Der Schiffsverkehr ist für etwa zwei Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Als Alternativen zu klimaschädlichen Schiffstreibstoffen gelten vor allem zwei chemische Energieträger: Methanol oder Ammoniak, jeweils hergestellt aus grünem Wasserstoff.
Auch Wasserstoff selbst könnte eine Option für Schiffsantriebe sein. Allerdings ist das mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden. Während für große Containerschiffe auf langen Routen vermutlich Energieträger wie Methanol mehr Sinn ergeben, dürften kleine Schiffe künftig fast immer mit Batterien angetrieben werden. Unklar ist, ob für Wasserstoff dazwischen noch Platz ist.
Batterieelektrische Schiffe sind auf kurzen Strecken bereits heute eine Option, um Treibhausgasemissionen und die Luftverschmutzung durch Schiffsmotoren zu vermeiden. Die weltweit bislang größte elektrisch betriebene Fähre "Bastø Electric" kann bis zu 600 Personen transportieren und überquert den Oslo-Fjord nahe der norwegischen Hauptstadt. Die Strecke ist etwa zehn Kilometer lang.
Eine deutlich größere Batterie-Fähre, die gerade fertiggestellt wurde, soll bald zwischen Argentinien und Uruguay auf einer Strecke von etwa 50 Kilometern verkehren.
Sicherlich wird es in den nächsten Jahren hier Fortschritte geben. Doch größere Containerschiffe auf längeren Distanzen werden auch langfristig vermutlich nicht mit Batterien betrieben werden, weil die schlicht zu schwer sind.
Wasserstoff hat im Verhältnis zum Gewicht eine hohe Energiedichte. Allerdings ist die Energiedichte pro Volumen sehr niedrig. Um Wasserstoff sinnvoll als Treibstoff einzusetzen, muss dieser entweder unter Druck komprimiert oder – was die höchste Energiedichte ermöglicht – verflüssigt werden.
Doch selbst verflüssigter Wasserstoff (Liquefied Hydrogen, LH2) hat eine geringere Energiedichte pro Volumen als die möglichen Alternativen wie Methanol oder Ammoniak. Zudem können diese Chemikalien einfacher transportiert werden. Um Wasserstoff zu verflüssigen, muss er auf extrem niedrige Temperaturen von minus 253 Grad gekühlt werden.
Die dänische Reederei DFDS, die Passagier- und Containerschiffe besitzt, hatte vor einigen Jahren noch Pläne, eine Fährlinie zwischen Kopenhagen und Oslo mittels Wasserstoff und Brennstoffzellen zu betreiben. Die Pläne wurden aufgegeben, nachdem das Projekt in einem EU-Förderprogramm nicht berücksichtigt worden war.
Seither scheint man bei DFDS von Wasserstoff als Lösung für klimaneutralen Schiffsverkehr eher wieder abgekommen zu sein. Im vergangenen Jahr kündigte DFDS an, in den nächsten sechs Jahren Schiffe mit Methanol-, Ammoniak- und Elektroantrieb in die Flotte aufzunehmen, aber keine mit Wasserstoffantrieb.
Allerdings veröffentlichte DFDS zugleich eine Machbarkeitsstudie für die mögliche Umrüstung eines Containerschiffs auf einen Wasserstoffantrieb. Die Untersuchung bezieht sich auf die "Magnolia Seaways", die zwischen Dänemark und Großbritannien verkehrt, und ist insofern spannend, als sie auch die Optionen zur Speicherung von Wasserstoff an Bord untersucht.
Boil-off-Effekt kann zu Wasserstoff-Emissionen führen
"Obwohl verflüssigter Wasserstoff sowohl volumetrisch als auch gravimetrisch die höchste Energiedichte hat, ist eine längerfristige Speicherung stets mit erheblichen Verlusten durch Boil-off-Effekte verbunden", heißt es in der DFDS-Studie. Und das sei nicht der einzige Nachteil.
"Zudem ist die Verflüssigung energieintensiv und die notwendige Infrastruktur für Bunkerung und Logistik ist komplexer als bei der gasförmigen Speicherung. Aufgrund der sehr niedrigen Temperaturen kann sich die Verflüssigungsanlage zudem nicht schnell an Kapazitätsänderungen anpassen. Es dauert etwa eine Woche, bis eine solche Anlage einen stabilen Betrieb erreicht, während ein Kompressor nur wenige Minuten benötigt. Die niedrigen Temperaturen bergen zusätzliche Risiken für Leckagen, beispielsweise thermische Spannungsbrüche im Material."
DFDS kommt zu dem Schluss, dass für ein solches Umrüstungsprojekt komprimierter Wasserstoff die sinnvollere Option wäre. Auch andere Reedereien setzen auf Wasserstoff in Druckbehältern. Zwei experimentelle Containerschiffe, die "H2 Barge 2" und ihr Schwesterschiff mit der 1, werden entsprechend angetrieben. Sie verbinden Häfen in den Niederlanden und Belgien.
Die in der DFDS-Studie erwähnten Boil-off-Effekte sind nicht nur wegen der "erheblichen Verluste" ein Problem, sie können auch zu Treibhausgasemissionen führen und damit die Klimabilanz eines solchen Projekts zunichtemachen. Was wenig bekannt ist: Wasserstoff selbst ist ein indirektes Treibhausgas, wenn es in die Atmosphäre entweicht.
Werden Gase durch starkes Abkühlen verflüssigt, ist es unvermeidbar, dass ein Teil davon während Transport und Lagerung wieder gasförmig wird. Das liegt daran, dass ein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet. Verflüssigter Wasserstoff produziert daher permanent gasförmigen Wasserstoff, der direkt genutzt, abgefangen oder verbrannt werden muss. Anderenfalls trägt er selbst zum Klimawandel bei.
Elektrolyseur in Leuna verzögerte sich um mehrere Jahre
Bisher gibt es nur ein einziges Schiff, das mit verflüssigtem Wasserstoff angetrieben wird: die "MF Hydra", eine Fähre in Norwegen.
Die "MF Hydra" (Foto) wird von der Fährgesellschaft Norled nahe der Stadt Stavanger in Südwestnorwegen eingesetzt. Seit 2023 transportiert das Schiff Passagiere über den Jøsenfjord. Das Projekt wird von der norwegischen Straßenverkehrsbehörde Statens Vegvesen finanziert.

Um verflüssigten Wasserstoff für seine Fähre zu bekommen, ging Norled eine Kooperation mit dem Chemiekonzern Linde ein. 2021 kündigte Linde an, dass der Wasserstoff durch einen neuen 24-Megawatt-Elektrolyseur im Chemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt produziert werden soll.
Die Ankündigung, dass ein Wasserstoff-Projekt in Norwegen Elektrolyse-Wasserstoff aus Deutschland beziehen will, überrascht. Sie widerspricht vielem, was üblicherweise in der Diskussion um Wasserstoff gesagt wird. Die Produktion von grünem Wasserstoff benötigt viel Energie und sollte sinnvollerweise dort stattfinden, wo erneuerbare Energien günstig und in großer Menge verfügbar sind.
In Norwegen wird bereits heute fast ausschließlich Wasserkraft zur Stromerzeugung genutzt. Es gibt ein großes Potenzial für Windenergie, wenngleich der Ausbau nicht unumstritten ist. Leuna hingegen liegt nahe einer Kohleregion, der Chemiepark ist wenige Kilometer vom Braunkohlekraftwerk Schkopau entfernt.
In Deutschland wird viel darüber diskutiert, dass künftig Länder wie Norwegen Wasserstoff in großen Mengen liefern könnten. Pläne für eine passende Wasserstoff-Pipeline zwischen Norwegen und Deutschland liegen derzeit allerdings auf Eis.
In Norwegen arbeitet keine Wasserstoff-Verflüssigungsanlage
Dass für dieses Projekt Wasserstoff in umgekehrter Richtung geliefert wird, hat vor allem einen Grund: Es gibt bisher nur wenige Verflüssigungsanlagen für Wasserstoff – und keine einzige in Norwegen.
Im Chemiepark Leuna betreibt Linde schon länger eine Wasserstoff-Verflüssigungsanlage, in den vergangenen Jahren wurde sie erweitert. Von dort werden auch viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland beliefert.
Zudem liefert das Unternehmen Wasserstoff an andere Unternehmen im Chemiepark über ein lokales Pipelinenetz. Zurzeit produziert und verkauft Linde jedoch vor allem Wasserstoff aus Erdgas. Hierfür wird ein Dampfreformer betrieben, die Produktion dieses grauen Wasserstoffs ist sehr klimaschädlich.
Im vergangenen Jahr kam es auf dem Werksgelände zu einer Explosion aufgrund eines Lecks an einem Wasserstoff-Lkw. Das führte dazu, dass mehrere Wasserstofftankstellen und andere Abnehmer von Lindes fossilem Wasserstoff zeitweise ihren Betrieb einschränken mussten.
Bis vor einigen Jahren hatte Linde noch Pläne, die Wasserstoffproduktion aus Erdgas in Leuna deutlich auszuweiten. Anfang 2021 berichtete jedoch die Mitteldeutsche Zeitung, die Pläne für einen weiteren Dampfreformer seien begraben worden. Gleichzeitig wurde der Bau des erwähnten Elektrolyseurs angekündigt. Kurz darauf erfolgte die Ankündigung der Partnerschaft mit der Fährlinie Norled.
Der Elektrolyseur sollte 2022 in Betrieb gehen. Doch die Inbetriebnahme verzögerte sich. 2023 berichtete der MDR darüber, auf eine Anfrage des Senders äußerte sich Linde nicht.
Bestätigt wurde die Verzögerung aber durch den Jahresbericht 2022 der britischen Firma ITM Power, die den Elektrolyseur liefern sollte. Darin wird erwähnt, dass es bei dem Projekt in Leuna Probleme mit Lieferketten, Änderungen bei den Anforderungen in Leuna und Verzögerungen bei der Produktion und beim Testen gebe.
Bis heute hat Linde keine Inbetriebnahme des Elektrolyseurs verkündet. Klar ist, dass er zum Start der Fähre "MF Hydra" im Jahr 2023 nicht in Betrieb war. Damit stellt sich die Frage, woher der Wasserstoff kommt, mit dem die Fähre angetrieben wird.
Läuft der Elektrolyseur schon oder nicht?
Ob der Elektrolyseur inzwischen in Betrieb ist, konnten wir nicht herausfinden. Linde hat auf entsprechende Anfragen nicht reagiert. Norled hat zwar einige Fragen zum Projekt beantwortet, aber solche nach der tatsächlichen Herkunft des Wasserstoffs ignoriert.
Die norwegische Verkehrsbehörde Vegvesen, welche die Fähre finanziert, teilte mit: Das Schiff werde mit grünem Wasserstoff betrieben, produziert von Linde Gas Leuna. Auf den offensichtlichen Widerspruch, dass dort zumindest zum Betriebsstart der Fähre kein grüner Wasserstoff hergestellt wurde, ging die Behörde nicht ein.
Von Infra Leuna, der Betreibergesellschaft des Chemieparks, kommt ebenfalls keine eindeutige Antwort: "Die Inbetriebnahme der 24-Megawatt-Elektrolyse erfolgt schrittweise ab 2025." Ob dort bereits produziert wird, bleibt unklar.
Der Bau des Elektrolyseurs wurde von der Bundesregierung und dem Land Sachsen-Anhalt mit insgesamt zwölf Millionen Euro gefördert. Man würde erwarten, dass die verantwortlichen Behörden wissen, ob die mit Millionengeldern geförderte Anlage überhaupt läuft.
Doch auch das zuständige Wirtschaftsministerium in Magdeburg konnte oder wollte eine Anfrage dazu nicht beantworten: "Bei Fragen zum aktuellen Stand des Betriebs der Anlage und zu den Produktionsmengen wenden Sie sich bitte an das Unternehmen Linde."
Eine Anfrage ging auch an die Fährgesellschaft Norled, wie der verflüssigte Wasserstoff eigentlich zum Fähranleger in Norwegen transportiert wird. "Wir erhalten alle drei Wochen eine Lkw-Lieferung", antwortete Norled-Sprecherin Cathrine Gjertsen.
"Bei der Entwicklung der 'MF Hydra' wurde uns mitgeteilt, dass die Wasserstoffproduktion in Norwegen in naher Zukunft beginnen würde. Geplant war, flüssigen Wasserstoff eines norwegischen Lieferanten zu verwenden. Leider gibt es in Norwegen immer noch keine Produktion von flüssigem Wasserstoff."
Der Fähranleger der "MF Hydra" befindet sich in der Gemeinde Hjelmeland. Von Leuna geht der Straßentransport über mindestens 1.300 Kilometer. Bei den bekannten Schwierigkeiten mit Boil-off-Gasen scheint das in vielfacher Hinsicht keine gute Idee zu sein.
All diese Probleme könnte man als Startschwierigkeiten eines Projekts abtun, das schließlich das erste seiner Art ist. Es stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Welchem Zweck dient das Ganze eigentlich?
Batterie-Fähren sind längst auf längeren Routen unterwegs
Die Produktion von grünem Wasserstoff ist energieintensiv. Und bei jeder Umwandlung von einem Energieträger in einen anderen kommt es naturgemäß zu Verlusten. Das ist einer der Hauptgründe, warum batterieelektrische Lösungen fast immer vorzuziehen sind, wenn diese praktikabel sind.
Die Nutzung von verflüssigtem Wasserstoff ist besonders ineffizient, da weitere Umwandlungsschritte hinzukommen. Wasserstoff muss erst mit viel Energie gekühlt und später regasifiziert werden.
Könnte man die Strecke, auf der die "MF Hydra" unterwegs ist, auch mit einer batterieelektrischen Fähre bedienen? Das dürfte kein Problem sein. Die "MF Hydra" ist nicht besonders groß, größere batterieelektrische Fähren, die längere Entfernungen zurücklegen, sind in Norwegen bereits unterwegs.
Auch die Fährgesellschaft Norled hat mit Batterien bereits viel Erfahrung. Die batteriebetriebene "MF Ampere", die bereits seit 2015 von Norled eingesetzt wird, überquert den Sognefjord und legt dabei sieben Kilometer zurück. Bei der "MF Hydra" betragen die Distanzen vier bis fünf Kilometer.
Norled bestätigte auf Anfrage, dass die Route der "MF Hydra" sich für einen Batteriebetrieb eignen würde. Die Fährgesellschaft begründet das Wasserstoffprojekt damit, dass dort die Technologie getestet werden soll. Das Unternehmen verweist zudem auf eine später ausgeschriebene Fähre im Norden von Norwegen, die auf einer deutlich längeren Strecke unterwegs ist und ebenfalls mit Wasserstoff angetrieben werden soll.
Doch so richtig überzeugen kann die Begründung nicht. Die Fähre, die Norled hier anführt, soll die Inselgruppe der Lofoten mit dem norwegischen Festland verbinden. Die Strecke ist 90 Kilometer lang und liegt damit in einem Bereich, der mit Batterien wohl tatsächlich eine Herausforderung wäre.
Aber auch die dortige Fährgesellschaft Torghatten Nord will keinen verflüssigten, sondern den einfacher handhabbaren komprimierten Wasserstoff einsetzen.
Am Ende ist klar, dass es für die Fährverbindung der "MF Hydra" keinen Wasserstoff gebraucht hätte. Die Linie mit verflüssigtem Wasserstoff zu betreiben, der aus einem mehr als 1.300 Kilometer entfernten Ort in Deutschland angeliefert wird, erscheint geradezu absurd.