Menschengruppe mit weißen Bauhelmen und gelben Warnwesten bei der Vorstellung des 45 Meter hohen Wärmespeichers, der am Bildrand im Bau ist.
Der Wärmespeicher am Berliner Kraftwerk Reuter West steht kurz vor der Fertigstellung. (Foto: Christian Jekat/​Vattenfall)

Es ist ein Riesen-Trumm: 45 Meter hoch, 43 Meter Durchmesser, 56 Millionen Liter Fassungsvermögen – das sind die Kennzahlen des größten Wärmespeichers, der in Deutschland entsteht.

Anfang nächsten Jahres soll der Warmwassertank in Berlin in Betrieb gehen. Vor der Befüllung, die in der zweiten Jahreshälfte ansteht, war er in dieser Woche erst- und letztmalig von innen zu besichtigen.

Der Mega-Tank ist eine Komponente bei der Umstellung der Wärmeversorgung in der Hauptstadt auf Öko-Energien. Er steht auf dem Gelände des Kraftwerks Reuter West im Berliner Stadtteil Siemensstadt.

Hier betreibt der schwedische Energiekonzern Vattenfall bisher das größte Heizkraftwerk Berlins, das mit Steinkohle läuft und fast eine halbe Million Haushalte mit Fernwärme und eine Million Haushalte mit Strom versorgen kann.

Die Wassermenge des Speichers entspricht dem Volumen von 350.000 Badewannen, die Befüllung wird bis zu zwei Monate dauern. Der "Wärmetank" funktioniert dabei wie eine große Thermoskanne – die allerdings nie leer wird. Sehr heißes Wasser mit einer Temperatur von bis zu 98 Grad Celsius befindet sich oben im Speicher, kühlere Schichten unten, wobei das "kalte" Wasser immer noch etwa 50 Grad hat.

Der Speicher wird geladen, indem heißes Wasser oben hinzugefügt und die gleiche Menge unten entnommen wird. Es verändert sich also nur das Mengenverhältnis zwischen heißem und kühlerem Wasser. Bei maximaler Wärmeleistung, die 200 Megawatt beträgt, kann der Speicher nach Angaben von Vattenfall 13 Stunden lang Wärme liefern, und zwar auch bei sehr kalter Witterung.

Der Clou des Betriebskonzepts: Ist im Stromnetz rund um Berlin ein Überschuss an Wind- und Solarenergie vorhanden, kann dieser über eine auf Reuter West bereits vorhandene Power-to-Heat-Anlage in Wärme umgewandelt und damit zwischengespeichert werden. Diese Anlage funktioniert wie ein gigantischer Tauchsieder, der das Wasser mit Strom aufheizt.

Laufen wird sie, wenn Ökostrom im Netz ist und zugleich die Stromnachfrage nicht besonders hoch. Das kann etwa an Wochenenden der Fall sein. Eine weitere Wärmequelle für den Speicher ist Abwärme, die in industriellen Prozessen entsteht, etwa bei der Müllverbrennung, oder aus Abwässern herausgezogen werden kann.

Das größte, aber nicht das erste Projekt 

Die Konzerntochter Vattenfall Wärme Berlin versorgt rund ein Drittel der Berliner Gebäude mit Fernwärme. Sie will die Belieferung bis 2040 komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Für Unternehmenschefin Tanja Wielgoß, die den neuen Wärmespeicher in dieser Woche zusammen mit Berlins Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) besichtigte, ist er ein "wichtiger Schritt auf unserem Weg, mehr Flexibilität in die Berliner Wärmeversorgung zu bekommen und sie zugleich klimafreundlicher, unabhängiger und sicherer zu machen".

Nach den bisherigen Plänen soll in Berlin die Wärmeerzeugung aus Kohle bis Ende der 2020er Jahre auslaufen und durch eine Kombination aus Großwärmepumpen, Power-to-Heat, Nutzung von Abwärme, Biomasse und Erdgas sowie Wärmespeicher ersetzt werden.

Bereits heute nutzt Vattenfall nach eigenen Angaben zum Teil Abwärme und Biomasse, zudem ist eine Großwärmepumpe am Heizkraftwerk Buch in Betrieb, eine weitere am Potsdamer Platz im Bau. Auch die Umrüstung auf Wasserstoff sei ein Baustein, so das Unternehmen. In den nötigen Mengen verfügbar und bezahlbar werde dieser Energieträger aber wohl "frühestens Mitte der 2030er Jahre" sein.

Das Speicherprojekt ist zwar das größte, aber nicht das erste dieser Art. Eine ganze Reihe Branchenpioniere hat bereits Pilotprojekte gebaut, in denen Überschussstrom zur Wärmegewinnung vor allem aus Windanlagen genutzt wird, der sonst "abgeregelt" und quasi weggeworfen werden müsste, zum Beispiel in Flensburg, Rostock und Tübingen.

Teilweise sind die Power-to-Heat-Anlagen auch wie in Berlin mit Wasserspeichern gekoppelt, so in der Brandenburger Ortschaft Nechlin, wo die Firma Enertrag ihre Anlage seit Frühjahr 2020 betreibt. Der Speicher versorgt hier 35 Häuser über ein Nahwärmenetz. Er ist so ausgelegt, dass die Haushalte bis zu drei Wochen lang Wärme beziehen können, ohne dass eine neue Aufladung nötig ist. Längere Phasen mit wenig Wind können also überbrückt werden.

Enertrag-Chef Jörg Müller, ein Pionier in dem Metier, sieht hier große Potenziale, wie er in einem Interview mit der Zeitschrift Neue Energie sagte. Müller schätzt, dass bereits mit dem heute wegen Netzüberlastung "weggeworfenen" Windstrom 500.000 bis eine Million Menschen in Deutschland mit Wärme versorgt werden könnten, wenn entsprechende Power-to-Heat-Anlagen vorhanden wären.

Salz als Energiespeicher

Der Energiekonzern Vattenfall hat zusammen mit dem schwedischen Unternehmen Salt X drei Jahre lang ein Salz-Speicherverfahren erprobt, um Energie aus Wind oder Sonne zu speichern. Grundprinzip: Salz wird mittels Wärme aus elektrischem Strom getrocknet (Dehydrierung). Wird die darin dann gespeicherte Energie wieder benötigt, verbindet sich Salz erneut mit Wasser (Hydrierung). Diese chemische Reaktion setzt die Energie in Form von Wärme wieder frei. Salt X hat eine Nanobeschichtung für das Salz entwickelt, bei dem dessen Eigenschaften über viele Zyklen erhalten bleiben, ohne an Leistungsfähigkeit zu verlieren.

Nach der Entwicklungsarbeit, die in einer Testanlage am Kraftwerks-Standort Reuter West in Berlin geleistet wurde, zieht das Projekt nun nach Schweden um. Es soll dort weiter in Richtung Marktreife gebracht werden. Die Anlage in Berlin-Spandau wird bis Ende des Jahres abgebaut. Vattenfall teilte auf Anfrage mit, eine Wärmespeicherung mit Salz sei technologisch deutlich komplexer als etwa in einem großen Warmwassertank. Man halte die Technologie aber "grundsätzlich für vielversprechend".

Experten sehen Marktchancen für die Technologie in bestimmten Segmenten. Der Berliner Energieforscher Volker Quaschning nennt als Vorteil, dass sich mit Salz große Wärmemengen sehr kompakt speichern lassen. Das sei für industrielle Anwendungen oder Fernwärmenetze interessant. "Für die Speicherung von Strom dürfte die Anwendung hingegen nur ein Nischenprodukt bleiben."

Energieökonomin Claudia Kemfert vom DIW Berlin sagte, Salzspeicher könnten im Zuge der Energiewende durchaus sinnvoll sein. Allerdings müsse sich bei der Weiterentwicklung in Schweden zeigen, ob sie bei den Kosten mit anderen Speichertechnologien mithalten können. "Vermutlich haben bei Vattenfall Berlin Kostengründe dafür gesprochen, eher auf Wärmespeicher zu setzen als auf Salz."

Redaktioneller Hinweis: Claudia Kemfert gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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