Alle Welt schaut auf Katar. Schon Wochen vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft wurden diverse Boykottaufrufe laut. Grund dafür sind fehlende Frauenrechte, das Verbot von Homosexualität und die schrecklichen Arbeitsverhältnisse, die zu einer hohen Dunkelziffer von Todesfällen unter migrantischen Arbeiter:innen geführt haben.
Infolge der WM-Debatte fliegt der in Zahlen gegossene Erdgas-Deal zwischen Deutschland und Katar etwas unter dem Radar. Derweil ist auch hier Kritik angebracht.
Ab 2026 will das Energieunternehmen Qatar Energy LNG Flüssigerdgas (LNG) nach Deutschland liefern. Zwei Millionen Tonnen LNG sollen dann jährlich an dem gerade im Bau befindlichen LNG-Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel ankommen. Und das für eine Dauer von mindestens 15 Jahren.
Das erklärte Katars Energieminister Saad Scharida al-Kaabi am Dienstag bei der Vertragsunterzeichnung in der Hauptstadt Doha. Im Gespräch mit Bild betonte al-Kaabi, dass dieser Rahmen nicht von Katar, sondern von Deutschland gesetzt wurde. "Wir werden so viel liefern, wie wir Aufträge bekommen", sagte er.
Gemäß den Verträgen soll das Gas von Qatar Energy an das US-Unternehmen Conoco Philips verkauft werden. Dieses liefert dann weiter nach Deutschland.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte den Vertragsabschluss. 15 Jahre als Vertragszeitraum seien "super", erklärte er bei einem Pressetermin zum Auftakt der Industriekonferenz 2022. "Ich hätte auch nichts gegen 20 Jahre oder länger."
Habeck betonte allerdings auch, dass er zu den konkreten Verträgen wenig sagen könne. Schließlich würden Unternehmen und nicht Regierungen diese Verträge schließen. Und es sei auch die Verantwortung der Unternehmen, Erdgas, das die deutschen Klimaziele gefährden würde, im Ausland weiterzuverkaufen.
Langfristige Lieferverträge erschweren Klimaschutz
Es handelt sich um den ersten langfristigen LNG-Deal eines EU-Mitgliedslandes seit Beginn des Ukrainekrieges im Februar. Befürworter:innen sehen darin einen substanziellen Beitrag für mehr Energiesicherheit.
Eine von ihnen ist Kerstin Andreae, frühere Bundestagsabgeordnete der Grünen und jetzige Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Andreae nannte den Deal einen wichtigen Schritt zur "Versorgungssicherheit".
Auch der Leiter des Koordinationsstabs in Habecks Wirtschaftsministerium, Robert Heinrich, ist auf Twitter voller Lob für den Vertrag: "Die LNG-Vereinbarung mit Katar ist sowohl von der Laufzeit (bis 2041) als auch von der Menge her im Rahmen des deutschen Klimaziels."
Das Problem dabei: Deutschlands aktuelle Klimaziele reichen nicht aus. Weder das Zwischenziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent zu senken, noch die für 2045 angestrebte Klimaneutralität sind kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel.
Zukünftige Regierungen werden also, sofern sie das 1,5-Grad-Ziel nicht aufgeben wollen, die Ziele nachschärfen müssen. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut Klimafolgenforschung befürchtet, dass langfristige Lieferverträge zu Abhängigkeiten führen und ein Nachbessern der Klimaziele erschweren werden. Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH).
Da der Vertrag in erster Linie zwischen einem katarischen und einem US-amerikanischen Unternehmen geschlossen wurde, ist allerdings unklar, inwiefern das zu einer deutschen Abhängigkeit führt. Auf Nachfrage von Klimareporter° erklärte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums, die geschlossenen Verträge beinhalteten keinerlei Abnahmeverpflichtung für Deutschland.
Europa kurbelt Gasproduktion an
Wie die Verträge zwischen deutschen Energieunternehmen, wie Uniper und RWE, und Qatar Energy beziehungsweise Conoco Philips genau aussehen und ob weitere geplant sind, ist unklar.
Klar ist hingegen, dass Europas umtriebige Suche nach Erdgas die weltweite Förderung des fossilen Brennstoffs ankurbelt. Qatar Energy fördert das Gas auf zwei neu erschlossenen Gasfeldern: North Field East und North Field South.
Beide Felder liegen wenige Kilometer vor der katarischen Küste. Mit ihnen will der Golfstaat seine Förderung für LNG bis 2027 von gegenwärtig 77 Millionen Tonnen auf 126 Millionen Tonnen aufstocken.
Auch Ägypten will seine Gasproduktion steigern. In Senegal sollen neue Gasprojekte mit Unterstützung aus Europa realisiert werden.
Das bedeutet: Selbst wenn Deutschland den Umstieg von Erdgas auf klimaneutrale Energieträger wie Wasserstoff schaffen sollte, sind derartige Gasdeals für den globalen Kampf gegen den Klimawandel gefährlich.
Auch Deutschlands Einsatz für Menschenrechte büßt mit solchen Deals an Glaubwürdigkeit ein. Warum ein milliardenschwerer Erdgas-Deal mit Katar eher vertretbar sein soll als die dortige Ausgestaltung der WM, hat die Bundesregierung bisher offen gelassen.