Den Reedereien geht es derzeit blendend. Seit Beginn des Jahres haben sich die Preise für den Transport von Containern verdoppelt.
Grund dafür sind die Überfälle der jemenitischen Huthi-Armee auf Frachtschiffe im Roten Meer. Viele Schiffe nutzen deshalb nicht mehr den Suezkanal für den Transport von Asien nach Europa und zurück, sondern den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung.
Gleiches gilt für Öl- und Gastanker aus den Golfstaaten. Die längeren Fahrten binden Transportkapazität und treiben so die Frachtraten nach oben – auf ein Niveau, das nur während der Corona-Pandemie übertroffen wurde.
Doch sowohl Pandemien als auch Kriege enden irgendwann. Die Frachtraten zumindest für Containerschiffe dürften sich also auch wieder normalisieren.
Anders sieht das bei Kohlefrachtern und besonders bei Öl- und Gastankern aus, die gemessen am Transportvolumen ein Drittel der Hochseeflotte ausmachen. Wenn die Staaten das Pariser Klimaabkommen einhalten wollen, werden viele dieser Schiffe schlicht nicht mehr gebraucht.
Im Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur IEA fallen der Kohleverbrauch bis zum Jahr 2050 um 90 Prozent, der Ölverbrauch um 75 Prozent und der Gasverbrauch um 78 Prozent. Folglich fällt auch der Bedarf an Transportkapazität für diese Energien – mit dramatischen Folgen für Reedereien und deren Geldgeber.
Es geht um 100 Milliarden Dollar
Öl- und Gastanker sind teuer und relativ langlebig. Ein durchschnittlicher Öltanker kostet mehr als 40 Millionen US-Dollar und ein Tanker für Flüssigerdgas (LNG) sogar knapp 200 Millionen Dollar. Dieses Geld muss in der rund 25-jährigen Nutzungsdauer der Schiffe wieder verdient werden.
Dabei geht es um beachtliche Summen: Die knapp 13.000 Öltanker der Welt haben zurzeit einen Wert von 286 Milliarden Dollar und die knapp 2.900 Gastanker einen Wert von 253 Milliarden, wie eine Studie der Kühne-Stiftung aus der Schweiz zeigt. Zusammen entspricht der Wert dieser Schiffe dem Bruttoinlandsprodukt von Österreich.
Mangels Nachfrage nach Öl- und Gastransporten werden aber viele der Schiffe vorzeitig abgewrackt werden müssen: Selbst wenn ab sofort keine neuen mehr gebaut werden, wird im Jahr 2030 die Öl- und Gastankerflotte um 25 bis 30 Prozent zu groß sein.
Wenn Investitionsgüter wie Schiffe ihren Wert früher als erwartet verlieren, spricht man von "gestrandeten Vermögenswerten". Im Fall der Öl- und Gastanker geht es um erhebliche Summen: Im Jahr 2030 werden Schiffe im Wert von 90 bis 108 Milliarden Dollar "gestrandet" sein und noch viel mehr, falls noch zusätzliche Schiffe auf Kiel gelegt werden.
Das ist nicht nur ein Problem für Reedereien, sondern auch für Banken, die in der Schiffsfinanzierung aktiv sind, wie die Hamburg Commercial Bank (HCOB). Deren Schifffahrts-Chef Jan-Philipp Rohr sagte gegenüber dem Branchendienst Shipping Watch: "Die Frage ist, wie lange der Tankermarkt noch gut sein wird und ob die Reeder die Möglichkeit haben, die Kredite über diesen Zeitraum zurückzuzahlen."
Aus Sicht von HCOB ist daher Vorsicht geboten: "Langfristig werden wir vielleicht nicht diejenigen sein, die Kredite für Öltanker vergeben."