Hier ist das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe in der Lausitz bei Nacht zu sehen
Ohne Zukunft: Braunkohlekraftwerk in Deutschland. (Foto: SPBer/​Wikimedia Commons)

Schon die weltweit existierenden fossilen Kraftwerke, Industrieanlagen, Heizungen und Autos mit Verbrennungsmotor gefährden das Ziel, einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern. Werden sie alle entsprechend ihrer Nutzungsdauer betrieben, werden sie noch 658 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausstoßen, rechnen Wissenschaftler eines internationalen Forscherteams vor. Die Studie mit Beteiligung der University of California, der Tsinghua-Universität und der Carnegie Institution for Science ist in dieser Woche im Fachmagazin Nature veröffentlicht worden.

Mehr als die Hälfte dieser Emissionen würde der Prognose zufolge durch fossile Kraftwerke zur Stromprodution verursacht, woran China mit 41 Prozent den größten Anteil hätte, gefolgt von den USA mit neun Prozent und der Europäischen Union mit sieben Prozent.

Würden alle derzeit im Bau befindlichen, genehmigten und geplanten Kraftwerke tatsächlich fertiggestellt werden und entsprechend ihrer regulären Betriebsdauer am Netz bleiben, würden etwa 188 Milliarden Tonnen CO2 zusätzlich emittiert. Ein gefährlicher Klimawandel wäre dann nicht mehr zu verhindern. 

Jüngsten Schätzungen des Weltklimarats IPCC zufolge ließen sich – mit einer 50- bis 66-prozentigen Wahrscheinlichkeit – die weltweiten Durchschnittstemperaturen auf 1,5 Grad begrenzen, wenn das weltweite Budget von 420 bis 580 Milliarden Tonnen CO2 nicht überschritten wird. Bei der derzeitigen Höhe der Emissionen blieben dafür noch neun bis 13 Jahre.

Für das Zwei-Grad-Ziel ist das Budget größer. Die Klimaforschung beziffert es auf 1.170 bis 1.500 Milliarden Tonnen CO2, was etwa 28 bis 36 Jahren mit gegenwärtigem CO2-Ausstoß entspricht. Dafür muss die Welt bei einer Erwärmung um zwei Grad mit wesentlich schwereren Klimafolgen als bei 1,5 Grad rechnen, zum Beispiel mit einem um zehn Zentimeter höheren Meeresspiegelanstieg bis 2100.

Den Treibhausgasausstoß durch die Verbrennung fossiler Ressourcen beziffert die Wissenschaftsorganisation Global Carbon Project für 2018 auf 37 Milliarden Tonnen CO2. Weitere rund fünf Milliarden Tonnen CO2 wurden durch Landnutzungsänderungen, vor allem durch Abholzung, in die Atmosphäre entlassen. Mit 42 Milliarden Tonnen CO2 stieß die Menschheit damit im Vorjahr so viel aus wie nie zuvor.

"Ohne radikale Veränderungen sind die Paris-Ziele gefährdet"

"Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssen wir die CO2-Emissionen auf netto null senken, um die globalen Temperaturen zu stabilisieren", sagte die Studien-Hauptautorin Tong Dan vom Fachbereich Erdsystemforschung der Pekinger Tsinghua-Universität. Das werde aber nur gelingen, wenn die Menschheit Kraftwerke, Öfen und Fahrzeuge bereits vor Ablauf ihrer Betriebsdauer stilllege und durch erneuerbare Technologien ersetze.

Bestehende und bereits geplante Infrastrukturen für die Verbrennung fossiler Brennstoffe müssen demnach vorzeitig stillgelegt und ersetzt werden. In den vergangenen zehn Jahren ist aber die Zahl der fossil betriebenen Kraftwerke und Fahrzeuge weltweit massiv gestiegen – vor allem in Ländern wie China und Indien. In China haben diese Kraftwerke im Durchschnitt gerade mal elf, zwölf Jahre auf dem Buckel, das heißt sie haben noch jahrzehntelange Laufzeiten vor sich.

In der Berechnung gehen die Forscher davon aus, dass Kraftwerke und Industriekessel etwa 40 Jahre und Autos etwa 15 Jahre lang lang betrieben werden. Würden schon bestehende Kraftwerk nach 25 statt nach 40 Betriebsjahren stillgelegt, dann könne beispielsweise ein Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad begrenzt werden.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass es im Rahmen der internationalen Klimaziele grundsätzlich keinen Platz für neue CO2-emittierende Infrastrukturen gibt", sagte Co-Autor Steven Davis von der University of California in Irvine. Vielmehr müssten bestehende fossil befeuerte Kraftwerke und Industrieanlagen vorzeitig stillgelegt werden, wenn sich die Emissionen nicht neutralisieren oder andernorts ausgleichen ließen. "Ohne solche radikalen Veränderungen, fürchten wir, sind die Ziele des Paris-Abkommens bereits gefährdet."

Dass Studien wie diese zu Korrekturen bei den Investitionen führen werden, ist trotzdem unwahrscheinlich. Da ein weltweiter CO2-Preis nicht in Sicht ist, reagieren die Märkte höchstens, wenn die Klimafolgen schon eingetreten sind – wie in diesem Jahr in den USA. Dort hat der Klimawandel die Waldbrandwahrscheinlichkeit erhöht, und der größte Energieversorger des Landes ist nach hohen Schadenersatzforderungen in die Insolvenz abgestürzt.

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