Eine dreispurige Autobahnhälfte mit einigen Fahrzeugen.
Von der Autoindustrie gern gesehen: Autobahnen so breit, dass ein Tempolimit als Zumutung erscheint. (Foto: Schulze von Glaßer)

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) wagt sich auf umstrittenes Terrain: Sie startet einen Vorstoß für Tempo 130 auf Autobahnen – mit einer Petition an den Bundestag. Sie sammelt ab dem heutigen Aschermittwoch – dem Beginn der sogenannten Mitzeichnungsfrist – Unterschriften, damit der Petitionsausschuss des Parlaments in Berlin das Thema eines allgemeinen Tempolimits behandelt.

Dafür müssen binnen vier Wochen 50.000 Bürger die Petition unterzeichnen, online oder auf Listen, die in den Gemeinden ausgelegt werden. In den letzten zehn Jahren gab es, wie der Bundestag ausweist, erst zwei weitere Petitionen, die sich für eine Maximalgeschwindigkeit von 130 aussprachen.

Die Kirche will mit dem Tempolimit einen Beitrag zum Klimaschutz, zur Verkehrssicherheit und zu weniger Staus und Stress im Verkehr erreichen. "Deutschland ist in der EU das einzige Land ohne Tempolimit", kritisiert Oberkirchenrat Christian Fuhrmann, das sei anachronistisch.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung sei ein sofort umsetzbarer und kostenloser Beitrag zum Klimaschutz, bei dem Deutschland derzeit seinen eigenen Zielen weiter hinterherhinke. "Angesichts des Klimawandels gehört die 'freie Fahrt für freie Bürger' auf den Prüfstand", heißt es in der Petition. Die mitteldeutsche Kirche umfasst weite Teile von Sachsen-Anhalt sowie Thüringen, sie hat 700.000 Mitglieder.

15 Prozent weniger schwere Unfälle

Die EKM erwartet, dass das 130er-Limit direkt eine CO2-Einsparung von zwei bis 2,5 Millionen Tonnen jährlich bringt sowie weitere Verbesserungen, weil längerfristig die Pkw-Flotte weniger auf Tempo und viele PS hochgezüchtet werde.

Damit allein seien die rund 70 Millionen Jahrestonnen Einsparung, die laut Bundesregierung im Verkehr bis 2030 erreicht werden müssen, natürlich nicht zu schaffen, räumte Fuhrmann ein. Aber es sei durchaus ein wichtiger Beitrag.

Hinzu komme das Sicherheitsargument. Auf Autobahnstrecken mit Tempolimit gebe es laut Verkehrssicherheitsrat 15 Prozent weniger schwere Unfälle mit Verkehrstoten. Die jüngste Äußerung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), ein generelles Tempolimit sei "gegen jeden Menschenverstand", wies Fuhrmann zurück. "Das ist seine Meinung. Wir sehen das anders."

In der Kirchenleitung war das Projekt nicht unumstritten, wie Fuhrmann einräumt. "Es gab Debatten, ob wir uns da so aktiv einschalten sollten." Es wurde dann aber doch mehrheitlich beschlossen. Landesbischöfin Ilse Junkermann hat sich klar hinter das Projekt gestellt. Die EKM wolle mit der Petition nicht das Geschäft der Parteien übernehmen. "Aber der Schöpfungsauftrag trägt uns. Daher sind wir verpflichtet, auch im Klimaschutz mehr zu tun."

Unterstützung kommt inzwischen auch aus anderen Landeskirchen, so von der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Ihr Vorsitzender Bischof Ralf Meister unterstützt die Petition. "Umwelt- und Klimaschutz gehen alle an", sagte er. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung könne dazu einen Beitrag leisten. Es sei notwendig, dass konkrete Schritte unternommen werden, um den Klimazielen näherzukommen. "Auch kleine Schritte helfen."

Klima-AG der Verkehrskommission tagt heute und morgen

Kommen die 50.000 Unterschriften zusammen, muss der Petitionsausschuss in Berlin eine Anhörung zum Thema Tempolimit veranstalten. Fuhrmann meint, die Zahl zu erreichen, sei "zwar sportlich, aber zu schaffen".

Er verweist darauf, dass es unter den Bundesbürgern nach der jüngsten Umfrage mit 51 Prozent eine Mehrheit für ein allgemeines Tempolimit gibt; 47 Prozent sind dagegen. Und selbst, wenn die 50.000 nicht zusammenkommen, sei das kein Beinbruch. "Dann haben wir wenigstens eine lebhafte Debatte über dieses wichtige Thema geführt."

Unterdessen ist offen, ob es das Tempolimit in die Empfehlungen der Expertenkommission schafft, die den Bund zu Fragen der Mobilität und des Klimaschutzes im Verkehr berät. Verkehrsminister Scheuer hatte die im Januar anstehende Sitzung ihrer Klima-Arbeitsgruppe verschoben, nachdem bekannt worden war, dass sie ein 130er Limit in einen Katalog möglicher Maßnahmen zum CO2-Sparen aufgenommen hatte. Dieses Treffen findet nun am heutigen Mittwoch und am Donnerstag statt, ein Ergebnis soll spätestens am 25. März vorliegen.

Nach dem Klimaschutzplan der Bundesregierung muss der Treibhausgasausstoß im Verkehr bis 2030 um 40 bis 42 Prozent unter den Wert aus dem Basisjahr 1990 gedrückt werden. Inzwischen liegt der Ausstoß mit 171 Millionen Tonnen (Stand 2017) sogar höher als 1990, als es 163 Millionen Tonnen waren. 2030 dürfen es nur noch 95 bis 98 Millionen sein. Diese Zielmarke sei erreichbar, heißt es in Teilnehmerkreisen, allerdings nur mit einschneidenden Maßnahmen.

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