Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, die deutschen Haushalte könnten durch Stromsparen so viel CO2 vermeiden, wie ein großes Braunkohlekraftwerk ausstößt, hat der neue "Stromspiegel" ausgerechnet – allerdings unter ziemlich realitätsfernen Idealbedingungen. Erhoffen wir uns zu viel vom Stromsparen im Haushalt?

Jens Mühlhaus: Unbestritten ist: Jede Kilowattstunde Strom, die nicht benötigt wird, muss auch nicht erzeugt werden. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Einsparpotenziale jeder Einzelne auch im Haushalt hat, ist dringend notwendig.

Doch es geht nicht nur darum, das Gewissen zu beruhigen und auf den energieeffizientesten Kühlschrank zu setzen. Der Hebel zur Senkung der Treibhausemissionen ist ein größerer: Wir stehen kurz vor der Elektrifizierung der Sektoren Wärme und Mobilität. Nur wenn wir hierbei auf erneuerbare Energie setzen, werden wir auch Treibhausgase drastisch und nachhaltig senken können. Die Vernetzung von Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Verbrauch von dezentral erzeugtem Ökostrom ist der Schlüssel, um die Emissionen zu minimieren.

Entscheidend für unseren zukünftigen Stromverbrauch wird sein, Bedarf und Angebot besser anzupassen. Es geht um den intelligenten Einsatz von grüner Energie – darum, sie zu speichern, wenn sie im Überfluss im Netz ist, und wieder freizusetzen, wenn gerade wenig Strom erzeugt wird.

Jeder Haushalt kann und sollte die eigene Ökobilanz bestmöglich aufpolieren, wegweisend für eine CO2-neutrale Zukunft ist aber die grundlegende Veränderung unseres Energiesystems.

Am Freitag demonstrierten Millionen junge Menschen weltweit für mehr Klimaschutz. Inzwischen haben sich Eltern, Großeltern und über 20.000 Wissenschaftler der Bewegung "Fridays for Future" angeschlossen. Warum ist die Aktion der Schülerinnen und Schüler so erfolgreich?

Es sind die Klarheit und Ernsthaftigkeit, mit der sie agieren. Sie treffen mit jedem einzelnen Sprechchor und Transparent jeden Freitag den Nagel auf den Kopf.

Vor ein paar Monaten hat man sich nur darüber gefreut, dass die junge Generation etwas anderes tut, als auf dem Handy zu daddeln. Vielleicht wurde die Bewegung sogar etwas müde belächelt.

Heute würde das wohl kaum noch einer tun. Jeder merkt: Die Jugendlichen sind bestens organisiert und gehen mit einer Entschlossenheit vor, die man kaum von Schülern erwarten würde.

Für diesen Erfolg setzen sie Instrumente ein, die sie perfekt beherrschen. Sie nutzen ihre Netzwerke, um zu organisieren und zu mobilisieren: Social-Media- und Messenger-Kanäle spielen eine entscheidende Rolle. Wer mitmachen will, meldet sich einfach bei der lokalen Whatsapp-Gruppe an, und so werden aus hundert schnell tausend Schüler. Informationen verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Und aus einem Funken wird ein Flächenbrand.

Spätestens seit letztem Freitag belächelt keiner mehr die Schülergruppen. Bei uns in München demonstrierten mehr als 10.000 Jugendliche bei strömendem Regen. Da wird auch dem Letzten klar: Die Bewegung meint es todernst.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Im Zusammenhang mit "Fridays for Future" leisten sich Politiker ja die aberwitzigsten Aussagen. Überraschend war aber in dieser Woche ein Statement von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Nachdem Greta Thunberg gesagt hatte, sie wolle, dass Politiker Panik bekommen, konterte die Ministerin in einem Interview, dass die Politik sich Panik nicht leisten könne.

Das macht mich doch stutzig. Wie kann sie sich die Gelassenheit und das Nichtstun leisten? Von Aktion und Tatendrang für den Schutz unseres Klimas ist dieses Umweltministerium so weit entfernt wie die Bundesregierung davon, die Klimaziele zu erreichen. Wann wachen sie endlich aus ihrem Winterschlaf auf und nehmen den Tatendrang der jungen Generation als Vorbild? Viel Zeit bleibt nicht mehr.

Fragen: Friederike Meier

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