Eni zählt zu den zehn größten privaten Mineralölkonzernen der Welt. (Bild: Walter Cicchetti/Shutterstock)

Antonio Tricarico ist eine der lautesten und unnachgiebigsten Stimmen Italiens gegen die fossilen Energien. Nach Stationen bei Greenpeace und Amnesty International beschäftigt sich der studierte Energieingenieur als Programmdirektor bei der italienischen Nichtregierungsorganisation Recommon mittlerweile mit den Machenschaften internationaler Konzerne.

Eine Anklage könnte diese Stimme nun zumindest vorübergehend zum Schweigen bringen. Das jedenfalls, so der Vorwurf von Recommon, könnte der Plan des italienischen Mineralölkonzerns Eni sein.

 

Der fossile Energieriese wirft Tricarico "schwere Verleumdung" vor. Die Staatsanwaltschaft Rom ermittelt.

Es geht dabei um Aussagen, die Antonio Tricarico am 5. Mai im italienischen TV-Magazin "Report" des öffentlich-rechtlichen Senders Rai machte.

In der Sendung ging es um eine Förderlizenz, die Eni von den ägyptischen Behörden für das Gasfeld Zohr erhalten hat. Das Gasfeld knapp 200 Kilometer vor der ägyptischen Küste soll 850 Milliarden Kubikmeter Gas enthalten und wäre damit das größte Gasreservoir unter dem Mittelmeer.

Die gesamte Europäische Union verbrauchte im vergangenen Jahr 320 Milliarden Kubikmeter. Eni hatte das Feld 2015 entdeckt und 2016 die Fördergenehmigung erhalten.

Die Förderlizenz wurde dem Konzern damit zu einem Zeitpunkt gewährt, als die Nachricht von der Entführung, Folterung und Ermordung des italienischen Wissenschaftlers Giulio Regeni um die Welt ging.

Regeni, der als Soziologe zu gewerkschaftlicher Organisierung in Ägypten forschte, war bereits vor seinem Verschwinden von der ägyptischen Geheimpolizei beobachtet und schließlich am 25. Januar 2016 entführt worden. Neun Tage später wurde sein Leichnam an einer Landstraße zwischen Kairo und Alexandria aufgefunden.

Die Art der Brandwunden und weiterer Verletzungen stimmte mit denen anderer Opfer der ägyptischen Sicherheitsbehörden überein, wie Menschenrechtsorganisationen erklärten.

Eni verklagte bereits Greenpeace Italia und Recommon

Der Fall sorgte damals für starke diplomatische Spannungen zwischen Italien und Ägypten. Das Europäische Parlament verlangte in einer Resolution – mit der Begründung, dass Regeni kein Einzelfall sei – den Stopp aller Waffenlieferungen nach Ägypten.

Bis heute sind nicht alle Hintergründe geklärt und Ägypten bestreitet eine Beteiligung seiner Sicherheitskräfte. Die ägyptischen Behörden lieferten stattdessen eine Vielzahl unterschiedlicher Versionen, die sie anschließend wieder revidierten – von einer Verantwortung der ägyptischen Gewerkschaften bis zum Autounfall.

Mit seinen Aussagen habe Tricarico eine "schwer verleumderische Verbindung zwischen der Abschlussphase der kommerziellen Vereinbarung über das Zohr-Gasfeld in Ägypten und dem tragischen Verschwinden von Giulio Regeni hergestellt", erklärte ein Sprecher von Eni auf Nachfrage von Klimareporter°. Wenn überhaupt, so der Sprecher weiter, habe der Konzern versucht, den Dialog zwischen Italien und Ägypten zu fördern.

Die zeitliche Nähe zwischen Regenis Tod und der Gewährung der Förderlizenz sei eine "auf Tatsachen beruhende Feststellung", schreibt hingegen Recommon in einer Erklärung. Zudem werde dies in einer weiteren Folge von "Report" mit Bezug auf interne Eni-Dokumente bestätigt.

Im Gespräch mit Klimareporter° erklärt Antonio Tricarico, er wolle keineswegs andeuten, dass Eni in den Mordfall involviert sein könnte. Er habe lediglich auf die Zusammenarbeit des Konzerns mit einem repressiven Regime anhand dieses Beispiels hinweisen wollen.

Die Klage scheine deshalb, heißt es bei Recommon weiter, "ein erneuter Versuch zu sein, eine unbequeme Stimme zum Schweigen zu bringen, indem versucht wird, das zu leugnen, was sich stattdessen als unliebsame Wahrheit herausgestellt hat".

Dem widerspricht Eni wenig überraschend heftig. Vielmehr mache das Unternehmen von seinem Recht Gebrauch, seinen Ruf und seine Mitarbeiter:innen zu schützen.

Schon im Oktober hatte Eni Recommon sowie auch Greenpeace Italia vor dem Zivilgericht in Rom verklagt. Der Vorwurf: Die Nichtregierungsorganisationen würden eine "Hasskampagne" gegen das Unternehmen führen.

Beide NGOs konnten die Klage abwehren und kritisierten diese als Versuch, von der Klimaklage gegen Eni abzulenken. Mit dieser Klage wollen die Umweltorganisationen Eni zu Klimaschutz verpflichten.

"Big Oil ist eine Bedrohung für die Demokratie"

Tatsächlich ist Eni das Unternehmen mit den viertgrößten fossilen Expansionsplänen im Öl- und Gassektor, wie der Datenbank "Global Oil & Gas Exit List" von Urgewald zu entnehmen ist.

"Enis Versuch, einen der führenden Klimaaktivisten Italiens zum Schweigen zu bringen, zeigt, dass Big Oil nicht nur eine Bedrohung für unser Klima ist, sondern auch eine Bedrohung für die Demokratie und die Meinungsfreiheit", kommentierte Urgewald-Geschäftsführerin Heffa Schücking das Vorgehen des Konzerns.

Die Ermittlungen gegen Antonio Tricarico können nun bis zu einem Jahr andauern. Erst dann folgt die detaillierte Anklage – und damit die Möglichkeit zur Stellungnahme. Ob es schließlich zu einem Gerichtsverfahren kommt oder das Verfahren bereits zuvor von der Staatsanwaltschaft eingestellt wird, ist noch nicht abzusehen.

Recommon werde versuchen, die Beeinträchtigung der Arbeit möglichst gering zu halten, erklärt Tricarico. "Natürlich müssen wir nun mehr Zeit mit Anwälten verbringen, die internen Sicherheitsmaßnahmen verstärken und alle Mitarbeiter überzeugen, dass wir in der Lage sind, diesen Angriff unbeschadet zu überstehen."

 

Dass das Ziel von derartigen Klagen gar nicht unbedingt ein Rechtsspruch ist, sondern die Abschreckung und das Verursachen von Kosten, wird von Nichtsregierungsorganisationen immer wieder kritisiert. Für ihn persönlich, so Tricarico, bedeute die ganze Sache vor allem viel Stress.

Auch Recommon gibt sich in dem Statement kämpferisch: "Recommon ist solidarisch mit Antonio Tricarico und hat die feste Absicht, seine Kommunikations- und Informationskampagnen zu Italiens führendem Ölmulti fortzusetzen."