Zahlreiche Verkehrswende-Aktionen fanden am Wochenende in ganz Deutschland statt. Bei einer der größten am frühen Samstagmorgen in Berlin besetzten hunderte Aktivist:innen zeitweise die Baustelle der Stadtautobahn A 100.
Der 3,2 Kilometer lange 16. Bauabschnitt zwischen dem Dreieck Neukölln im Westen und dem Treptower Park im Osten der Stadt ist schon fortgeschritten. Geplant ist eine weitere Verlängerung der A 100 in Richtung Berlin-Lichtenberg.
"Jeder neue Meter Autobahn ist in Beton gegossene Klimazerstörung", sagte Lou Winters von Aktionsbündnis "Sand im Getriebe" am Samstag auf einer Pressekonferenz. Klimaschutz sei ein Grundrecht. Das bedeute auch, keine neuen Autobahnen zu bauen.
Mit der A 100 werde eine Verkehrspolitik aus dem letzten Jahrtausend zementiert. Winters kritisierte auch, dass keine Partei gerade einen vernünftigen Vorschlag habe, "wie wir das 1,5-Grad-Ziel wirklich einhalten können".
"Der 16. Abschnitt der A 100 ist mit 200.000 Euro pro Meter Asphalt das teuerste Autobahnprojekt der Republik", sagte Janos Graf von der Umweltorganisation Robin Wood. Dabei besäßen in Berlin anteilig weniger Menschen ein Auto als in jeder anderen Stadt des Landes.
"Öffentliches Geld muss daher in Bus und Bahn und in die Rad-Infrastruktur fließen, und nicht in die A 100", sagte Graf. "Das wäre ökologisch und sozial gerecht."
Mehr als 10.000 Menschen beteiligten sich am Sonntag außerdem an der alljährlichen Radsternfahrt durch die Hauptstadt.
"Protest gegen A14 wird ignoriert"
Allein bis 2030 sollen in Deutschland noch 850 Kilometer neue Autobahnen entstehen sowie mehrere tausend Kilometer Autobahnen und Bundesstraßen ausgebaut werden, kritisieren die Verkehrsinitiativen. Gemeinsam fordern sie ein Bau-Moratorium für den Bundesverkehrswegeplan.
Ein weiteres Beispiel für die aus Sicht der Initiativen katastrophale Verkehrspolitik ist die Nordverlängerung der A14 zwischen Magdeburg und Wismar. Diese verlaufe parallel zu zwei Bundesstraßen und werde das größte autobahnfreie Gebiet Deutschlands zerschneiden, kitisierte Anne Ahrend von der Initiative "Keine A 14".
Das Vorhaben koste 1,8 Milliarden Euro und werde zu 42 Prozent aus EU-Fördermitteln bezahlt. "Dieses Geld darf keinesfalls die Klimakatastrophe finanzieren", sagte Ahrend in Berlin. Die Mittel müssten stattdessen in eine nachhaltige Entwicklung vor Ort investiert werden.
Seit Ende April gibt es eine Waldbesetzung auf der geplanten Trasse. Ahrend prangerte an, dass sich die Aktivist:innen dort Hasskommentaren, Beinahe-Morddrohungen, Hetzjagden sowie Anschlägen ausgesetzt sehen. Bürgermeister in der Region riefen zu Autokorsos pro A14 auf und verletzten damit ihre parteipolitische Neutralität.
Diese Vorkommnisse würden von der Lokalpolitik und teilweise auch von der Presse ignoriert, so Ahrend. Gegen den Weiterbau der A14 wurde am Wochenende auch mit einer Flussbesetzung bei der Elbbrücke in Wittenberge demonstriert.
Polizei behindert Medien
Weitere Aktionen gab es in Bremen und Hamburg an der A20, in Stuttgart mit einer Hängeblockade an der A8, mit neuen Baumbesetzungen im Stiftswald bei Kassel sowie am Sterkrader Kreuz im Ruhrgebiet.
Um das Gelände des Baukonzerns Strabag in München errichteten Aktivist:innen in gelben Warnwesten eine "Baustelle". In Karlsruhe wurde der Eingang der Autobahn GmbH mit Schildern wie "Gegenmacht aufbauen statt Autobahnen ausbauen" beklebt.
In Berlin wurde die Berichterstattung über die A‑100-Proteste laut der Verdi-Gewerkschaftsorganisation DJU von der Polizei massiv behindert. "Zwölf Journalist:innen wurde von der Polizei teilweise eingekesselt, in Gewahrsam genommen und erhielten Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs und Platzverweise", erklärte DJU-Landeschefin Renate Gensch. Ein Kollege sei sogar körperlich durchsucht worden.
Gensch nannte es "ein Unding", dass Pressevertreter, die allein schon durch ihr Kamera-Equipment deutlich erkennbar und mit dem bundeseinheitlichen Presseausweis unterwegs waren, mit solchen Mitteln an der Ausübung ihres Berufs gehindert würden. Das sei eine klare Behinderung der Pressefreiheit.
Die DJU forderte Polizei und Justiz auf, die Anzeigen gegen die zwölf Journalist:innen und andere fallenzulassen.