Immer wieder sonntags: Unsere Herausgeber erzählen im Wechsel, was in der vergangenen Woche wichtig für sie war. Heute: Professor Andreas Knie, Sozialwissenschaftler mit den Schwerpunkten Wissenschaftsforschung, Technikforschung und Mobilitätsforschung. Sein Steckenpferd ist das Verkehrswesen von morgen.
Klimareporter°: Herr Knie, die Bundesregierung hat sich mit fünf Kommunen getroffen, in denen die Belastungen durch Luftschadstoffe besonders hoch sind. Die Städte wollen nun eine Nahverkehrsoffensive starten und erhalten dafür vom Bund bis 2020 insgesamt 130 Millionen Euro.
Ein Tropfen auf den heißen Stein oder ein Startschuss für eine andere städtische Verkehrspolitik?
Andreas Knie: Reine Symbolpolitik. Der Öffentlichkeit wurde groß etwas verkauft, das entweder längst überfällig ist wie der Ausbau von Busangeboten oder anderswo schon praktiziert wird, wie ein Jahresticket für 365 Euro.
Es zeigt sich einmal mehr, dass man nicht gestalten möchte. Die Dominanz des privaten Autos mit Diesel- und Ottomotor soll auch in Zukunft weiter fortgeschrieben werden. Die ungeheuren Privilegien, die das private Auto immer noch genießt, bleiben erhalten, andere Verkehrsangebote haben damit keine Chance.
Die eigentliche Botschaft des Auftritts von zwei Ministern und fünf Oberbürgermeistern ist: Wir wissen nicht, was wir tun können, und machen daher lieber gar nix, aber das verkaufen wir als große Tat.
Nach dem tragischen Brückeneinsturz in Genua stellten viele Medien die Frage, wie marode die deutsche Straßeninfrastruktur ist, die besonders in den westlichen Bundesländern in den 1960er und 70er Jahren gebaut wurde und nun durch den rasant wachsenden Güterverkehr praktisch kaputtgefahren wird. Wie sollte dieses Problem gelöst werden?
Infrastruktur braucht Hege und Pflege und eine Politik mit Maß und Verstand. Die fehlt in Europa komplett. Flugverkehr und Lkw-Verkehr werden weiter systematisch subventioniert, während die Schiene ein Nischendasein fristet.
In Deutschland geht der Güterverkehr auf der Schiene jedes Jahr um rund drei Prozent zurück, während er genau um diese Größenordnung auf der Straße wächst. Alle sehen das, keiner macht was und dann kracht irgendwann das Ganze zusammen.
Auch wenn unsere Brücken heute noch stabil sind, dem wachsenden Druck der Lastwagen werden auch sie nicht mehr lange standhalten. Wir können sogar dabei zusehen.
Wie jedes Jahr nahm sich die Deutsche Umwelthilfe die Dienstautos der Spitzenpolitiker vor – die Ergebnisse sind nach wie vor ernüchternd, die meisten dieser Politiker fahren wahre CO2-Schleudern. Macht solche wiederholte Schelte noch Sinn?
Doch, es macht Sinn aufzuzeigen, dass beispielsweise die Aussage des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, aus der Hauptstadt eine Modellstadt für die Zukunft der Mobilität zu machen, nur eine Ankündigung ohne Substanz ist.
Der Fuhrpark der rot-rot-grünen Regierung in Berlin ist nur peinlich. Da ist kein Wille zur Veränderung sichtbar, da versteckt man sich hinter vermeintlichen Sachzwängen.
Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Die in den Medien verbreitete Forderung nach einem Verbot von Inlandsflügen wurde durchweg positiv aufgenommen und weithin diskutiert. Es gibt eine große Bereitschaft, die Klimafolgen des Fliegens anzugehen. Noch fehlt uns der Mut. Aber es geht voran.
Fragen: Jörg Staude