Klimawandel, Biodiversitätskrise, Plastikverschmutzung. Das sind Themen, die viele Menschen bewegen, und die Medien berichten darüber. Aber die Böden? Der Acker, die Wiese, das Moor? Wenig hört und liest man, wenn es um diese doch auch entscheidenden Lebensgrundlagen geht, deren Qualität sich vielerorts verschlechtert – bis hin zur fortschreitenden Wüstenbildung in heißen Weltregionen.
Dabei betrifft das Problem, das derzeit auf einem UN-Gipfel in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad behandelt wird, nicht nur ferne Länder, etwa in Afrika und Asien, sondern auch Europa. Hier ist laut einer aktuellen Erhebung der EU bereits ein erheblicher Teil der Böden durch physikalische, chemische oder biologische Prozesse "degradiert". Ein weiterer Bericht zur Riad-Konferenz zeigt aber auch auf, wie hier weltweit umgesteuert werden könnte.
Erosion, Versalzung, Schadstoffbelastung – das sind die Haupt-Stichworte. Schon fast ein Viertel der Weltbevölkerung ist von der Bodenkrise betroffen. Rund 40 Prozent der Böden weltweit gelten als geschädigt.
Ursachen sind neben den zunehmenden Extremwetter-Ereignissen wie Dürren und Überschwemmungen vor allem direkte Eingriffe des Menschen im Agrar- und Forstsektor. Das heißt: zu intensive Bodenbearbeitung, übermäßiger Pestizideinsatz, Überweidung, Abholzung und falsche Bewässerungsmethoden.
Hinzu kommt die rasant fortschreitende Urbanisierung, mehr Siedlungen und Straßen, durch die Agrarflächen wegfallen. Die Folgen betreffen unter anderem die Sicherheit der Welternährung, die Stabilität des Weltklimas wegen abnehmender Kohlenstoffspeicherung im Boden sowie die Artenvielfalt.
Historisch beispiellose Bodenverschlechterung
Das Problem ist lange bekannt. Internationale Aufmerksamkeit erlangte es erstmals in den 1970er Jahren, als eine Dürre- und Hungerkatastrophe in der Sahelzone mit Millionen Toten die drastischen Folgen degradierter Böden durch Dauerdürren, Abholzung und Überweidung zeigte.
Dies führte 1977 zur ersten UN-Konferenz zur Bekämpfung der Wüstenbildung, die in Kenias Hauptstadt Nairobi stattfand, dem Sitz des UN-Umweltprogramms Unep. Auf dem UN-Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro wurde dann die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) ins Leben gerufen, die 1994 in Kraft trat, in diesem Jahr also ihr 30-jähriges Jubiläum feiert.
Auf dem jetzigen 16. Gipfel zu dem Abkommen in Riad sollen Lösungen gegen die weitere Verschlechterung der Bodenqualität sowie Maßnahmen zur Wiederherstellung degradierter Gebiete und zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Dürren diskutiert werden. In Riad verhandeln Delegationen aus über 190 Staaten.
Ein Überblicksreport, der zu der Konferenz vorgelegt wurde, zeigt, wie dramatisch die Lage ist. Danach haben die Eingriffe des Menschen zu einer Bodendegradation in einem nie dagewesenen Ausmaß geführt, die sogar das Überleben der Menschheit bedroht.
Die Verschlechterung der Wälder und Böden untergrabe die Fähigkeit der Erde, mit der Klima- und Biodiversitätskrise fertigzuwerden, was wiederum die Bodendegradation in einem Teufelskreis nach unten beschleunige, heißt es darin. Laut UNCCD vergrößert sich die von Landdegradation betroffene Fläche – derzeit rund 15 Millionen Quadratkilometer, fast so groß wie Russland, das größte Land der Erde – jedes Jahr um etwa eine Million Quadratkilometer.
Der Report wurde unter Leitung von Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erarbeitet. Sein Titel: "Weg vom Abgrund – Umgestaltung der Landbewirtschaftung zur Einhaltung der planetaren Grenzen".
Hauptursache industrielle Landwirtschaft
Laut dem Report ist die konventionelle Landwirtschaft der Hauptverursacher der Bodendegradation – vor allem durch ihren Beitrag zu Bodenerosion, Entwaldung und Umweltverschmutzung. Nicht nachhaltige Bewässerungspraktiken erschöpfen danach die Süßwasserressourcen, während der übermäßige Einsatz von Stickstoff- und Phosphordüngern die Ökosysteme destabilisiert.
Auf den degradierten Böden sinken dann die Ernteerträge und die Nahrungsqualität, was sich direkt auf die Lebensgrundlagen gefährdeter Bevölkerungsgruppen auswirkt. Eine weitere Folge ist eine immer größere Abhängigkeit von Kunstdüngern und Pestiziden.
Weiteres Hauptproblem laut dem Report: Der Klimawandel verstärkt die Bodendegradation durch Extremwetterereignisse wie anhaltende Dürren und mehr Überschwemmungen. Schmelzende Gebirgsgletscher und veränderte Wasserkreisläufe erhöhen die Verletzlichkeit, gerade in trockenen Regionen.
Der Bericht stellt auch fest, dass die Landökosysteme derzeit noch fast ein Drittel der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen aufnehmen, doch mit sinkender Tendenz. Die Fähigkeit von Bäumen und Böden, überschüssiges CO2 zu absorbieren, hat sich in den letzten zehn Jahren durch Entwaldung und Klimawandel um 20 Prozent verringert.
Als dritter Faktor verschärft laut dem Bericht die weltweit voranschreitende Urbanisierung diese Herausforderungen. Sie trägt zur Zerstörung von Lebensräumen, zu Umweltverschmutzung und zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.
Mehr Dürren durch Fehlbewirtschaftung und Klimawandel
Schwerpunkt auf dem Riad-Gipfel ist die globale Zunahme der Dürren. Ein von der Konvention herausgegebener "Welt-Dürre-Atlas" zeigt, dass die Trockenheitsphasen durch den Klimawandel und nicht nachhaltige Landbewirtschaftung seit 2000 in Häufigkeit und Intensität um fast 30 Prozent zugenommen haben. Dies bedrohe durch die Folgen für die Landwirtschaft und die Wassersicherheit die Lebensgrundlagen von 1,8 Milliarden Menschen – wobei die ärmsten Länder die Hauptlast trügen.
In seiner Eröffnungsrede in Riad sagte der Exekutivsekretär der Konvention, Ibrahim Thiaw: "Die Welt erwartet, dass die Vertragsparteien einen mutigen Beschluss fassen, der dazu beitragen kann, die am weitesten verbreitete und am stärksten beeinträchtigende Umweltkatastrophe, die Dürre, zu überwinden." Die Konferenz müsse ein "historischer Moment" werden.
Laut dem Rockström-Bericht gibt es durchaus die Chance, die Bodendegradation zu stoppen und teils sogar umzukehren. Genannt werden hier unter anderem Agrar-Strukturreformen, ein besseres Management von Wasserressourcen und die Etablierung nachhaltiger Lieferketten. Zudem seien der Schutz und die Wiederherstellung von Wäldern, Grasland, Savannen und Torfmooren entscheidend.
Ein Hilfsmittel sollen auch neue Technologien in Verbindung mit Big Data und KI sein. So sei es durch Fernerkundung und Drohnen möglich, die Bodendegradation "in Echtzeit" zu erkennen und zu bekämpfen. Vorteile ergeben sich laut dem Report aus der dadurch möglichen hochpräzisen Ausbringung von Wasser, Nährstoffen und Pestiziden sowie der frühzeitigen Erkennung von Schädlingen und Krankheiten.
Ineffiziente und umweltschädliche Agrarsubventionen
Fachleute wie Juliane Wiesenhütter von der bundeseigenen Entwicklungsorganisation GIZ, die an der Riad-Konferenz teilnimmt, betonen: Nötig seien Lösungen, die an die Menschen, den Naturraum und die Bedingungen vor Ort angepasst sind.
Im afrikanischen Burkina Faso zum Beispiel arbeite die GIZ mit dem Landwirtschaftsministerium und den Gemeinden daran, den Boden vor Erosion zu schützen. "Wir unterstützen Bäuerinnen und Bauern dabei, Steinreihen anzulegen, sodass Regenwasser besser in den Boden versickert." Außerdem habe die GIZ sie darin geschult, mehr Kompost und Ernterückstände in den Boden einzubringen, um mehr Humus in die Böden zu bekommen und die Widerstandskraft der Pflanzen gegen Trockenstress zu erhöhen.
Seit 2014 hat die GIZ laut Wiesenhütter in Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Indien, Kenia, Madagaskar und Tunesien rund 800.000 Hektar Boden geschützt oder saniert – eine Fläche doppelt so groß wie Mallorca. "Damit konnten die Bäuerinnen und Bauern ihren Ertrag durchschnittlich um ein Drittel steigern", so die Expertin. "Das bedeutet mehr Ernährungssicherheit für über zwei Millionen Menschen."
Finanzmittel für den Umbau könnten übrigens unter anderem durch eine Umwidmung bisheriger Agrarsubventionen bereitgestellt werden. Das zeigt eine Untersuchung der UN-Organisationen FAO, UNDP und Unep aus dem Jahr 2021, auf die der Rockström-Report verweist.
Danach wurden im betrachteten Zeitraum von 2013 bis 2018 in 88 Ländern insgesamt über 500 Milliarden US-Dollar für Agrarsubventionen ausgegeben. Die waren zu fast 90 Prozent ineffizient und schadeten der Umwelt.