Bunte Banner liegen auf den Stufen zum Altarraum einer Kirche
Die Gruppe der Klimapilger hat in der katholischen Kirche von Katowice ihre Banner abgelegt. (Foto: Friederike Meier)

Der Gottesdienst in der Christkönigskathedrale von Katowice ist fast vorüber, als eine Gruppe junger Menschen aufsteht und dem Erzbischof von Katowice bunte Plakate und selbstgebastelte Schilder überreicht. "Schützt uns", ist zu lesen und: "Wandel für den Planeten, Fürsorge für die Menschen". Die jungen Leute sind Klimapilger, die in den letzten Wochen und Monaten unter anderem aus Rom und Bonn zu Fuß auf dem Weg zur Klimakonferenz in Katowice waren.

Das Thema des Gottesdienstes, der hier am Sonntag zwischen den beiden Verhandlungswochen der Klimakonferenz COP 24 stattfindet, ist der Klimaschutz. Die Gemeinde in der mit Katowicer Gläubigen, Klimapilgern und Gästen der COP vollbesetzten Kirche betet für die Klimakonferenz und den Planeten.

"Gott, hilf uns, alles Leben zu schützen, uns auf eine bessere Zukunft vorzubereiten", heißt es in dem Gebet, das den Gottesdienst abschließt. Es ist inspiriert von der Enzyklika "Laudato Si'", mit der Papst Franziskus im Jahr 2015 zu mehr Klimaschutz aufrief.

Die Enzyklika stößt in Polen nicht immer auf offene Ohren. "Laudato Si' gründet sich auf einer Erfahrung der Welt, die sehr fern von Polen ist. Wir haben keine so klare globale Perspektive in Polen", sagt Mateusz Bednarkiewicz von der Nichtregierungsorganisation Global Catholic Climate Movement gegenüber Klimareporter°. Die internationale Organisation hat sich gegründet, um die Botschaft von Laudato Si' in die Kirchen zu tragen.

"Die Kirche kann die wissenschaftlichen Erkenntnisse verbreiten"

Für Bednarkiewicz kann die katholische Kirche einen großen Beitrag dazu leisten, das Anliegen des Klimaschutzes in Polen zu verbreiten. Fast 90 Prozent der Menschen sind katholischen Glaubens."Hier in Polen ist das Thema sehr ideologisiert", sagt Bednarkiewicz. "Es wird als Waffe verwendet, um bestimmte Werte oder Interessengruppen zu verteidigen." Deshalb will er den Klimaschutz entideologisieren.

Der christliche Glaube könne dabei helfen, so Bednarkiewicz. "Wir müssen uns daran erinnern, dass unser Leben ein Geschenk ist, nicht etwas, das wir einfach benutzen können. Aus dieser Perspektive können viele Probleme viel leichter gelöst werden", ist sich der christlicher Aktivist sicher.

Außerdem könne die katholische Kirche dabei helfen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel zu verbreiten. "Oft verstehen die Menschen nicht, dass der Klimawandel wissenschaftlich bewiesen ist. Wegen der politischen Agenda hat es noch niemand richtig erklärt", meint er. "Die Kirche und der Vatikan sind die Autoritäten, denen wir Polen am meisten vertrauen. Das ist unsere Geschichte, unsere Identität." Mit dieser Autorität könne das Wissen viel besser verbreitet werden.

Und vielleicht kann die Konferenz ja doch dazu beitragen, die globale Perspektive nach Polen zu bringen, hofft Mateusz Bednarkiewicz: "In der Nordhälfte der Welt verbrauchen wir ohne Bescheidenheit riesige Mengen an Ressourcen. Es zerstört uns hier im Norden. Aber gleichzeitig hat es auch sehr konkrete Folgen für den globalen Süden."

Was zum Beispiel den Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad Erderwärmung für den Pazifikstaat Samoa ausmacht, beschrieb Joseph Sapati Moeono-Kolio kurz und bündig auf der Klimakonferenz: Bei 1,5 Grad könnten die Samoaner weiter auf ihren Pazifikinseln leben – bei zwei Grad müssten sie diese "für immer verlassen", sagte der katholische Klimaaktivist. Wenn er nach der Konferenz nach Hause zurückkehre, beginne bald die Zyklon-Saison und die Inselbewohner hofften, dass sie nicht zu stark getroffen werden.

Für Mercy Chirambo vom malawischen Zweig der katholischen Hilfsorganisation Caritas, Cadecom, gibt es ebenfalls "dringenden Handlungsbedarf" angesichts des fortschreitenden Klimawandels. In ihrer Heimat Malawi, wo die Menschen zumeist eine von den Regenzeiten abhängige Subsistenz-Landwirtschaft praktizierten, sei der Einfluss des Klimawandels bereits "sehr, sehr groß". Für Familien auf dem Land gehe es nicht allein um das Essen – der Erfolg der Ernte bestimme auch, ob die Kinder gesund aufwachsen und zur Schule gehen können.

Mehr Auswirkungen als die gesamte Klimakonferenz?

Der renommierte deutsche Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber, bis vor Kurzem Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, würde alldem sicher zustimmen. Schellnhuber ist, wie er auf einer Veranstaltung wissen ließ, nicht nur wegen der Klimakonferenz, sondern auch wegen eines anderen Treffens nach Katowice gekommen.

Denn die Polnische Akademie der Wissenschaften, die Pontifikale Akademie der Wissenschaften und das französische Nationale Forschungszentrum haben gemeinsam ein Symposium organisiert. Auch hohe Vertreter der polnischen Katholischen Kirche waren dabei. "Zum ersten Mal wurde innerhalb dieser Gruppen über Klimawandel und gerechten Strukturwandel diskutiert", sagte Schellnhuber auf der Klimakonferenz. "Und ich denke, das könnte eine größere Auswirkung auf die Diskussion hier in Polen haben als die eigentliche Klimakonferenz."

Dass die internationale Klimapolitik am Scheideweg steht, ist der katholischen Kirche nicht entgangen. Papst Franziskus, erklärte Monsignore Bruno-Marie Duffé von der Regierung des Vatikanstaats auf dem Klimagipfel, spüre, dass die Menschheit "dringende Entscheidungen" zu treffen habe, bei denen es auf wahre "gegenseitige Solidarität" ankomme – eine Solidarität, die nicht allein im Helfen bestehe, sondern in wirklicher Beteiligung der Menschen. Häufig werde gesagt, so Duffé, dass die Erde Entscheidungen für das Morgen benötige – das ist für den Kirchenmann inzwischen offenbar zu kurz gedacht. "Das Morgen ist heute", betonte er.

Allerdings hat das katholische Klimaengagement auch seine Grenzen. So wich Duffé der Frage aus, welche Position die Kirche habe, wenn eine Regierung wie die US-amerikanische unter Donald Trump sich dieser Solidarität entzieht. Es sei sehr wichtig,die Erwägungen aller Staaten und politischen Akteure zu berücksichtigen, auch wenn diese beschlössen, sich nicht mehr an internationalen Prozessen zu beteiligen.

Ohnehin könne die Kirche solche Erwägungen nicht verhindern, sagte Duffé. Aus Sicht der Kirche sei es vor allem wichtig, den Dialog mit den Menschen und den gesellschaftlichen Gruppen fortzusetzen.

Alle Beiträge zur Klimakonferenz COP 24 in Polen finden Sie in unserem Katowice-Dossier

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