Nachtleben in Osaka: Hohe Häuser, Neonschilder
In Osaka findet der diesjährige Gipfel der 20 wirtschaftsstärksten Länder statt – und damit zum ersten Mal überhaupt in Japan. (Foto: Pedro Szekely/​Flickr)

Schon bevor er überhaupt begonnen hat, sendet der G20-Gipfel ein Signal der klimapolitischen Stagnation in die Welt: Wenn die Chefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer ab Freitag im japanischen Osaka zusammentreffen, liegt ein Entwurf des Gastgebers Japan für eine gemeinsame Erklärung auf dem Tisch, der in wichtigen Fragen noch hinter die Klimaschutz-Versprechen früherer Gipfel zurückfällt.

In dem vorbereiteten Kommuniqué heißt es lediglich, dass die G20 sich globalen Herausforderungen stellen wolle, "unter anderem dem Klimawandel".

Japans Motivation zu der schwachen Formulierung dürfte daher kommen, dass das ostasiatische Land gerade an einem Handelsabkommen mit den USA arbeitet und US-Präsident Donald Trump deswegen ins Boot holen möchte. Die Vereinigten Staaten hatten sich innerhalb der G20 zuletzt weltweit isoliert, unter anderem in Sachen Klimaschutz.

Im Abschlusskommuniqué des letzten G20-Gipfels im Dezember fand sich noch ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen sowie zu dem Ziel, die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu begrenzen. Die USA bestanden darauf, einen eigenen Absatz in dem Dokument zu bekommen, in dem sie ihren Austritt aus dem Paris-Vertrag bekräftigten, wie sie es auch schon beim vorherigen Gipfel der Staatengruppe in Hamburg getan hatten. Der damalige Eindruck einer 19-zu-eins-Konstellation festigte sich.

Jetzt geht es darum: Setzt sich dieser Trend fort? Klimaschützer befürchten, dass eine Wiederannäherung an die USA nur für den Preis völliger Aussagelosigkeit zu haben wäre. Ein Beispiel dafür liefert schon der japanische Entwurf selbst. Darin heißt es, dass man für den Klimaschutz "alle Technologien in Betracht ziehen" wolle. Auch das ist ein Zugeständnis an Trump, der neue Kohlekraftwerke und die CCS-Technologie als "saubere Kohle" bewirbt. Im Kommuniqué vom Dezember hatte noch gestanden, dass erneuerbare Energien das Mittel der Wahl beim Klimaschutz seien.

"Das ist nicht akzeptabel"

"Es ist ekelerregend", sagte Catherine Abreu vom kanadischen Zweig der Umweltorganisation Climate Action Network am Rande der Klimakonferenz in Bonn. "In diesem Entwurf für eine G20-Abschlusserklärung sehen wir keinen Bezug zum 1,5-Grad-Ziel, zur Dekarbonisierung der Wirtschaft oder zu Plänen, die eigenen Klimaziele im Sinne des Paris-Abkommens zu erhöhen – das ist nicht akzeptabel."

Die Abschlusserklärung der G20 hat zwar nur symbolischen Charakter, sie verpflichtet die beteiligten Länder zu keinen konkreten Handlungen. Das Pariser Klimaabkommen lebt allerdings von solchen Signalen des guten Willens. Verbindliche Vorgaben für die Staaten oder Sanktionen für Bremser sieht es nicht vor.

Die Hoffnung von Paris war stattdessen: Durch politische Vorreiter verschiebt sich die Norm – weg vom fossilen Wirtschaften, hin zur Nachhaltigkeit. Und irgendwann werden den Worten Taten folgen, damit die gegenseitigen Versprechen glaubhaft bleiben.

In diesem Sinne wirken sich Ereignisse wie der G20-Gipfel auch auf die Verhandlungen in Bonn aus. Auch wenn am Sitz des UN-Klimasekretariats nur kleinteilige Debatten zur gemeinsamen Verwaltung der Klimaschutz-Erfolge auf der offiziellen Tagesordnung stehen: Alle kleinen Detailteufel sind am Ende nur wichtig, damit die Staaten sich bereit erklären, mehr Klimaschutz zu liefern.

Die Regeln, über die in Bonn gesprochen wird, sollen Unsicherheiten darüber abbauen, was die anderen Staaten zum Schutz des globalen Klimas beitragen. In einem Prozess, der jetzt nach dreieinhalb Jahren Verhandlungen vor seinem Abschluss steht, wurde zum Beispiel festgelegt, wer wann welche Informationen auf welche Weise über sich preisgeben muss.

So soll verhindert werden, dass Trittbrettfahrer mit ihrer Strategie durchkommen. Also Staaten, die selbst kaum Klimaschutz betreiben und dann trotzdem von einem kollektiven Erfolg profitieren – vom Weltklima kann man schließlich niemanden ausschließen.

Nur zwei Länder haben Klimaneutralität beschlossen

Verwalterische Regelungen können natürlich nicht alles auflösen, was die Klimaverhandlungen erschwert – zum Beispiel, dass die Staaten sich in ihren Interessen und in ihrer Macht unterscheiden. Sie bauen aber ein paar offenkundige Klimaschutz-Hemmnisse für Staaten ab. Im kommenden Jahr sollen die Staaten ihre Klimaziele verschärfen. So sieht es das Paris-Abkommen vor.

Darum soll es am Wochenende bei einem Treffen gehen, zu dem die Vereinigten Arabischen Emirate nach Abu Dhabi geladen haben. Und im September hält UN-Generalsekretär António Guterres einen Sondergipfel zur Verschärfung der Klimaziele in New York ab. "Wir erleben in den nächsten anderthalb Jahren die entscheidende Testrunde des Paris-Abkommens", sagte David Waskow vom Washingtoner World Resources Institute am Rande der Bonner Konferenz. 

Klimaneutral ab 2050 – warum?

Das Stichjahr 2050 für die Klimaneutralität kommt nicht von ungefähr: Um auch nur eine 50-prozentige Chance zu haben, die Erderhitzung bei 1,5 Grad zu begrenzen, darf die Welt ab der Hälfte des Jahrhunderts keine Treibhausgase mehr ausstoßen. Das hat ein Sonderbericht des Weltklimarats IPCC im vergangenen Jahr ergeben.
 

Bezieht man noch Fragen der Fairness ein, könnte es für jedes Land ein eigenes sinnvolles Datum geben – je nach angesetztem Kriterium. Typischerweise wird mit der Wirtschaftskraft eines Landes argumentiert, also mit der Möglichkeit, Geld in Klimaschutz zu investieren, oder mit der historischen Verantwortung für die Klimakrise. In beiden Fällen würde das für Industrieländer bedeuten, dass sie früher klimaneutral werden müssen als 2050 – damit andere Länder länger Zeit haben können. 

Die absolute Mehrheit der Staaten tut sich bisher schwer damit, Ziele zu beschließen, deren Erfüllung sie auf "Paris-Kurs" bringen würde. "Wenn man an einem einzelnen Anzeichen festmachen will, dass ein Staat es ernst mit dem meint, was er auf dem Pariser Klimagipfel versprochen hat, dann ist das ein Klimaneutralitätsziel für spätestens 2050", sagte Richard Black, Chef des Energy and Climate Intelligence Unit, in Bonn.

Die britische Denkfabrik sammelt die Namen der Staaten, auf die das zutrifft: Nur Norwegen und Schweden haben ein entsprechendes Gesetz. Weitere vier Länder haben angekündigt, es ihnen nachzutun. Darunter ist Großbritannien, wo der Gesetzgebungsprozess noch diese Woche abgeschlossen sein soll.

Neun Länder erwähnen das Ziel immerhin unverbindlich in politischen Dokumenten. Und weitere vier debattieren darüber, für wann man sich die Klimaneutralität vornehmen sollte, darunter Deutschland und die EU, die bei Klimaverhandlungen als ein weiteres Land gezählt wird.

Vorreiter in Sachen Klimaneutralität sind der Denkfabrik zufolge Bhutan und Suriname. Die beiden Länder stoßen durch ihre geringe Wirtschaftskraft so wenig CO2 aus, dass ihre Emissionen nicht nur bei null liegen, sondern bereits negativ sind: Ihre Wälder und Moore binden mehr Kohlendioxid, als die Länder selbst verursachen.

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