Am Montag ist der "Weltumwelttag", wie jedes Jahr am 5. Juni. Ein Gedenktag, ins Leben gerufen von den Vereinten Nationen. Dieses Jahr steht er international unter dem Motto "Beat Plastic Pollution".

 

Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass gerade in Paris die zweite UN-Verhandlungsrunde zur Eindämmung der weltweiten Plastikverschmutzung zu Ende gegangen ist. Eines Problems, das gigantisch ist und weiter wächst.

So groß, dass manche Fachleute schon prognostizieren, künftig werde unser Zeitalter als "Plastic Age" bezeichnet. Weil der Mensch es geschafft hat, noch die entlegensten Regionen der Welt mit Kunststoffmüll und seinen eigenen Körper mit Mikroplastik zu belasten.    

Die Mahnungen in Paris waren entsprechend drastisch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nannte die Plastikverschmutzung zu Beginn des Treffens eine "tickende Zeitbombe" und "schon heute eine Geißel, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit, die Artenvielfalt und Klimaziele".

Priorität müsse haben, die Produktion von Kunststoffen zu reduzieren und die umweltschädlichsten Produkte wie Einwegkunststoffe "so schnell wie möglich" zu verbieten. In Zukunft müsse alles Plastik auf dem Markt möglichst vollständig recycelbar sein. Und Macron forderte, den Export von Plastikmüll aus Industriestaaten in Länder des globalen Südens zu beenden.

Damit war die Agenda im Kern bereits beschrieben, um die es in Paris ging. Respektive hätte gehen sollen.

Vom einstigen Schwung ist wenig geblieben

Denn die Delegierten verbrachten fast die ganzen fünf Verhandlungstage mit Verfahrensfragen, etwa damit, ob bei künftigen Beschlüssen Einstimmigkeit oder Mehrheitsentscheidungen gelten sollen. Fragen, die schon die erste von insgesamt fünf Verhandlungsrunden beherrscht hatten, die bis 2024 ein verabschiedungsreifes UN-Plastikabkommen zustande bringen sollen.

Vom Schwung, der letztes Jahr da zu sein schien, ist wenig geblieben. Damals hatte die UN-Umweltversammlung den vergleichsweise straffen Zeitplan beschlossen und das Ziel ausgegeben, mit dem Abkommen solle die Plastikverschmutzung bis 2040 beendet werden.    

Was zu befürchten war, ist eingetreten. Die Interessen verschiedener Ländergruppen prallten voll aufeinander.

Eine sogenannte High Ambition Coalition aus etwa 50 der weltweit 175 verhandelnden Staaten, darunter die EU, Kanada, Chile, Norwegen, Ruanda und seit Neuestem auch Japan, will die Produktionsmengen von Kunststoffen – weltweit inzwischen fast 500 Millionen Tonnen jährlich – stark zurückfahren.

Andere Länder mit großer petrochemischer Industrie wie China, die USA und Saudi-Arabien wollen dagegen an den Strukturen möglichst wenig ändern und das Problem lediglich mit besserem Recycling und Abfallmanagement entschärfen.

Doch nicht einmal das ist Konsens bei den Verhandlungen, bei denen auch Lobbyverbände als Beobachter zugelassen sind. So wehrt sich etwa der Verband American Chemistry Council gegen eine Vereinheitlichung der chemischen Zusammensetzung von Kunststoffen, die das Recycling vereinfachen würde.

Was hinter dem beinharten Agieren der Erdöllobby steckt, ist klar. Die weitere Ausweitung der Produktion soll ihr Geschäft retten.

Ohne Maßnahmen wird sich die Plastikproduktion verdreifachen

Heute fließen vom weltweit geförderten Erdöl und Erdgas rund acht Prozent in die Kunststoff-Produktion, wobei Fachleute des Industrieländerclubs OECD eine Verdreifachung der Mengen bis 2060 prognostizieren, falls keine Maßnahmen dagegen ergriffen werden.

Den Erdöl-Produzenten käme das gelegen. Ihr Kalkül ist: Wenn die Energiewende endgültig Fahrt aufnimmt und die meisten Autos und Heizungen bis Mitte des Jahrhunderts auf Ökostrombetrieb umgestellt werden, könnte die Plastikproduktion zumindest einen Teil der Umsätze mit den fossilen Rohstoffen retten.

Bei den UN-Verhandlungen muss verhindert werden, dass diese Interessen sich durchsetzen. Das wird alles andere als einfach.

 

In Paris wurde nach den nervigen Verzögerungen dann doch noch beschlossen, dass die Leitung der Plastik-Arbeitsgruppe bis zur nächsten UN-Verhandlungsrunde im November in der kenianischen Hauptstadt Nairobi einen Vertragsentwurf erarbeiten soll. In den Auftrag dazu wurde immerhin die Forderung nach einer Reduktion der Plastikproduktion aufgenommen.

Umweltschützer verbuchen das schon als Erfolg. Doch wie stringent das bei der Textproduktion hinter verschlossenen Türen umgesetzt wird und ob es dann im Plenum der 175 Staaten eine Chance hat, das steht auf einem anderen Blatt.

Möglichkeiten, das Plastikproblem in den Griff zu bekommen, gibt es. Laut dem UN-Umweltprogramm Unep könnte die Kunststoff-Neuproduktion bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft bis 2040 mehr als halbiert und der in die Umwelt gelangende Müll um mehr als 80 Prozent reduziert werden.

Die Schlüssel dazu: mehr Recycling, Umstellung auf Mehrwegsysteme, Ersatz durch andere Materialien.

Das ist eigentlich kein Hexenwerk, aber es braucht politischen Mut, die Veränderungen gegen die Lobbys durchzusetzen. Die Hoffnung, dass es den noch gibt, dürfen wir nicht aufgeben.

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