Fünf Wissenschaftler stehen mit Abstand vor einer weißen Tafel mit der Aufschrift: Biogas 2 H2.
Karl Totter, Viktor Hacker, Gernot Voitic (von links) und weitere Teammitglieder des Projekts "Biogas2 H2". (Foto: Robert Frankl)

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger in der Energie- und Verkehrswende. Allerdings nur, wenn er "grün" hergestellt wird – das heißt durch Elektrolyse von Wasser mit Strom, der aus erneuerbaren Energien stammt.

Bisher gibt es nur Pilotanlagen dafür. Ein österreichisches Forschungsteam hat nun ein weiteres Verfahren zur Marktreife entwickelt, bei dem Wasserstoff auch direkt aus Biogas hergestellt werden kann – mit Reststoffen aus der Landwirtschaft.

Bisher wird Wasserstoff, der in der Industrie unter anderem zur Herstellung von Ammoniak und Methanol genutzt wird, zumeist aus Erdgas hergestellt. Dessen Hauptstandteil ist Methan (CH4).

Bei diesem Verfahren ("Dampfreformierung") wird das Methan unter Hitze in Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) umgewandelt. Das Treibhausgas CO2 wird anschließend ungenutzt in die Atmosphäre angegeben. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund zehn Tonnen CO2. In der inzwischen üblichen H2-Farbenlehre spricht man von "grauem Wasserstoff".

Ein Team der Technischen Universität Graz hatte im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Start-up Rouge H2 Engineering ein Verfahren zur dezentralen Wasserstofferzeugung vorgestellt, die sogenannte Chemical-Looping-Hydrogen-Methode. Dabei können Biogas oder Biomasse, aber auch klassisches Erdgas, als Ausgangsstoff verwendet werden.

An ähnlichen Entwicklungen arbeiten Entwicklungsteams in vielen Ländern, auch in Deutschland. Doch die Grazer melden nun einen weiteren Entwicklungsschritt. Das Team um TU-Verfahrenstechniker Viktor Hacker hat eine bereits industrienahe Demonstrationsanlage gebaut und erfolgreich getestet, in der hochreiner Wasserstoff aus Biogas inklusive aller Verunreinigungen, die im darin vorhanden sind, gewonnen wird. Die Anlage wurde direkt neben einer bestehenden Biogasanlage erstellt.

"Wir sind offen für Aufträge"

Hacker erläutert: "Wir zeigen damit, dass ein Chemical-Looping-System in eine bestehende Biogasanlage eingebunden werden kann. Es entstehe hochreiner Wasserstoff, und zwar nicht nur im Labor, sondern tatsächlich im industriellen Maßstab." Das Biogas, dessen Basis unter anderem Schweinegülle, Silomais und Getreidereste sind, stammt von der Firma Ökostrom Mureck aus der Steiermark.

Die Zehn-Kilowatt-Demonstrationsanlage lief auf dem Firmengelände in Mureck bis Ende Oktober zu Testzwecken. Abgezweigt wurde dafür rund ein Prozent des Biogasstroms, etwa 30 Liter pro Minute. Produkt war Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,998 Prozent. Mit dem genutzten Eisen-Wasserdampf-Prozess wurde ein Wirkungsgrad von 75 Prozent erreicht.

Würde der gesamte Biogasstrom von etwa 480 Kubikmetern pro Stunde durch eine entsprechend größere Wasserstoff-Anlage geleitet, hätte diese eine Leistung von drei Megawatt. "Das bedeutet, die Technologie ist nun reif für den kommerziellen Einsatz", sagt Projektleiter Gernot Voitic von Rouge H2 Engineering. Nötig sei nur etwas nutzbarer Platz neben einer Biogasanlage. Man sei ab sofort "offen für Aufträge aus der Biogasindustrie".

Die Kosten des Wasserstoffs aus Gülle und Co werden laut dem Team bei großen Anlagen rund fünf Euro pro Kilogramm betragen. Das sei mindestens konkurrenzfähig mit anderen Herstellungsarten. Elektrolyse-Wasserstoff zum Beispiel werde mit fünf bis zwölf Euro kalkuliert. Zum Vergleich: An den (noch wenigen) Wasserstoff-Tankstellen wird das aus Erdgas gewonnene Gas für bis zu zehn Euro verkauft.

Für Fahrzeuge nur hoch komprimiertes H2

Allerdings gibt es noch Probleme bei der Nutzung des Bio-Wasserstoffs etwa für Autos. Naheliegend sei es eigentlich, neben der Anlage gleich auch eine Wasserstofftankstelle zu installieren, so Hacker. Die Krux dabei sei aber: Mit H2 betriebene Fahrzeuge müssten laut Vorgaben derzeit mit 700 bar Druck betankt werden, "um möglichst viel Wasserstoff in einen möglichst kleinen Tank reinzubekommen und so eine attraktive Reichweite zu erlangen".

In Anlagen wie in Mureck können Hacker zufolge Drücke bis 100 bar erreicht werden. Das sei vergleichsweise hoch, reiche aber für die Betankung nicht. Den Wasserstoff auf 700 bar zu komprimieren, ist technisch anspruchsvoll und teuer. Hacker: "Irgendwo muss diese Verdichtung erfolgen, entweder direkt am Herstellungsort oder spätestens bei der Tankstelle. Die Kosten werden anfallen." Das schmälert den Kostenvorteil des Bio-Wasserstoffs.

Andere Möglichkeiten der Nutzung von Wasserstoff "ab Biogasanlage" wären laut der TU Graz etwa die Abfüllung in Gasflaschen zum weiteren Transport, die Nutzung in industriellen Prozessen oder auch die Verlegung von Wasserstoffleitungen direkt zu Wohnhäusern, in denen Brennstoffzellen für Wärme und Strom betrieben werden.

Das Unternehmen Ökostrom Mureck zeigt sich sehr interessiert an einem zusätzlichen Standbein. Geschäftsführer Karl Totter sagt: "Die Option, dass unser Biogas neben Strom zusätzlich auch grünen Wasserstoff für nachhaltige Mobilität erzeugt, ist natürlich hoch spannend für uns." Man könne sich gut vorstellen, das eigene Gelände um eine entsprechende Anlage zu ergänzen. "Aber abkaufen muss uns den Wasserstoff auch jemand."

Das heißt: Auf der Nachfrageseite muss noch einiges passieren, bis das Unternehmen in eine H2-Anlage investiert.

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