E-Auto IAA 2017
Ein schön blinkendes E kann leicht den Blick trüben. (Foto: Boris Löffert/​IAA)

Was in Österreich möglich ist, muss doch auch in Deutschland Sinn haben, muss sich der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek gesagt haben. Der in München beheimatete Politiker hat sich gegenüber dem Handelsblatt für eine Lockerung der Tempolimit-Vorschriften zugunsten von Elektroautos ausgesprochen.

"Warum sollten Elektroautos an Geschwindigkeitsbegrenzungen gebunden sein, die wegen der Abgasbelastung von fossilen Verbrennungsmotoren erlassen wurden", zitiert das Blatt den Grünen. Janecek hält E-Autos, abgesehen vom Reifenabrieb, für emissionsfrei und würde ihnen in der bayerischen Metropole auf einigen Magistralen gern mehr als die vorgeschriebenen 50 Stundenkilometer erlauben.

Mal abgesehen davon, dass E-Autos wegen der ressourcenaufwendigen Batterie erst ab etwa 30.000 Kilometern Fahrleistung wirklich emissionsfrei unterwegs sind – und auch das nur, wenn sie "echten" Ökostrom tanken –, ist offenbar in Janeceks Augen bei Elektromobilen die ansonsten geltende Fahrzeug-Physik plötzlich außer Kraft gesetzt.

Zum Glück ist es ja nicht so, dass die – dank Batterie meist tonnenschweren – E-Autos deutlich mehr Energie verbrauchen, wenn sie schneller fahren. Auch der Fakt, dass die Zeitersparnis beim Schnellfahren meist gering ist – für Autobahn-Raser mit Tempo 200 übrigens genauso wie im Stadtverkehr –, gilt natürlich für E-Autos nicht. Wie wir wissen, beamen die sich durch den Stau.

Autos, die mit höherer Geschwindigkeit unterwegs sind, gefährden in der E-Variante auch nicht mehr die Verkehrsteilnehmer, die keine Knautschzone haben – Radfahrer, Fußgänger und was sonst noch im Stadtraum kreucht und fleucht. Wieso fordern andere Grüne eigentlich noch Tempo 30 für Innenstädte? Langsame Autos bringen doch das Herz nicht zum Rasen!

Ultimatives Argument

Und warum nicht noch a bissel differenzieren? Panzerähnliche E-SUV, wie sie die deutsche Autoindustrie derzeit als Zukunftsmodell auf dem Markt wirft, dürfen nur zehn Stundenkilometer schneller fahren, E-Autos in Carsharing dann schon zwanzig, und zweifelsfrei emissionsarme E-Bikes und -Roller dürfen doppelt so schnell wie die fossilen Karossen.

Man könnte Janecek zugutehalten, dass er die Mentalität seiner Münchner Autofahrer kennt, die jahrzehntelang von einem ortsansässigen Autokonzern mit dem Slogan "Freude am Fahren" eingenebelt wurden. Wenn schon nicht Euro-Prämien, kostenloser Strom oder drohende Dieselverbote den Premiumfahrer für Elektro begeistern können – die Aussicht, andere SUV-Besitzer auch in der Stadt locker und mit voller Rückendeckung des Gesetzes hinter sich lassen zu können, muss dann wohl das ultimative Pro-E-Argument sein.

Dass Janecek autoaffinem Denken aufsitzt, hat das wirtschaftsfreundliche Handelsblatt auch sogleich erkannt und setzt dem Nachrichtentext die schöne Losung "Freie Fahrt für Elektroautos" voran. Besser kann man die neu eingeblechte Mobilitätsstrategie nicht auf dem Punkt bringen: Wir bauen den Spritfressern neue Antriebe ein und machen weiter wie bisher.

Einige meinen ja, dass die Wahlerfolge die Grünen ein bisschen verwirrt haben. Möglicherweise ist da was dran.

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