Verkehrsstau in der Stadt.
Die Bundesregierung setzt vor allem auf die Antriebswende. Aber die Zahl der Autos müsste deutlich sinken – zum Beispiel durch Sharingmodelle. (Bild: Stanislaw Perow/​Shutterstock)

Carsharing ist ein wichtiger Pfeiler der Verkehrswende. Das "Auto-Teilen" gilt zusammen mit dem Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs und mehr Fahrrad-Infrastruktur als Hebel, um den Verzicht auf das eigene Auto zu ermöglichen. Außerdem macht es die Nutzung der Pkw effizienter, die normalerweise eher "Stehzeuge" als Fahrzeuge sind, weil sie im Schnitt nur ein bis zwei Stunden am Tag genutzt werden.

Eine neue Untersuchung attestiert der Branche jetzt allerdings, die Erwartungen an Carsharing als großen Zukunfts- und Wachstumsmarkt hätten sich nicht erfüllt. Deren Vertreter halten dagegen: Es gehe durchaus bergauf mit dem Auto-Teilen.

Kaum jemand bestreitet, dass das gemeinschaftliche Auto-Nutzen eine gute Sache ist. Schon bei der Merkel-Groko hieß es 2015: "Carsharing leistet einen wichtigen Beitrag für die Vernetzung der Verkehrsträger und für einen nachhaltigen Stadt- und Regionalverkehr."

Und auch die Ampel-Koalition beschloss in ihrem Koalitionsvertrag, Carsharing neben "innovativen Mobilitätslösungen" zu unterstützen. Doch gleichzeitig ist die Zahl zugelassener Autos hierzulande weiter angestiegen.

2022 war mit 48,8 Millionen Pkw erneut ein Rekordjahr, die Jahre 2020 und 2021, als sich die Deutschen wegen Corona wieder häufiger ein Auto zulegten, blieben keine Ausreißer. Fast 80 Prozent der Haushalte besitzen inzwischen ein Auto.

Dazu scheint die aktuelle Meldung zu passen. Das Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach hat zusammen mit dem Telekommunikationsunternehmen Cisco und dem Fachmagazin Automotive IT rund 280 alternative Mobilitätsdienstleister weltweit untersucht, darunter Anbieter von Carsharing und sogenannter Mikromobilität etwa mit E-Rollern sowie Fahrdienstvermittler wie Uber.

Hoher Kostendruck und mäßige Einnahmen 

Das Fazit fällt wenig ermutigend aus. "Mangelhafte Auslastung, hohe Betriebskosten, steigende Kapitalzinsen und allmählich ungeduldige Investoren bewirken übergreifende Konsolidierungstendenzen auf dem Shared-Mobility-Markt", so CAM-Leiter Stefan Bratzel.

Beim Carsharing sinkt dem Branchenexperten zufolge wegen mangelnder Nachfrage die Zahl relevanter Anbieter. Bratzel verweist auf den weltgrößten Automarkt China, wo sich die Unternehmen SAIC, BAIC und Shouqi aus dem Carsharing zurückgezogen hätten, aber auch auf Deutschland, wo der VW-Konzern seinen Dienst Weshare an den Berliner Anbieter Miles verkauft hat.

Dabei kämpften auch etablierte Unternehmen mit hohem Kostendruck und mäßigen Einnahmen. Selbst Miles, der in Europa führende Anbieter mit Autos in 14 deutschen und belgischen Großstädten, darunter in Berlin, Hamburg und München, habe 2022 "nur knapp einen unbereinigten Gewinn" eingefahren.

Auch bei der Mikromobilität gibt es Bratzel zufolge Konsolidierungstendenzen. So schrumpfe die Flotte in Europa (Anbieter: Tier, Bolt und Lime), während die Anbieter im Wachstumsmarkt Nordamerika (Lime und Bird) schwache Auslastungszahlen beklagten. In China bedienen Didi Chuxing, Meituan und Hello diesen Markt.

Bratzel resümiert: "Vieles spricht dafür, dass sich der Konsolidierungsprozess bei Mobilitätsdienstleistern weiter beschleunigt." Profitable Geschäftsmodelle seien selten, und die Geduld von Investoren gehe zu Ende. Hoffnung auf bessere Geschäfte machten aktuell nur die sogenannten Super-Apps, mit denen Kunden mehrere Mobilitätdienstleistungen aus einer Hand angeboren bekommen.

"Privater Pkw-Besitz wird massiv gefördert"

Der Bundesverband Carsharing (BCS) hingegen sieht Carsharing zumindest hierzulande weiterhin im Aufwind. Die Branche weise seit Beginn der von ihm geführten Statistik im Jahr 1997 ein kontinuierliches Wachstum auf, gerade auch in jüngster Zeit.

4,5 Millionen Car-Sharer

Carsharing gibt es nach Angaben des Bundesverbandes Carsharing in 1.082 Städten und Gemeinden in Deutschland. In vielen Großstädten kann man zwischen verschiedenen Anbietern wählen. Bundesweit sind knapp 4,5 Millionen Fahrberechtigte zum Carsharing angemeldet. Die 249 Anbieter betreiben insgesamt 33.930 Fahrzeuge.

So sei die Carsharing-Kundschaft 2022 um über 30 Prozent auf rund 4,5 Millionen Personen und die Zahl der bereitgestellten Fahrzeuge um zwölf Prozent gestiegen, so der Verband auf Anfrage von Klimareporter°.

"Die Carsharing-Anbieter in Deutschland sind in der Mehrzahl seit Jahrzehnten wirtschaftlich tragfähig und bauen ihr Angebot kontinuierlich aus", sagt BCS-Geschäftsführer Gunnar Nehrke. Das gelte für alle größeren Anbieter im Marktsegment des "stationsbasierten und kombinierten Carsharing" wie Stadtmobil, Cambio, Teilauto, und Book-n-drive).

Nehrke räumt aber ein, dass Anbieter im Marktsegment "free-floating Carsharing" (Miles, Share Now, Sixt, Bolt) immer noch Schwierigkeiten hätten, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle aufzubauen. Daher komme es hier auch immer wieder zu Konsolidierungen. "Das halten wir für einen normalen Vorgang." Free-Floating bedeutet, dass die genutzten Autos nicht an festen Stellplätzen, sondern überall auf öffentlichen Parkplätzen abgestellt werden können.

Carsharing-Fahrzeuge seien eine Alternative zum privaten Pkw-Besitz, der in Deutschland "seit Jahrzehnten massiv beworben und staatlich gefördert" werde, gibt Nehrke zu bedenken. "Dass sich gegen diese geballte Marktmacht das Alternativprodukt Carsharing nur langsam durchsetzt, hat weder den BCS noch die Carsharing-Anbieter jemals überrascht."

Der Verband hat durchaus die Hoffnung, dass das Teilauto-Angebot weiter wächst. Das Carsharing-Gesetz von 2017 und die entsprechenden Landesgesetze ermöglichten es, die Angebote flächendeckender auszubauen und, etwa mit eigenen Parkplätzen, sichtbarer zu machen. Dies werde in vielen Kommunen zurzeit umgesetzt. Zusammen mit dem Ausbau des ÖPNV-Angebots auch auf dem Land könne das "einen nochmaligen Schub" geben.

 

Auch der Kasseler Verkehrsforscher Helmut Holzapfel glaubt, dass das Auto-Teilen noch große Potenziale hat. Er fordert von der Politik, Verkehrsunternehmen und der Wirtschaft mehr Einsatz in der Frage. So könne das Carsharing über Kombi-Tickets in die den öffentlichen Verkehr integriert werden, wie das oft heute schon beim Bike-Sharing der Fall ist.

Weiter fordert Holzapfel die Umstellung von Fahrzeugflotten der Wirtschaft und der teuren Fahrdienste der öffentlichen Verwaltung, der Bundes- und Landtage sowie aller Ministerien auf Carsharing. "Das würde ein Zeichen setzen", meint der Verkehrsprofessor.