Klimareporter°: Frau Northrop, bitte erzählen Sie mir eine Geschichte: Wie ist es auf der Weltklimakonferenz in Katowice?
Eliza Northrop: Oh, da muss ich nachdenken. Ich glaube, ich erzähle Ihnen nichts über die Verhandlungen, sondern lieber, dass ich am Rande des Gipfels eine Reihe spannender Veranstaltungen zur Verbindung von Ozeanen und Klima besucht habe. Das Thema wird immer wichtiger, der Weltklimarat IPCC wird im kommenden Jahr auch einen Sonderbericht dazu veröffentlichen.
Es waren ermutigende Momente in den vergangenen anderthalb Wochen: Natürlich gefährdet der Klimawandel Ökosysteme im Meer, die Ozeane helfen aber auch beim Klimaschutz, denn sie binden Kohlendioxid. Sie bieten uns also eine Chance.
Ich habe Sie jetzt gebeten, im Kleinen das zu tun, was Staaten, Unternehmen, Städte, Umweltschützer, Universitäten und alle möglichen anderen Organisationen im sogenannten Talanoa-Dialog machen, der heute auf der Weltklimakonferenz in Katowice zu Ende geht: Geschichten über den Klimawandel erzählen. Was steckt dahinter?
Die Leitfragen des Talanoa-Dialogs lauten: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Wie kommen wir dorthin?
Die grundsätzliche Idee stammt aus dem Pariser Klimaabkommen, damals war allerdings noch vom "facilitative dialogue" die Rede, von einem vereinfachenden Dialog also. Es geht darum, gemeinsam Informationen zu sammeln, auf deren Basis die Staaten dann 2020 ihre Klimaziele erstmals verschärfen sollen, die momentan erwiesenermaßen nicht ausreichen, um die Ziele des Abkommens zu erreichen.
Jetzt heißt der Dialog Talanoa.
Das kam mit Fidschi, das im vergangenen Jahr die Weltklimakonferenz leitete. Talanoa ist ein Konzept zur Konfliktlösung, das in Fidschi für alles mögliche genutzt wird. Es geht darum, dass Gesprächspartner auf Augenhöhe zusammenkommen und durch sorgfältig ausgewählte Geschichten ihre Perspektive auf das Problem illustrieren.
Aber eigentlich kennen wir doch die Antworten auf die Fragen, die dort diskutiert werden. Wozu brauchen wir da den Talanoa-Dialog?
Zur Person
Eliza Northrop beobachtet seit Jahren die UN-Klimaverhandlungen für das Washingtoner World Resources Institute. Die Umweltjuristin hat zuvor als Beraterin mehrerer Regierungen gearbeitet, etwa Tonga und Australien. (Foto: WRI)
Das ist eine gute Frage und sicher einer der Gründe dafür, dass viele Beteiligte dem Talanoa-Dialog anfangs skeptisch gegenüberstanden. Ich würde sagen: Wir kennen die nötigen Fakten. Wir wissen, dass die Emissionen sinken müssen und dass wir deswegen die Wirtschaft dekarbonisieren müssen. Wie wir damit umgehen, wissen wir aber eben noch nicht.
Die Kraft des Talanoa-Dialogs liegt darin, andere Sichtweisen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern zu verstehen. Teilnehmer kommen aus den Sitzungen und sagen: Wir haben gerade das erste Mal als Menschen miteinander gesprochen, nicht als Staaten oder NGOs. Das hat frischen Wind in die Klimakonferenz gebracht.
Weil hier sonst alles seinen festen Platz und Ablauf hat?
Genau. Im Talanoa-Dialog saßen zum Beispiel gestern Vertreter von Staaten zusammen mit Sprechern der Zivilgesellschaft in Kleingruppen am Tisch und haben miteinander gesprochen. Normalerweise stehen Redner auf der Klimakonferenz hinter einem Mikro und einem Schild mit dem Organisationsnamen. Es gibt bekannte Konfliktlinien und Allianzen. Diese festgefahrenen Strukturen hat der Dialog aufgebrochen.
Außerhalb des geschützten Raums der Klimakonferenz gibt es aber reale Unterschiede zwischen den Beteiligten: Manche Staaten tragen zum Beispiel viel stärker zum Klimawandel bei als andere. Verschleiert der Talanoa-Dialog nicht die harten Fakten?
Es geht darum, Vertrauen aufzubauen, Empathie zu schaffen. Und dafür ist diese Offenheit notwendig. Talanoa gibt der menschlichen und kulturellen Seite des Klimawandels einen Raum.
Zum ersten Mal gab es so eine internationale Talanoa-Session im Mai, manche Länder haben zwischendurch selbst eigene Dialoge veranstaltet. Gestern kam dann politisches Spitzenpersonal zusammen. Und außerdem gibt es ein Online-Portal, auf dem jeder Beiträge hochladen kann, selbst Einzelpersonen.
Jetzt arbeiten die Vorsitzenden der vergangenen und der aktuellen Klimakonferenz, also Fidschi und Polen, an einem Bericht, der Kernergebnisse daraus ableitet. Er soll heute Abend fertig werden.
Und was wird dann daraus?
Im ersten Schritt wird der Bericht hoffentlich dazu führen, dass die Staaten in ihren Abschlussentscheidungen auf dieser Weltklimakonferenz sowohl die Talanoa-Ergebnisse als auch den 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarats anerkennen.
Angesichts der aktuellen Diskussion darum, ob der Bericht nun "zur Kenntnis" genommen oder "begrüßt" wird, sollte ich das aber lieber spezifizieren. Gut wäre es natürlich, wenn die Staaten die beiden Berichte "begrüßen" würden – schon allein, weil sie sie mit dem Paris-Abkommen in Auftrag gegeben haben.
Was ist sonst noch zu erwarten?
Es ist zu hoffen, dass sich die Staaten am Talanoa-Bericht orientieren, wenn sie an ihren neuen Klimazielen arbeiten. In den Gesprächen hat sich viel Konsens zwischen ganz verschiedenen Gruppen gezeigt, der sich im Bericht sicher niederschlagen wird. Das sollte also hilfreich sein.
Zurzeit wird ja viel über die "Gelbwesten" in Frankreich geredet, die sich gegen eine Erhöhung der Ökosteuer auf Kraftstoffe auflehnen. Von dieser Warte betrachtet: Vielleicht schafft dieser sehr transparente und leicht zugängliche Prozess ja sogar mehr Anerkennung für Klimapolitik in der Bevölkerung.
Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 24 in Polen finden Sie in unserem Katowice-Dossier