der nationalen CO2-Bepreisung dieses Jahr um die zwölf Milliarden Euro eingenommen. Das ergebe bei voller Rückzahlung eine Summe von 150 Euro pro Kopf.

Nähme man dazu noch die acht Milliarden Euro, die Deutschland dieses Jahr aus dem europäischen Emissionshandel zufließen, stünden insgesamt 20 Milliarden zur Verfügung. Das ergäbe eine Pro-Kopf-Rückzahlung von 250 Euro.

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