Die Schifffahrt ist für rund drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Große Mengen Diesel und Schweröl werden dafür verbrannt. Um auch diesen Sektor klimafreundlich zu machen, braucht es CO2-neutrale Alternativen zu den herkömmlichen Treibstoffen – etwa Methanol.
Ein Verfahren, um diesen Treibstoff aus Klärschlamm – also Fäkalien – herzustellen, hat das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründete Start-up Icodos entwickelt. Es wird jetzt in einer Demonstrationsanlage in Mannheim getestet.
Heute wird Klärschlamm, der früher oft auf Felder ausgebracht wurde, zumeist verbrannt, um Energie damit zu gewinnen, oder es wird Biogas daraus hergestellt. In der Anlage "Mannheim 001" am städtischen Klärwerk nutzt man Biogas, reinigt es und lässt das darin enthaltene CO2 mit grünem Wasserstoff zu Methanol reagieren.
Methanol ist ein vielseitig einsetzbarer Rohstoff, der heute unter anderem in der Chemieindustrie genutzt wird, sich aber auch als Schiffstreibstoff eignet, da in ihm große Energiemengen gespeichert sind.
Die Mannheimer Anlage sei "die erste weltweit, in der in einem integrierten Verfahren Klärgas aus Abwasser umgewandelt wird in E‑Methanol, das man als Schiffstreibstoff verwenden kann", sagte KIT-Professor Roland Dittmeyer. Icodos-Mitgründer Francisco Vidal Vazquez ergänzte: "Mit unserer Technologie gewinnen wir aus einer vorhandenen Quelle einen hochwertigen Energieträger".
Bisher nur sehr kleine Mengen
Dem Chemieingenieur schwebt vor, dass die Kläranlagen "quasi Herzstück einer nachhaltigen Kraftstoffproduktion" werden können, ein bisher ungenutztes Potenzial. "Allein in Deutschland könnten Kläranlagen jährlich mehrere Millionen Tonnen nachhaltiges Methanol produzieren", sagte Vazquez. Europaweit ist das Potenzial noch größer, hier gibt es insgesamt rund 80.000 Klärwerke.
Mannheim 001 stellt erst kleine Mengen her, nur etwa 50 Liter Methanol am Tag, gut 15.000 Liter im Jahr. Zurzeit entsteht eine weitere Anlage in der Nähe von Paris mit 15-facher Kapazität, die Ende 2026 in Betrieb gehen soll.

In andere Dimensionen will Icodos, dessen Sitz in Mannheim ist, mittelfristig mit einem Projekt in Spanien vorstoßen. Dort sind 35 Millionen Liter Jahreskapazität vorgesehen. Zum Vergleich: Der Tank des ersten mit Methnaol betriebenen Containerschiffs "Laura Mærsk" fasst 1,4 Millionen Liter für knapp 11.000 Kilometer Fahrstrecke.
Der scheidende Bundesverkehrsminister Volker Wissing war bei der Eröffnung der Anlage in Mannheim dabei und drückte den Startknopf. Klimafreundliche Kraftstoffe seien ein "Wachstumsmarkt der Zukunft", sagte der Minister.
Deutschland sei gut beraten, bei der Forschung und Entwicklung eine Vorreiterrolle einzunehmen, so Wissing, auch um unabhängig von Energieimporten zu werden. Mannheim 001 könne beispielgebend für viele weitere Standorte in Deutschland und Europa sein.
Die Kosten für das aktuelle Projekt wurden unter anderem durch Fördermittel des Bundesforschungsministeriums gedeckt. Allein der Wert der Anlage liegt laut KIT bei rund zwei Millionen Euro.
Auch Umweltorganisationen sind angetan
Der Naturschutzbund Nabu lobte das KIT-Projekt als wegweisend – vor allem mit Blick auf das Abwasser als Quelle für den im Methanol gebundenen Kohlenstoff, wie Nabu-Schifffahrtsexperte Sönke Diesener hervorhob. Bei anderen Verfahren muss das "C" erst unter hohem Energieaufwand etwa aus der Luft gewonnen werden.
Eine vom Nabu in Auftrag gegebene Untersuchung zeigte 2023, dass Methanol als Treibstoff weniger umweltschädlich als die andere diskutierte Alternative Ammoniak ist und einfacher nutzbar als etwa reiner Wasserstoff.
Auch bei Greenpeace zeigt man sich von dem Verfahren beeindruckt, bei dem laut KIT 99 Prozent des CO2, das bei der Klärschlamm-Vergärung anfällt, für die Methanol-Produktion genutzt werden können.
Ein Fragezeichen setzt Greenpeace-Experte Karsten Smid jedoch an die Schätzungen, wie schnell große Mengen des klimaneutralen Treibstoffs zu produzieren wären – und zwar wegen des im Prozess nötigen grünen Wasserstoffs.
Er halte "die Skalierbarkeit für die ganze Schifffahrt für schwierig, weil die Mengen noch nicht da sind", sagte er. Weiter an dem Verfahren zu arbeiten, sei jedoch wichtig.