Drei Monteure in roten T-Shirts installieren Solarmodule auf einem Dach in Landshut (Niederbayern).
Photovoltaik auf die Dächer! Das verspricht die Ampel, aber was sie dazu geplant hat, reicht noch nicht. (Foto: Altrendo/​Shutterstock)

Ein ehrgeiziges Ziel haben sich die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag gesetzt: 200.000 Megawatt Photovoltaik im Jahr 2030. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren insgesamt nur 54.000 Megawatt installiert. Das bedeutet also fast eine Vervierfachung der Kapazität in weniger als zehn Jahren.

Schaffen will das die Koalition durch eine Reihe von Maßnahmen. Sie will die Netzanschlüsse für Solaranlagen beschleunigen – bisher ein bürokratischer, zäher Formularkrieg. Denn bei jedem der knapp 900 Netzbetreiber gelten andere Regeln, die Anträge müssen oft auf Papier abgegeben werden und lassen sich nicht automatisiert einpflegen. Und mancher Netzbetreiber lässt sich gern Zeit bei der Genehmigung.

Das frustriert Kunden und Solarfirmen gleichermaßen. Gut, dass die neue Regierung hier für schnellere Verfahren sorgen will.

Weiter sieht der Koalitionsvertrag vor, die Vergütungssätze durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) "anzupassen", und spricht in diesem Zusammenhang auch davon, "die Deckel zu prüfen". Gemeint ist wohl unter anderem eine Reform des sogenannten "atmenden Deckels" im EEG.

Dieser "Deckel" senkt die Vergütung für ins Netz eingespeisten Solarstrom jeden Monat kontinuierlich ab – eine sogenannte Degression. Ist ein bestimmtes Ausbauziel bei der Photovoltaik erreicht, sinkt die Vergütung noch schneller. Wird das Ausbauziel verfehlt, sinkt die Vergütung nicht oder steigt sogar.

Das Problem bei diesem Mechanismus ist: Der damit ausgelöste Ausbaupfad ist momentan viel zu niedrig, um die energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen – und weil der Ausbaupfad so niedrig ist, ist er fast immer zu schaffen. In der Konsequenz sinken die Vergütungssätze rapide und sind längst nicht mehr kostendeckend.

Eine Priorität der neuen Regierung muss es daher sein, diesen Deckel nicht nur "zu prüfen", sondern innerhalb der ersten 100 Tage an die aktuellen Ausbauziele anzupassen und schneller auf den Markt reagieren zu lassen.

Angesichts der bis 2030 geplanten etwa 140.000 Megawatt zusätzlicher Photovoltaik-Kapazität, von denen rund die Hälfte auf die für den "Deckel" relevante Kapazität von Dach-Solaranlagen entfallen wird, müsste der Ausbaupfad bei knapp 8.000 Megawatt pro Jahr liegen – statt nur 2.500 Megawatt wie bisher.

Aufpassen bei der EEG-Umlage

Die Reform des "atmenden Deckels" drängt umso mehr, als auch die EEG-Umlage schon im Jahr 2023 vollständig wegfallen soll – so sieht es zumindest der Koalitionsvertrag vor.

Bisher wurden die EEG-Vergütungen über einen Aufschlag auf den Strompreis finanziert. Das macht den Stromverbrauch generell teurer – und den selbst produzierten Solarstrom entsprechend finanziell attraktiv. Denn mit dem eigenen Strom vom Dach spart man sich hohe Stromkosten.

Porträtaufnahme von Wolfgang Gründinger.
Foto: Paul Probst

Wolfgang Gründinger

ist "Chief Evangelist" beim Berliner Solar-Start-up Enpal. Als Lobbyist für die dezentrale Energie­wende will er möglichst viele Menschen und Unter​nehmen für Solar­energie begeistern. Der promovierte Sozial­wissen­schaftler ist auch politischer Aktivist und Buchautor.

Wird die Umlage nun, wie geplant, ab 2023 vollständig aus dem allgemeinen Steuertopf finanziert, sinkt der Strompreis. Das ist zwar gut für Haushalte und kleine Betriebe, die über hohe Stromkosten klagen. Aber zugleich geraten kleine Solar-Dachanlagen unter Druck, denn die lohnen sich bislang vor allem aufgrund der hohen Strompreise.

Um den Wegfall der EEG-Umlage auszugleichen, müssten Engpässe bei Strom aus Kohle, Atomkraft und Erdgas oder der europäische Emissionshandel den Börsenstrompreis in die Höhe treiben. Geschieht dies nicht und zieht sich zugleich die Reform des "atmenden Deckels" hin, würde die sehr schnelle Abschmelzung der EEG-Umlage im Zeitraum von nur einem Jahr die Solarenergie erheblich unter Druck setzen.

Selbst eine Delle beim Solarausbau wäre dann möglich – und würde die ambitionierten Ausbauziele schon am Anfang konterkarieren. Etwas mehr Zeit für die Entwicklung einer neuen Marktordnung sollte sich die Politik wohl zugestehen, um nicht ungewollte Kollateralschäden auszulösen.

Solarpflicht ist nicht alles

Ein Lichtblick ist das Bekenntnis der Koalition zur Bürgerenergie: Energy Sharing und Quartierskonzepte sollen vereinfacht werden, und Mieterstrom in Mietshäusern soll endlich erleichtert werden.

Eine Solarpflicht soll es laut Koalitionsvertrag nur für gewerbliche Neubauten geben. Für private Neubauten soll Solarenergie dagegen "die Regel werden"– ein unverbindlicher Formelkompromiss, da die FDP keine Pflicht mittragen wollte.

Die Solarbranche selbst ist hier ohnehin skeptisch. Start-ups oder auch Lobbyvereine wie der Bundesverband Solarwirtschaft sehen die Solarpflicht eher als den sechsten statt als ersten Schritt für den Erfolg der Photovoltaik. Denn: Wenn Solaranlagen sich wirtschaftlich tragen und nicht von bürokratischen Hemmnissen gebremst werden, dann ist eine Solarpflicht unnötig.

Insgesamt verspricht der Koalitionsvertrag aber einen echten Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Zwar gibt es manche Unsicherheiten, aber insgesamt ist klar erkennbar: Die Ampel will den Ausbau der Solarenergie endlich vorantreiben.

Die bürokratischen Fesseln zu lösen und kleinen Betreibern, sogenannten Prosumern, mehr Beinfreiheit zu geben, kostet kein Geld und hat trotzdem eine große Wirkung. Die nötigen Maßnahmen sind lange bekannt, wurden aber immer blockiert. Jetzt werden sie endlich eingeleitet.

Die großen Versprechen erfordern jetzt eine schnelle Umsetzung. Wenn der Koalitionsvertrag aber geduldiges Papier bleibt, kann aus dem Solarboom schnell eine Solardelle werden.

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