Demonstrierende bilden eine
Mit der Inbetriebnahme von Datteln 4 überschreiten die Bundesregierung, der Betreiber Uniper und der Eigentümer, der finnische Staatskonzern Fortum, aus Sicht der Klimabewegung eine rote Linie. (Foto: Jörg Farys/​BUND)

Dass die kommerzielle Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 von der Klimabewegung nicht unkommentiert bleiben würde, war klar. Dass der Protest so früh losgehen würde, nicht. Zur blauen Stunde warf Greenpeace großflächige Botschaften an den 180 Meter hohen Kühlturm. "Klimakrise – Made in Germany" war dort zu lesen.

"Die Weltwetterorganisation befürchtet, dass 2020 eines der heißesten Jahre seit Beginn der Messungen wird und warnt vor einem neuen Hitzesommer. Gleichzeitig nimmt Uniper mit Datteln 4 eine gigantische CO2-Schleuder in Betrieb", sagte Lisa Göldner, Klima- und Energieexpertin der Umweltorganisation Greenpeace. "Datteln 4 ist eine Provokation an alle, die sich für den Schutz unseres Planeten und eine lebenswerte Welt für diese und kommende Generationen einsetzen."

Dass in dem Kraftwerk im Jahr 2020 neuer Kohlestrom produziert werden würde, war lange unklar. In ihren Empfehlungen hatte die Kohlekommission im Januar 2019 ausdrücklich festgestellt, dass keine neuen Kohlekraftwerke ans Netz gehen sollen. Eine Empfehlung, die wie der letzte Sargnagel für ein umstrittenes Projekt wirkte.

Seitdem der Energiekonzern Eon – der Bau wechselte zwischenzeitlich zu dessen Fossil-Abspaltung Uniper – im Jahr 2006 die Baugenehmigung für Datteln 4 beantragte, gab es zahlreiche Auseinandersetzungen um das Kraftwerk. Die Umweltorganisation BUND klagte gegen das Kraftwerk, Anwohner aus der nur 450 Meter entfernten Dattelner Meistersiedlung ebenfalls.

Urteile gegen Datteln 4 folgten, doch der Kraftwerksbau wurde fortgesetzt und galt zwischenzeitlich als "größter Schwarzbau Deutschlands". Neue Genehmigungen wurden von der nordrhein-westfälischen Politik durchgedrückt. Auch heute noch ist eine Klage des BUND gegen Datteln 4 anhängig.

Um die umstrittene Baugeschichte ging es allerdings den wenigsten, die am heutigen Samstag in Datteln gegen das Kraftwerk protestierten. Aktive aus den verschiedensten klimapolitischen Netzwerken hatten am Morgen zu einer gemeinsamen Pressekonferenz geladen. Luisa Neubauer von Fridays for Future nannte die Inbetriebnahme des Kraftwerks ein Zeichen für die "klimapolitische Inkompetenz" der deutschen Politik.

Für Lisa Göldner von Greenpeace ist Datteln 4 ein Symbol für den "verkorksten Kohleausstieg" und ein klarer Bruch des Kompromisses der Kohlekommission. Das Kraftwerk einzuschalten "befeuere einen gesellschaftlichen Großkonflikt."

Weitere Klagen, Proteste und Aktionen angekündigt

Nach der Pressekonferenz bildeten die Protestierenden eine über 400 Meter lange "rote Linie" – ein bekanntes Symbol aus dem Anti-Kohle-Widerstand im Rheinischen Braunkohlerevier. Am Mittag fanden an mehreren Orten um das Kraftwerk herum Mahnwachen statt, bei denen unterschiedliche Akzente gesetzt wurden.

Bei einer Mahnwache des Bündnisses "Ende Gelände" ging es um den Import von Steinkohle. In den Reden wurden die Abbaubedingungen in Russland oder Kolumbien angeprangert und wie Bevölkerung und Gewerkschaften dort von den Kohlekonzernen unterdrückt werden. "Blutkohle" solle nicht mehr nach Deutschland importiert werden, wurde gefordert.

Dass Datteln 4 jetzt wirklich in Betrieb ist, soll nicht der Schlusspunkt des Widerstands sein. Das kündigten fast alle Gruppen an, die sich um das Kraftwerk versammelten. BUND und Anwohner setzen dabei auf den juristischen Weg. Fridays for Future will weiterhin demonstrieren und "Ende Gelände" denkt über Aktionen des zivilen Ungehorsams nach.

Das Kraftwerk soll weit vor 2037, dem letztmöglichen Abschalttermin, wieder vom Netz.