Luftaufnahme überflutete Felder 2010
Überflutete Felder in Pakistan, hier bei einem früheren Hochwasser. (Foto: Australian Government/​Flickr)

Es ist eine Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmaßes. Ein Drittel von Pakistan, einem Land mit 220 Millionen Einwohnern, ist überflutet. UN-Generalsekretär António Guterres, der Pakistan am letzten Wochenende besuchte, forderte die Weltgemeinschaft auf, "die Kräfte aller im Kampf gegen den Klimawandel zu mobilisieren".

Die Welt laufe auf eine Katastrophe zu, sagte er in der Hauptstadt Islamabad. "Wir haben einen Krieg gegen die Natur geführt und die Natur schlägt jetzt auf verheerende Weise zurück."

Eine aktuelle wissenschaftliche Studie stützt nun diese Aussage. Laut der Arbeit der Forschungsgruppe "World Weather Attribution" (WWA) hat der menschengemachte Klimawandel die extremen Regenfälle "wahrscheinlich" mitverursacht.

Einige der von WWA verwendeten Klimamodelle haben sogar ergeben, dass der Anstieg komplett auf die Erderwärmung zurückzuführen ist. Das Team schränkte jedoch ein, dass die Ergebnisse noch Unsicherheiten enthielten.

Die Gruppe ist ein Zusammenschluss führender Klimawissenschaftler:innen auf dem Feld der sogenannten Attributionsforschung. Der Forschungszweig versucht zu ermitteln, wie viel Klimawandel in einem Wetterereignis steckt.

Eine WWA-Analyse zu der extremen Hitzewelle, die in Indien und Pakistan in diesem Frühjahr herrschte, hatte gezeigt, dass diese dadurch rund 30-mal wahrscheinlicher als in einer Welt ohne Klimawandel geworden war. Attributionsanalysen zu Hitzeperioden sind grundsätzlich leichter durchzuführen als zu Regenextremen.

WWA-Expertin Friederike Otto vom Imperial College in London kommentierte: "Was wir in Pakistan gesehen haben, ist genau das, was Klima-Projektionen seit Jahren vorhersagen." Die neue Analyse zeige, dass eine weitere globale Erwärmung die Regenfälle noch weiter verstärken werde. Es sei zwar schwierig, der Anteil des Klimawandels genau zu quantifizieren. "Die Fingerabdrücke der Klimaerwärmung sind aber offensichtlich."

Infektionskrankheiten und Verarmung drohen

Pakistan ist bereits seit Mitte Juni von extrem starkem Monsunregen betroffen. Im August war die Regenmenge laut WAA landesweit dreimal so hoch wie normal, in den besonders betroffenen Südprovinzen Sindh und Belutschistan sogar sieben- bis achtmal.

Laut der nationalen Katastrophenbehörde steht derzeit etwa ein Drittel des Landes unter Wasser. Insgesamt leiden rund 33 Millionen Menschen unter den Fluten, fast ein Siebtel der Bevölkerung. Damit ist die Lage schlimmer als während der "Superflut", die das Land 2010 erlebte. Damals waren 20 Millionen betroffen.

In der aktuellen Megaflut sind inzwischen rund 1.400 Menschen gestorben, 660.000 mussten aus ihren Dörfern evakuiert werden und leben nun zumeist in provisorischen Lagern. Die Zahl der zerstörten Häuser wird auf 1,7 Millionen geschätzt, zahlreiche Straßen, Brücken und Bahnlinien sind nicht mehr funktionsfähig.

Viele Felder sind überflutet und Ernten zerstört, darunter die wichtigen Produkte Reis und Baumwolle. In den Dörfern stirbt das Vieh, weil es kein Futter mehr findet. Das pakistanische Finanzministerium taxiert die Gesamtschäden auf umgerechnet knapp 30 Milliarden Euro.

Ein weitere, gravierende Gefahr sind nun Infektionskrankheiten, die sich im nur langsam abfließenden Wasser ausbreiten können. Die WHO und Hilfsorganisationen warnen, dass Durchfall, Cholera, Malaria und Dengue zum nächsten großen Problem in den Flutgebieten werden.

Eine Entspannung der Lage ist hier vorerst nicht in Sicht, da im ganzen September gewöhnlich noch intensiver Monsunregen fällt.

Guterres sagte, der Klimawandel treffe die Menschen in Pakistan in einem bisher ungekannten Ausmaß. "Familien haben ihre Liebsten, ihre Häuser, ihre Ernte und ihre Arbeit verloren." Er habe noch nie ein "Klima-Massaker dieser Größenordnung" gesehen.

Klimagerechtigkeits-Debatte wird schärfer

Der UN-Chef sprach auch das Nord-Süd-Problem beim Klimawandel an. Pakistan gehöre zu den Ländern, die am meisten von der Klimakrise betroffen sind, aber selbst kaum dazu beigetragen haben. "Es ist absolut notwendig, dass die Weltgemeinschaft das anerkennt – vor allem jene Länder, die mehr zum Klimawandel beigetragen haben", mahnte Guterres.

Er meint vor allem die reichen Industrieländer, die die Erdatmosphäre bereits seit mehr als 150 Jahren als kostenlose Deponie benutzen. Die Treibhausgasemissionen müssten sofort reduziert werden, forderte der UN-Chef. Denn: Was heute in Pakistan geschehe, könne morgen jedes andere Land treffen.

Ähnlich argumentiert auch die Regierung in Islamabad. Ministerpräsident Shehbaz Sharif betont, Pakistan sei weltweit mit am stärksten vom Klimawandel betroffen, obwohl es weniger als ein Prozent der globalen Emissionen verursache.

Islamabad leitet daraus die Forderung ab, dass die Industrieländer dem Land finanzielle Hilfe leisten müssten. Auch Guterres forderte die internationale Gemeinschaft auf, Pakistan schnell und massiv zu unterstützen. "Und das ist nicht nur eine Frage der Solidarität und Großzügigkeit. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit."

Kritiker sehen allerdings auch Versäumnisse im Land selbst. Die Regierungen in Islamabad und in den Provinzen hätten die Klimagefahren nicht ernst genug genommen und auch bei der Katastrophenvorsorge versagt.

Hilfe in der aktuellen Katastrophe kam bisher unter anderem von China, Großbritannien, Katar, Saudi-Arabien, der Türkei, den USA, Usbekistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch die Summen, die benötigt werden, sind ungleich größer.

Damit verstärkt die Flut die Debatte über die generelle Finanzierung von Klimaschäden in den ärmeren Ländern, die bereits nicht mehr zu verhindern sind. Die Entwicklungsländer fordern seit Langem in den internationalen Klimaverhandlungen einen Finanzierungsmechanismus für solche "Verluste und Schäden".

Obwohl die reichen Nationen den Finanzierungsbedarf zunehmend anerkennen, lehnen sie die geforderte "Klima-Fazilität" weiterhin ab und wehren sich dagegen, dass das Thema auf dem UN-Klimagipfel COP 27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh im November auf die offizielle Tagesordnung gesetzt wird. Es dürfte daher gleich zu Beginn des Gipfels für viel Ärger sorgen.

Redaktioneller Hinweis: Klimaforscherin Friederike Otto gehört dem Herausgeberrat von Klimareporter° an.

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