Ein Raupenfahrzeug fährt über eine feuchte Wiese und erntet Gräser.
Ernte von Feuchtwiesengras: Die Bewirtschaftung von Moorböden ist möglich, aber oft nicht wirtschaftlich und auch nicht wirklich klimafreundlich. (Foto: Tobias Dahms)

Oktober 2021: Die große Koalition von Union und SPD ist abgewählt, die Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Da unterschreiben Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU), Noch-Ministerinnen für Umwelt und Landwirtschaft, kurz vor Toresschluss noch eine "Zielvereinbarung" mit den Ländern zum Moorschutz.

Wichtigstes Ziel darin: bis 2030 die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden um fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent senken. Denn bisher speicherten die überwiegend trockengelegten Moorböden kein Treibhausgas – im Gegenteil: Sie emittieren jedes Jahr etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent oder 6,7 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen, listet die Vereinbarung auf.

Zuvor hatte Klöckner monatelang und bis zum Wahltag einen bereits von Schulze vorgelegten Entwurf für eine "Nationale Moorschutzstrategie" blockiert. In dem Papier standen im Kern dieselben Ziele, wie sie dann in der Zielvereinbarung mit den Ländern Niederschlag fanden.

Offenbar war Klöckners Blockade vor allem dem Wahlkampf und dem Stimmenfang der Union unter den Landwirten geschuldet. Nach der Wahlniederlage konnte die CDU-Ministerin getrost unterschreiben. Für die Umsetzung würde ihre Partei auf Bundesebene nicht mehr verantwortlich gemacht werden.

Nach einer solchen Vorgeschichte hätte man erwarten können, dass eine von der Ampel-Regierung vorgelegte Strategie sich nicht mit dem Niveau der Groko begnügt. In der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Moorschutzstrategie findet sich das alte Ziel allerdings fast wortwörtlich wieder: Durch Wiedervernässung sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Moorböden bis 2030 um mindestens fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent reduziert werden.

Aufmerksame Leser:innen werden entdecken: Das Wort "mindestens" ist neu. Das lässt Luft nach oben. Geändert hat sich aber eine andere Zahl: Die 53 Millionen Tonnen haben nunmehr einen Anteil von 7,5 Prozent an den deutschen Treibhausgasemissionen. Der klimaschädliche Effekt der Moore steigt also anteilig in Deutschland.

"Dimension der Herausforderung verkannt"

Dass es nun eine regierungsoffizielle Moorschutzstrategie gibt, begrüßen Umweltschützer. Sie kritisieren aber den fehlenden Ehrgeiz. Die Zielvorgabe von fünf Millionen Tonnen bleibe "leider weit hinter dem notwendigen Ambitionsniveau zurück", bemängelt Jan Peters, Geschäftsführer der Michael Succow Stiftung, die mit dem Greifswald Moor Centrum zusammenarbeitet.

Schließlich seien die fünf Millionen Tonnen weniger als zehn Prozent der momentan emittierten 53 Millionen Tonnen, während die Gesamtwirtschaft bis 2030 laut Bundes-Klimaschutzgesetz eine Reduktion um 65 Prozent schaffen müsse, rechnet Peters vor.

Die fünf Millionen sind auch Florian Schöne deutlich zu wenig. "Der Schutz unserer Moore und die großflächige Wiedervernässung trockengelegter Moorböden ist ein wesentlicher Hebel zum Klimaschutz im Landnutzungssektor und muss künftig höchste Priorität haben", kommentiert der Geschäftsführer des Deutschen Naturschutzrings (DNR). Der DNR vertritt Deutschlands Umweltverbände als Dachverband.

Schöne hält es wie auch Peters für falsch, dass die Moorschutzstrategie vor allem auf freiwillige Maßnahmen baut. "Nur auf Freiwilligkeit zu setzen, verkennt die Dimension der Herausforderungen", betont der DNR-Experte. Vor allem die klimaschädliche Förderung entwässerungsbasierter Nutzungsformen auf Moorböden, etwa über die Agrarpolitik, müsse schnellstmöglich beendet werden.

Deutschland ist Weltspitze

Zum Hintergrund: 83 Prozent der Moor-Emissionen kommen hierzulande aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Deutschland nimmt, wie auch die Moorstrategie einräumt, bei der Kultivierung und landwirtschaftlichen Nutzung von Moorböden eine globale Spitzenstellung ein.

Wie es gehen könnte, mache die EU vor, betont Peters von der Succow-Stiftung. "Die Europäische Kommission hat in ihrem EU-Renaturierungsgesetz rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung von Moorflächen in festgelegten Perioden bis 2030, 2040 und 2050 vorgelegt." Die Bundesregierung sollte diesem Ansatz, fordert Jan Peters

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte ihrerseits bei der Vorstellung der Moorschutzstrategie, diese knüpfe an die im Herbst 2021 beschlossene Bund-Länder-Zielvereinbarung an und bilde die dortigen Ziele und Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft ab. Man baue auf eine enge Kooperation mit den Landnutzer:innen und setze stark auf finanzielle Anreize zur Wiedervernässung und zu einer angepassten Bewirtschaftung.

Auch beim umstrittenen Thema Torfabbau geht die Ampel-Strategie übrigens mit keinem Wort über die Ziele der Groko hinaus. Die Torfindustrie, heißt es, gehe aufgrund auslaufender Genehmigungen davon aus, dass der Torfabbau in Deutschland bis 2040 weitgehend zum Erliegen kommen wird. Konkrete gesetzgeberische Vorhaben zu einem schnelleren Ausstieg finden sich in der Moorstrategie nicht.

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