Jagadish Vasudev, genannt Sadhguru, steht in einem Hochgebirgstal, faltet die Hände und schaut etwas schräg nach oben. Der bärtige ältere Mann trägt einen weißen Mantel, ein helles, besticktes Übergewand und einen orangefarbenen Turban.
Jagadish "Jaggi" Vasudev, genannt Sadhguru, fährt 30.000 Kilometer für den Bodenschutz. Auf seiner Sechszylinder-BMW trägt er Motorradkleidung. (Foto: Scott Ferguson/​Wikimedia Commons)

"Sadhguru" ist ein Ehrentitel. Er bedeutet so viel wie "wahrer Guru" oder "Wahrheitsguru". Der Mann, der ihn trägt, ist ein bekannter indischer Yogalehrer. Doch nicht deswegen macht er gerade international Schlagzeilen.

Sondern weil der 65-Jährige mit dem markanten weißen Vollbart eine 100-tägige und 30.000 Kilometer lange Motorrad-Tour durch 26 Staaten unternimmt, um unterwegs in Hauptstädten und Metropolen Werbung für seine Mission zur "Rettung des Bodens" zu machen.

Er wolle die Menschen "aufrütteln", sagt er – um zu verhindern, dass die Basis der Ernährung der Menschheit und damit der "Gesundheit der Erde" weiter mit Füßen getreten wird. Um das Desaster in diesem Bereich abzuwenden, das sich immer deutlicher abzeichnet.

Auf seiner Tour, die im 21. März startete und von Großbritannien nach Indien führt, trifft Sadhguru Abgesandte von Politik, Wissenschaft, Umweltorganisationen und anderen Interessengruppen, um auf politische Maßnahmen zum Bodenschutz zu drängen.

Gerade macht er Station in Abidjan, der Hafenmetropole der Elfenbeinküste in Westafrika. Dort nimmt er am Gipfel der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung UNCCD teil, der am Montag begann. Der Guru ist auch hier ein gefragter Mann. Er tritt auf der Konferenz immerhin als einer der Hauptredner auf – vor Regierungsdelegationen aus 195 Ländern.

Erst kürzlich hatte das Sekretariat der Wüstenkonvention einen Report veröffentlicht, der die Dramatik der Situation der Böden weltweit belegt. Danach ist bereits rund ein Drittel der Flächen degradiert, vor allem durch eine nicht angepasste Landwirtschaft. Bis 2050 könne dies sogar bei 90 Prozent der Fall sein, falls nicht umgesteuert wird.

Der UN-Gipfel, bereits der 15. im UNCCD-Rahmen, soll die Staaten zu konkretem Handeln gegen die weitere Bodenzerstörung und die "Verwüstung" der Flächen motivieren.

Staaten sollen Mindestgehalt an Humus garantieren

Sadhguru, der eigentlich Jagadish Vasudev heißt, ist in Indien ein bekannter Mann. Er hat die Isha Foundation gegründet, die Yoga-Programme weltweit anbietet, ist Bestsellerautor und steht auf der von India Today geführten Liste der 50 einflussreichsten Menschen des Landes.

Er hat schon auf Veranstaltungen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos oder vor dem britischen Oberhaus gesprochen. Seine Stiftung engagiert sich auch für soziale und ökologische Initiativen. Nicht alle halten die Projekte für sinnvoll, es gibt auch Kritik an Sadhgurus Ideen, die bei Indiens nationalkonservativem Premier Modi scheinbar besser ankommen als bei vielen Nichtregierungsorganisationen.

Sadhguru selbst spricht von Feindseligkeiten einzelner Aktivisten und verweist auf die Unterstützung seiner Vorhaben durch die Vereinten Nationen und einige Regierungen. So auch für sein jüngstes Projekt, das Save Soil Movement – die "Bewegung zur Rettung des Bodens".

Und deren Hauptziel lautet: Die Staaten sollen dafür sorgen, dass die landwirtschaftlichen Böden einen Mindestgehalt an organischem Material von drei bis sechs Prozent aufweisen, also humusreich sind. Dies erhalte sie lebendig und produktiv, werde die Lebensmittel- und Wassersicherheit verbessern, die Auswirkungen des Klimawandels abmildern und die biologische Vielfalt schützen.

Bisher, so der Guru, betrachteten die Agrarministerien der meisten Regierungen die Böden als quasi tote Substanz. Diese müsse mit chemischen Düngemitteln fruchtbar gemacht werden und bringe dann Erträge. Doch das sei der falsche Ansatz. In den letzten 40 Jahren seien so 40 Prozent des Mutterbodens auf der Welt verloren gegangen.

In einigen Jahrzehnten sind die Böden am Ende

Laut UN reichten die Böden nur noch für 80 bis 100 Ernten, also 45 bis 60 Jahre Ackerbau. "Danach werden wir nicht mehr den Boden haben, um Nahrungsmittel zu produzieren", so der Inder.

Tatsächlich seien gesunde Böden ein ausgeklügeltes, lebendiges System, bekundet Sadhguru. Es sei möglich, sie zu rekultivieren. Etwa durch Humusaufbau, weniger Viehhaltung und dadurch frei werdende Agrarflächen, eine "baumbasierte" Landwirtschaft, eine "obstbasierte" Ernährung und, da kommt der Guru zum Vorschein, die Schaffung eines "bewussten Planeten".

Freilich: Ein Anhänger eines kompletten Verzichts auf Dünger und Pestizide ist der Mann nicht, der vor seiner Guru-Karriere eine Geflügelfarm sowie ein Baugeschäft betrieb und auch schon auf Bauernhöfen gearbeitet hat.

Wenn man die Agrarchemie jetzt einfach stoppe, verringere sich der Ertrag auf 25 Prozent. "Das wäre das schlimmste Desaster, das man auf dem Planeten auslösen kann." Allerdings mache längerfristig mehr Humus auch weniger Chemie möglich.

Und dass er ausgerechnet mit einem Motorrad auf Werbetour für sein grünes Anliegen geht? Da ist der Wahrheitsguru ganz Pragmatiker. "Möchten Sie", fragt er den Interviewer zurück, "dass ich mit meinen 65 Jahren 30.0000 Kilometer mit dem Fahrrad fahre?"

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