Jens Mühlhaus. (Foto: Dominik Parzinger)

Immer wieder sonntags: Die Mitglieder unseres Kuratoriums erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Jens Mühlhaus, Vorstand beim unabhängigen Ökostrom-Anbieter Green City AG.

Klimareporter°: Herr Mühlhaus, von Annegret Kramp-Karrenbauer bis Peter Altmaier: Die Union scheint sich seit der Europawahl ernsthafter mit dem Klimaschutz zu beschäftigen. Erwarten Sie, dass sich die Politik von CDU und CSU tatsächlich ändert?

Jens Mühlhaus: Ich würde es mir wünschen! Es scheinen zumindest einige in der Union endlich aufgewacht zu sein. Der Zwölf-Punkte-Plan der Fraktionschefs ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Abschaffung der Steuerbefreiung von Kerosin fordern Klimaaktivisten ja schon seit Langem.

Aber genau das ist der Knackpunkt: Warum hat sich denn in den letzten 20 Jahren so wenig getan? Und vor allem – warum handelt man jetzt nicht endlich verbindlich? Wenn unsere Regierung ankündigt, im Herbst eine Entscheidung zur Erreichung der Klimaziele treffen zu wollen, heißt das doch im Klartext, vor Jahresende wird keine der Maßnahmen verabschiedet werden und vor 2020 tut sich gar nichts! Das ist Verzögerungspolitik in Reinkultur und die können wir uns einfach nicht mehr leisten.

Was ist es denn das für ein Signal, wenn unsere Umweltministerin den Entwurf zum Klimaschutzgesetz eigenmächtig und sichtlich genervt zur Abstimmung in die einzelnen Ressorts schickt, weil monatelang aus dem Kanzleramt keine Reaktion darauf kam?

Ich denke, SPD und Union haben das Desaster der Europawahl und die aktuellen Umfragewerte zwar registriert, aber immer noch nicht kapiert. Ich kann da jedenfalls keinerlei Dynamik oder Weitsicht erkennen. Und so sehr ich es mir auch wünschen würde: Ich befürchte, dass sich trotz einiger positiver Signale so schnell auch nichts ändern wird.

Finnland will schon 2035 klimaneutral sein, allerdings macht dort Atomkraft ein Drittel im Strommix aus. Kann das Land trotzdem ein Vorbild für Deutschland sein?

Was die Finnen uns bei der Dekarbonisierung eindeutig voraus haben: Sie diskutieren nicht, sie machen! Genau das ist der Grund, warum auch Vertreter von Umweltschutzorganisationen im Großen und Ganzen hinter der Entscheidung stehen.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Es geht nicht darum, jetzt die Atomkraft-Debatte neu aufleben zu lassen, sondern gangbare Wege zu finden, um die Klimakrise zu bewältigen. Konkrete Maßnahmen, wie sie dieses ambitionierte Ziel erreichen wollen, haben die Finnen ja noch gar nicht festgelegt, und der Strommix des Landes wird sicherlich noch ein Thema sein, bei dem es kräftig knirschen wird.

Aber rund 70 Prozent der Finnen haben sich vor den Parlamentswahlen von der neuen Regierung stärkere Maßnahmen gegen den Klimawandel gewünscht – und die folgen jetzt. Ich würde mir wünschen, dass Finnland diesen Schwung und Elan mitnimmt, wenn das Land am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Vielleicht bewegt sich dann auch etwas mehr auf europäischer Ebene.

Und was war Ihre Überraschung der Woche?

Ich habe mich in dieser Woche darüber gefreut, wie sehr das Thema Elektromobilität die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Wir hatten in Berlin zusammen mit dem erfolgreichen Roller-Sharing-Anbieter Emmy zwei Veranstaltungen zum Thema Verkehrswende und haben den ganzen Tag über lebhafte und spannende Gespräche geführt.

Während die Politik noch rätselt, wie die Energie- und Verkehrswende gelingen könnte, legen wir gemeinsam mit den Menschen schon längst los: Gemeinsam investieren, rollern, das Klima schonen und auch die Städte profitieren lassen durch weniger Lärm, bessere Luft und mehr Platz.

Es wäre allerdings eine richtige Überraschung, wenn die Politik jetzt tatsächlich handeln würde und die Autos aus den Städten drängen würde. Für lebenswerte Städte ist das der Schlüssel, und ohne politisches Handeln wird es nicht gehen.

Fragen: Friederike Meier

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