Hier ist die Detailaufnahme eines Strommastes zu sehen
Deutschlands Netze müssen ausgebaut werden. (Foto: Kai Gentle/​Pixabay)

Die Belastung der Stromnetze durch die Elektromobilität wird häufig überschätzt. "Kurzfristig sind die Auswirkungen auf den Stromsektor gering", heißt es in einer Studie des Öko-Instituts.

Die Experten haben hochgerechnet: Selbst bei sechs Millionen Elektrofahrzeugen – das ist die Zielgröße der Bundesregierung für das Jahr 2030 – liege der zusätzliche Bedarf bei weniger als 20 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Dies entspricht rund vier Prozent des gesamten Stromverbrauchs des Jahres 2014 in Deutschland.

Langfristszenarien mit einem Anteil von mehr als 75 Prozent E-Autos am Gesamtbestand der Pkw zeigen der Analyse des Öko-Instituts zufolge, dass die Stromnachfrage durch die Pkw-Elektromobilität auf bis zu 100 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr steigen könnte. Diese Strommenge entspreche in etwa der Stromerzeugung von 26.000 bestehenden oder rund 10.000 modernen Onshore-Windkraftanlagen.

Zu den 100 Milliarden Kilowattstunden werden möglicherweise noch 50 Milliarden pro Jahr für den Güterverkehr hinzukommen, wenn dieser maßgeblich von Lkw und Lieferfahrzeugen geleistet wird, die auf einen batterieelektrischen Antrieb nebst Versorgung durch Oberleitung umgestellt würden.

Können die lokalen Verteilnetze das noch schaffen? Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert in einem Positionspapier, dass die Betreiber der Verteilnetze die Kontrolle über die Ladeinfrastruktur haben müssten. So macht sich der Verband für eine Meldepflicht von Stromtankstellen beim Netzbetreiber stark. Die Errichtung größerer Anlagen müsse von diesen genehmigt werden.

Wenn es eng wird, soll auch mal der Saft abgedreht werden

Überdies empfiehlt der BDEW, Ladesäulen schon heute mit "Steuerungs- und Kommunikationsfunktionen" auszustatten. Das soll dem Netzbetreiber die Steuerung für einen "störungsfreien Netzbetrieb" ermöglichen, der in kritischen Situationen Vorrang vor "marktlichen/betrieblichen Interessen" haben müsse. Im Klartext: Wenn es eng wird, muss einer Stromtankstelle auch schon mal der Saft abgedreht werden können.

Gleichwohl droht bei einem massiven Anstieg der Elektrofahrzeug-Zahlen die Überlastung der Verteilnetze aufgrund von unkontrollierten Ladevorgängen an der heimischen Steckdose. Die Lösung könnten intelligente Ladestrategien sein: Die E-Autos tanken nicht sofort, wenn sie zuhause nach Feierabend ans Netz geklemmt werden, sondern mitten in der Nacht, wenn die Lage deutlich entspannter ist und künftig womöglich Billigstrom angeboten wird.

Intelligent heißt, dass Netze zu Smart Grids ausgebaut werden, um das Laden über Algorithmen zu steuern. Das kann auch eingesetzt werden, um die Batterien geparkter E-Autos als kurzfristige Stromlieferanten zu nutzen.

Umstritten ist, wie viel das bringen wird. Denn die Strommengen, die E-Autos abgeben können, werden auch nach 2030 noch recht überschaubar sein. Florian Hacker vom Öko-Institut bezweifelt jedenfalls, dass es sich dafür lohnt, spezielle Infrastrukturen aufzubauen.

Denkbar sind jedoch Lösungen im Nahbereich. Etwa wenn ein großer Flughafen in Stoßzeiten die Batterien Tausender Autos anzapft, die in seinen Parkhäusern stehen.

Von wem kommen die Investitionen?

Einigkeit herrscht unter Experten, dass die Netze für den erwarteten E-mobilen Ansturm ertüchtigt werden müssen. Insbesondere wenn Hochleistungs-Stromtankstellen kommen, die zeitweise riesige Mengen elektrischer Energie absaugen könnten.

Wobei noch nicht absehbar ist, wo und wie viel investiert werden muss. Lobbyisten von Stadtwerken haben aber bereits deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, in Vorleistung zu treten. Michael Ebling, Präsident des Stadtwerkeverbands VKU, meldet schon einmal Finanzbedarf an: "Ohne Verteilnetze keine Automobilwende. Deshalb muss die neue Bundesregierung Investitionen in diese Netze fördern."

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