Wer meine Beiträge regelmäßig liest, weiß vielleicht, dass ich einen – inzwischen in die Jahre gekommenen – Benzin-Pkw fahre. Zum einen aus beruflichen Gründen – Solar- oder Windparks und Moore haben selten einen Anschluss an den öffentlichen Verkehr –, aber auch privat.

Die gute Nachricht: Diesen Herbst wird das private Auto abgeschafft und, wenn nötig, durch Carsharing ersetzt.

Dieser Tage erhielt ich eine weitere gute Nachricht. Meine Bahnbonus-App teilte mir mit, ich hätte 2023 dank meiner Bahnfahrten im Fernverkehr 910 Kilogramm CO2 eingespart – im Vergleich zu einer Pkw-Nutzung und dank der 100 Prozent Ökostrom im Bahn-Fernverkehr.

Was Bahnfahren statt Autofahren an Klimagasen einspart, macht die Bahnapp auch gleich in einem Vergleich anschaulich, sofern man ein Haus hat (Bild: Jörg Staude.)

Also fast eine Tonne Einsparung. Das ist ordentlich. Mein CO2-Fußabdruck liegt bei etwa 7,5 Tonnen jährlich, sagt mir der CO2-Rechner des Umweltbundesamtes.

Gut, 2023 kam noch der unabänderliche berufliche Flug zum Weltklimagipfel nach Dubai hinzu. Das sind hin und zurück rund 1,6 Tonnen CO2 obendrauf.

Zusammen komme ich also auf gut neun Tonnen. Das liegt immer noch unter dem deutschen Schnitt von derzeit 10,5 Tonnen CO2 pro Kopf.

Und von den neun Tonnen habe ich dank der Bahn fast eine Tonne eingespart, flüstert mir die App ein. Wirklich eine gute Nachricht!

Fernverkehr grüngerechnet

Na ja, ganz so gut ist sie nicht. Im Fernverkehr, wo die Bahncard gilt, will die Deutsche Bahn mich glauben machen, sie fahre mich mit 100 Prozent Ökostrom durch die Lande, aber das stimmt leider nur bilanziell.

Das läuft so: Real liegt der Anteil erneuerbarer Energien am DB-Bahnstrom bei rund 65 Prozent, wie die Deutsche Bahn selbst mitteilt. Die 100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr werden nur erreicht, indem rechnerisch von den 65 Prozent so viel in den Fernverkehr umverteilt wird, dass dieser voll grün angetrieben wird.

Entsprechend fahren dann der Nahverkehr und die Güterzüge der DB mit viel weniger als 65 Prozent Ökostrom. Mit wie viel genau, sagt die DB seit Jahren nicht.

Aber gut. Selbst wenn ich mit dem 65-Prozent-Anteil rechne, fällt nur etwa ein Drittel meiner CO2-Einsparung weg. Bleiben also rund 600 Kilo. Das ist immer noch ordentlich.

 

Doch auch diese Zahl stimmt genau genommen nicht. Denn die Strecke, die ich 2023 real im Ausland im ICE oder IC der Deutschen Bahn zurückgelegt habe, wird in der CO2-Rechnung nicht berücksichtigt.

Die Bilanzierung erfolge derzeit nur innerhalb der deutschen Grenzen, da die Fernverkehrszüge der DB im Ausland den Strom des jeweiligen Landes beziehungsweise der jeweiligen Bahngesellschaft beziehen, erläutert eine Bahnsprecherin auf Nachfrage.

Wie öko der von ihr genutzte Bahnstrom beispielsweise in Frankreich oder in Österreich ist, weiß die Deutsche Bahn nicht? Das klingt wenig glaubwürdig.

Eigentlich müsste sie dann auch ihre Werbeversprechen im Fernverkehr einschränken und deutlich sagen: Wir fahren mit 100 Prozent Ökostrom innerhalb der Grenzen Deutschlands. Macht sie natürlich nicht.

Ein hoher Referenzwert ist die halbe Einsparung

Zweifel, ob die Bahn klimapolitisch seriös vorgeht, lässt ein weiteres Detail aufkommen. Zum CO2-Vergleich mit der Pkw-Nutzung werde ein Mittelklasse-Diesel mit Euro-5-Norm genutzt, der mit 1,4 Personen unterwegs ist, teilt mir die App weiter mit.

Hm, mit der Bahnbonus-App war und bin ich ja rechnerisch ganz allein als CO2-Sparer unterwegs. Das passt schon mal nicht. Aber ich will auch nicht zu pingelig sein. Es geht ja um eine gute Nachricht.

So erwarte ich auch nicht, dass die Bahn die App so programmiert, dass ich meinen konkreten Benziner zum Pkw-Vergleich eingeben könnte. Aber warum in aller Welt wählt die Bahn einen Diesel-Pkw als Maßstab?

Diesel-ICE in Kopenhagen
Im Ausland wie hier in Kopenhagen werden die Emissionen der DB-Züge nicht gezählt. (Bild: Arne List/​Flickr)

Nur noch jeder dritte Pkw in Deutschland ist ein Diesel und der Anteil am Bestand sinkt weiter. 2023 waren nur noch 17 Prozent aller neu zugelassenen Autos dieselbetrieben.

Auf die Frage, warum die Bahn hier das Auslaufmodell Diesel zum Vergleich nimmt, antwortet die Sprecherin nicht direkt. Sie teilt nur mit, dass die Emissionsdaten für den Pkw aus einem standardisierten Modell stammen, das vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) für das Umweltbundesamt entwickelt wurde.

Die dort hinterlegten Emissionen seien straßentypenabhängig – Stadtverkehr, Landstraße oder Autobahn – und bewegten sich für den gewählten Beispiel-Pkw zwischen 107 und 153 Gramm CO2-Äquivalent je Personenkilometer, so die Sprecherin weiter. 

Mit der riesigen Spanne von 107 bis 153 Gramm lässt sich nun endgültig nicht mehr nachvollziehen, wie die DB auf die konkreten 910 Kilo kommt.

Rechnerisch ist klar: Je "klimaschmutziger" der Vergleichs-Pkw ist, desto mehr spare ich mit dem Bahnfahren ein.

Das hat auch die DB begriffen. Dies zeigt der auf der DB-Website zu findende CO2-Kompass. Damit lässt sich die Emissionseinsparung einer Bahnreise berechnen.

Bei dem Kompass orientiere man sich an Berechnungsstandards, die auch das Umweltbundesamt nutze, teilt die DB auch dort mit. Danach habe ein Auto – ob Diesel oder Benziner, ist hier offenbar egal – 2021 im Schnitt 162 Gramm CO2-Äquivalent verursacht.

Das ist schon ein ordentlicher Höchstwert an "Klimaschmutz", der dann auch viele gute CO2-Einsparwerte produziert.

All das lässt mich ziemlich ratlos zurück. Klar ist aber: Die 910 Kilo stimmen hinten und vorne nicht, sie sind vor allem eins: schön gerechnete heiße Luft.

Wo sind die Auto fahrenden Bahnfahrer?

Auf meinen größten Kritikpunkt antwortet die Bahn gleich gar nicht: Für mich ist die CO2-Einsparung rein fiktiv. Denn die Reisen habe ich nur gemacht, weil die Ziele mit dem Fernverkehr der Bahn zu erreichen waren.

Alternativ wäre ich nicht mit dem Auto gefahren, sondern gar nicht, oder hätte ein anderes Ziel genommen, das ebenfalls mit der Bahn zu erreichen gewesen wäre.

Mein Vergleichsmaßstab – und der von Millionen weiterer notorischer Bahnnutzer – ist gar nicht der Pkw, sondern keine Reise oder eine andere Bahnreise.

2022 nutzten wie ich etwa 3,75 Millionen Menschen die Bahncard 25 und möglicherweise auch die Bonus-App. Angenommen, hätten diese Bahnfahrer im Vergleich zum Pkw ebenfalls um die 900 Kilo eingespart, kämen so an die 3,4 Millionen Tonnen CO2 zusammen.

Im selben Jahr 2022 verursachte der Verkehr in Deutschland rund 148 Millionen Tonnen CO2. Hätten alle Bahncard‑25-Inhaber für ihre Fernreisen nicht die Bahn, sondern das Auto genommen, hätten die gesamten Verkehrsemissionen um mehr als drei Millionen Tonnen steigen können, also um ordentliche zwei Prozent.

Diese fiktiven Mehremissionen entstanden nicht und konnten also ebenso fiktiv eingespart werden – mehr "gute Nachricht" ist nicht. An der katastrophalen Klimabilanz des Verkehrs ändert sich null.

Wenn die Bahn meint, auf dieser fragwürdigen Basis eine offensichtlich irreführende Klima-PR machen zu müssen, ist das ihre Sache. Meine ist es nicht.