Eine Gruppe Menschen hat eine im Bau befindliche Erdgaspipeline symbolisch besetzt und hält ein Transparent hoch:
Zwei "Finger" von Ende Gelände blockierten im Kreis Heinsberg für einige Stunden die Baustelle der Erdgas-Fernleitung Zeelink aus den Niederlanden. (Foto: Nora Börding/​Ende Gelände/​Flickr)

Mehr als 3.000 Menschen haben sich am Samstag und am heutigen Sonntag im Rheinland an Aktionen gegen Kohle- und Gasinfrastruktur beteiligt, wie das Bündnis "Ende Gelände" mitteilte.

Vermutlich mehr als 100 von ihnen befanden sich nach Abschluss der Aktionen noch in Polizeigewahrsam. Die genaue Zahl der Festgehaltenen und die Art der Vorwürfe blieben bis zum Abend unklar.

Neben Braunkohle-Anlagen – vor allem im RWE-Tagebau Garzweiler II sowie am Kohlekraftwerk Weisweiler – war erstmals auch Erdgas-Infrastruktur Ziel der Aktionen. Besetzt wurde unter anderem die Baustelle der Erdgasleitung Zeelink.

Rund 150 Menschen blockierten am Samstag auch die Einfahrt zum Gaskraftwerk Lausward bei Düsseldorf. Die Anlage der Düsseldorfer Stadtwerke verfügt über knapp 600 Megawatt elektrische und 300 Megawatt Wärmeleistung. Nach eigenen Angaben stößt sie pro erzeugter Megawattstunde Strom um die 300 Kilogramm CO2 aus. Das ist etwa ein Drittel der Emissionen eines Braunkohlekraftwerkes.

Kim Solievna von Ende Gelände wies darauf hin, dass Produktion und Transport von Erdgas Methan freisetzen – ein deutlich stärkeres Treibhausgas als CO2. Damit sei Gas über die gesamte Produktionskette genauso klimaschädlich wie Kohle.

Die Gasinfrastruktur werde derzeit stark ausgebaut, kritisierte Solievna. Es sei "Wahnsinn", wenige Jahrzehnte vor der angestrebten Klimaneutralität noch Milliarden in Erdgas, Pipelines und Frackinghäfen zu investieren statt in erneuerbare Energien.

Gutachten sieht NRW-Landesregierung in der Pflicht

Weiterer Schwerpunkt der Aktionen waren Proteste gegen die von RWE geplante und durch das Kohleausstiegsgesetz gedeckte Abbaggerung mehrerer Dörfer im rheinischen Revier.

Dabei besetzten etwa 200 Aktivist:innen am Samstag den Keyenberger Gasthof – inzwischen im Eigentum von RWE – und nahmen ihn symbolisch wieder in Betrieb. In einem Waldstück wurde zudem nahe der Kante des Tagebaus Garzweiler II eine neue Baumhaussiedlung errichtet.

"Wir werden nicht weiter tatenlos zusehen, wie die Bagger immer näher kommen, und nehmen unser Schicksal mit Aktionen wie diesen selbst in die Hand", erklärte Britta Kox aus dem ebenfalls bedrohten Dorf Berverath. "Wenn der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wolle, dann könne er die Dörfer retten, sagte Kox. 

Denn ein neues, am Donnerstag von Greenpeace veröffentlichtes Gutachten kommt zum Schluss, dass das Kohleausstiegsgesetz die Zukunft des Tagebaus Garzweiler II nicht abschließend regelt.

Nordrhein-Westfalen sei stattdessen rechtlich verpflichtet, bei der Entscheidung über künftige Tagebaugrenzen und die Enteignung von Grundstücken zu prüfen, ob der geplante Kohleabbau notwendig und verhältnismäßig ist, teilte die Umweltorganisation mit. Faktoren wie Klimaschutz und Eigentumsrechte der Anwohnerinnen und Anwohner müssten dabei zwingend berücksichtigt werden.

Greenpeace forderte Laschet auf, die geplante Zerstörung der Dörfer mit einem sofortigen Moratorium aufzuhalten.

Polizei mit "unverhältnismäßiger" Gewalt

Die Anti-Kohle-Aktionen am Wochenende waren von einer starken Polizeipräsenz begleitet. Zum Einsatz kam auch eine Reiterstaffel.

Parlamentarische Beobachter wie der Bundestagsabgeordnete Lorenz Gösta Beutin (Linke) prangerten den Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Protestierende als "unverhältnismäßig" an. Beutin fordert eine Aufarbeitung der Einsatztaktiken der Polizei von NRW sowie der Einsatzhundertschaften aus anderen Bundesländern wie Bayern.

Dass es trotz der Einschränkungen durch die Pandemie, das schlechte Wetter und die Polizeieinsätze gelang, mehrere tausend Menschen zu mobilisieren und die Infrastruktur stundenlang zu besetzen, wertet das Aktionsbündnis als Erfolg. Gemeinsam mit dem globalen Streiktag von Fridays for Future habe die Klimagerechtigkeitsbewegung gezeigt, dass sie zurück sei, sagte Ronja Weil von Ende Gelände.

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