Ein Fahrgastsschiff auf der Spree im Berliner Regierungsviertel, im Hintergrund das Bundeskanzleramt.
Beschwerden an die Passagiere auf dem Dampfer statt an die Bundeskanzlerin: Viele Menschen sehen die Verantwortung für Klimaschutz eher bei jedem Einzelnen als bei der Politik. (Foto: © Raimond Spekking/​Wikimedia Commons/​CC BY-SA 4.0)

Na endlich! Die Umfrageforschung hat ermittelt, warum es mit dem Klimaschutz hierzulande nicht richtig vorangeht. Es ist nämlich so: Viele von uns Bürgern glauben, dass wir zuallererst selbst dafür verantwortlich sind, dass Treibhausgase eingespart werden. Also wir als Privatleute, die zu viel Strom verbrauchen, den Abfall nicht richtig trennen oder mit dem Flugzeug herumjetten. Immerhin fast ein Drittel der Bürger bekundete das in einer Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB), während nur 18 Prozent die Regierung und neun Prozent die Unternehmen in der Verantwortung sehen.

Es ist klar: So kann es nichts werden. Die Regierung merkt das doch, dass wir nichts von ihr erwarten. Selbst wenn sie von einer "Klimakanzlerin" geführt wird. Und macht sich folgerichtig einen schlanken Fuß. Im Jahr 2007 stellte die Merkel-Groko 1 zwar ein anspruchsvolles CO2-Ziel für 2020 auf, ließ dann den lieben Gott aber einen guten Mann sein.

Im vorigen Frühjahr kippte die Merkel-Groko 3 das Ziel, da angeblich nicht mehr erreichbar. Motto: Die Wähler werden's schon schlucken, sie erwarten ja sowieso nichts von uns. Und werden sich dann selbst quälen, weil sie ja zu viel Strom verbrauchen, den Abfall nicht richtig trennen und mit dem Flugzeug herumjetten ...

Die Politik aus der Verantwortung zu lassen ist nicht nur undemokratisch, sondern auch dumm. Die da in Berlin (und sonstwo) haben wir ja gewählt, damit sie uns das richtige, gute Leben erleichtern. Wenn sie aber zulassen oder es sogar befördern, dass Energie zu billig ist, Abfall verbrannt statt recycelt wird und der Billigjet nach Malle weniger kostet als das Taxi zum Flughafen, muss man sich nicht wundern, dass ... (siehe oben).

Joachim Wille ist Chefredakteur des Onlinemagazins Klimareporter°.

Es ist vom Einzelnen einfach zu viel verlangt, sich immer wieder gegen den alltäglichen Ansturm der falschen Anreize zu stemmen. Er wird immer wieder das Falsche tun, auch wenn er dabei vielleicht ein schlechtes Gewissen hat.

Es ist eine Krux: Die Regierung weiß natürlich seit Langem, was sie tun müsste, um zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu setzen – ökologische Steuerreform, konsequente Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Verkehrspolitik. Doch viele Bürger, nämlich 45 Prozent, glauben laut der EIB-Umfrage, dass vor allem unser eigenes Handeln zu Ergebnissen führt. Bei der Regierung erwarten das mit 28 Prozent deutlich weniger. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

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