Blockade einer Londoner Brücke durch Extinction-Rebellion-Aktivisten
Protestaktion von "Extinction Rebellion" im April in London. (Foto: Alexander Savin/​Flickr)

Viele Menschen werden aufgeatmet haben. Die Umweltbewegung Extinction Rebellion (XR) hat am Sonntag mitgeteilt, den Flughafen London-Heathrow vorerst nicht am Betrieb zu hindern.

Ursprünglich war geplant, am heutigen Dienstag Europas wichtigstes Luftdrehkreuz mit Drohnenflügen zu blockieren – als Test. Anschließend sollte der Flughafen für zehn Tage im Juli lahmgelegt werden.

Damit wollte XR gegen den geplanten Bau einer dritten Startbahn protestieren, die noch mehr Flüge und entsprechend höhere CO2-Emissionen zur Folge hätte.

Wäre Heathrow tatsächlich für elf Tage geschlossen worden, hätte dies immense Folgen gehabt. In elf Tagen nutzen knapp 2,5 Millionen Menschen den Flughafen.

Zum Vergleich: Als im Dezember der britische Flughafen Gatwick für anderthalb Tage wegen einer Drohne geschlossen wurde, waren 150.000 Passagiere betroffen und den Fluggesellschaften entstand ein Schaden von 58 Millionen Euro. Die geplante Heathrow-Aktion hätte die Fluggesellschaften daher knapp eine Milliarde Euro gekostet.

Die nun abgesagte Aktion stieß nicht nur auf die Kritik der britischen Behörden, sondern war auch innerhalb von XR umstritten, wie aus einem Rundschreiben von vergangener Woche hervorgeht: "Der Vorschlag hat ernsthafte Debatten in der britischen XR-Gemeinschaft ausgelöst – nicht nur über den Vorschlag selbst, sondern auch über den (Entscheidungs-)Prozess", heißt es dort.

Verfeinerter Plan

XR ist sehr schnell gewachsen. Die erste größere Aktion war die Besetzung von fünf Brücken in London im November 2018. Im April folgte dann die zehntägige Blockade von vier großen Kreuzungen der Stadt, bei der über Tausend Menschen verhaftet wurden.

Mittlerweile zählt XR mehr als 100.000 "Rebellen" in Großbritannien und hat Ableger in 58 anderen Ländern, darunter Deutschland und die Schweiz. Mit diesem Wachstum konnten die internen Abläufe offensichtlich nicht mithalten, was zu der verfrühten Ankündigung der Heathrow-Aktion geführt hat.

Mittlerweile wurde der Plan für die Aktion aber verfeinert und sie soll nun "möglicherweise im September" stattfinden – nach einer Vorwarnzeit von zwei Monaten für Reisende. Der neue Heathrow-Plan sieht vor, dass Drohnen maximal auf Kopfhöhe geflogen werden. Das stellt die Behörden vor ein Dilemma, bei dem sie nur verlieren können.

Die erste Möglichkeit ist, sie erklären die XR-Aktion für ungefährlich und der Flughafen bleibt offen. Damit würden die Behörden ihrer eigenen Einschätzung widersprechen, dass die Aktion gefährlich sei. XR glaubt daher, dass diese Option eher unwahrscheinlich ist.

Die zweite Möglichkeit ist, die Behörden schließen den Flughafen und verhaften die Drohnenpiloten. Da in diesem Fall keine Flüge stattfinden und somit keine Flugzeuge in Gefahr sind, droht den Drohnenpiloten voraussichtlich aber "nur" ein Bußgeld von bis zu 2.800 Euro oder eine Bewährungsstrafe. Eine mehrjährige Gefängnisstrafe kann aus Sicht des XR-Rechtsteams aber nicht ganz ausgeschlossen werden.

Möglich wäre aber auch ein Freispruch. Aus XR-Sicht hat Fliegen "Völkermord-ähnliche Konsequenzen für kommende Generationen und die Natur". Daraus leite sich ein Recht auf Widerstand oder Rebellion ab.

Bürgerversammlung soll über Klimarettung entscheiden

"In diesem Land gibt es ein gesetzliches Notstandsrecht, Störmaßnahmen zu ergreifen, wenn damit ein viel größerer Schaden verhindert werden kann." Diese Sicht wurde vor drei Wochen von einem britischen Geschworenengericht bestätigt.

Dieses entschied auf "nicht schuldig" in einem Fall von Sachbeschädigung. Der XR-Vordenker Roger Hallam hatte vor zwei Jahren mit Kreide-Sprayfarbe Wände der Londoner Universität King's College besprüht. Der Schaden wurde damals allerdings nur mit 8.000 Euro angegeben.

An Freiwilligen mangelt es XR nicht. Nach eigenen Angaben hat die Bewegung eine Liste mit über 3.000 Menschen, die bereit sind, ins Gefängnis zu gehen. Für die Heathrow-Aktion stünden zudem 45 Drohnenpiloten bereit.

Nach XR-Planung reicht das, um Heathrow für zwei Tage lahmzulegen. Für September angedacht ist allerdings eine Aktion von 16 Tagen.

Aus Sicht von XR vereint eine Heathrow-Blockade drei Faktoren in optimaler Weise: "Maximale Störung und damit maximaler politischer Druck, ein relativ geringer Ressourceneinsatz und keine Gefahr, jemanden zu verletzen."

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Das Ziel ist, die Regierung zu Verhandlungen zu zwingen. Letztlich will XR erreichen, dass das britische Parlament einen Großteil seiner Befugnisse auf eine Bürgerversammlung überträgt, die aus zufällig ausgewählten Vertretern der Bevölkerung besteht.

Diese soll dann über die erforderlichen Maßnahmen angesichts des Umwelt- und Klimanotstands entscheiden, den das Parlament nach der XR-Aktion im April erklärt hat. XR geht es also nicht nur um eine Änderung der Umwelt- und Klimapolitik, sondern um den Umbau des britischen Staats.

XR-Mitbegründerin Gail Bradbrook sagt denn auch (Video): "Ich organisiere keine Proteste. Ich organisiere einen Aufstand gegen meine Regierung."

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