Dass der Kohleausstieg technisch und wirtschaftlich machbar ist, haben etliche Studien bereits belegt. Nachgewiesen wurde auch, dass der Nutzen des Kohleausstiegs die Kosten deutlich übersteigt. Welche Instrumente aus juristischer Sicht für ein Ende der Kohleverstromung zweckmäßig sind, wird dagegen kaum in der Öffentlichkeit diskutiert – und wenn, dann geht es vor allem um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und um etwaige Entschädigungszahlungen.
Dabei sind rechtliche Fragen entscheidend, wie ein Blick auf das Hin und Her um den Atomausstieg zeigt: 2016 sprach das Bundesverfassungsgericht den Atomkonzernen Entschädigungszahlungen für nutzlos gewordene Investitionen und verfallene Stromproduktionsrechte zu. 2010 hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung den acht Jahre zuvor beschlossenen Atomausstieg mit den vereinbarten Reststrommengen für jedes Atomkraftwerk zurückgenommen und die Laufzeiten der Kraftwerke verlängert.
Eine erneute Kehrtwende folgte nicht einmal ein halbes Jahr später, unmittelbar nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima. Das dann eilig nachgeschobene Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg ist zwar aus richterlicher Sicht verfassungskonform, aber die Atomkonzerne dürfen mit millionenschweren Entschädigungszahlungen rechnen, weil der Gesetzgeber nicht genau aufgepasst hat.
Am besten ein Ausstiegsgesetz
Damit sich dieser teure Fauxpas nicht beim Kohleausstieg wiederholt, hat die gemeinnützige Umweltrechtsorganisation Client Earth (Anwälte der Erde) die rechtlichen Möglichkeiten zur Gestaltung des Kohleausstiegs prüfen lassen.
"Der Kohleausstieg ist nicht nur von großer Bedeutung für den Schutz des Weltklimas, sondern auch für die Zukunft Deutschlands und dessen Rolle in der Welt", sagt Hermann Ott, Deutschland-Chef von Client Earth. "Es ist deshalb sehr anzuraten, den Kohleausstieg nicht nur schnell und effektiv zu planen, sondern ihn auch juristisch sauber und effizient zu gestalten". Ein juristisches Kuddelmuddel könne man sich bei diesem extrem wichtigen Thema nicht leisten.
Fünf rechtliche Ansätze werden in dem Gutachten, das die Umweltjuristin Cornelia Ziehm ausgearbeitet hat, anhand von sieben Kriterien überprüft. Eine Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Kraftwerksbetreibern könnte den Kohleausstieg demnach ebenso einleiten wie Änderungen am Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).
Das BImSchG erlaubt die Einführung von CO2-Grenzwerten oder jährlichen CO2-Emissionsbudgets oder alternativ das Festschreiben von Effizienzanforderungen. Durch die Festschreibung von Reststrommengen oder durch das Erlöschen immissionsschutzrechtlicher Betriebsgenehmigungen per Ausstiegsgesetz könnte der Kohleausstieg auch in Gesetzesform geregelt werden.
Der juristischen Bewertung zufolge gewährleistet ein Ausstiegsgesetz ein rechtssicheres und planvolles Auslaufen der Kohleverstromung. Das Erlöschen der Kraftwerksgenehmigungen sollte nach eindeutigen und objektiv überprüfbaren Maßstaben wie Alter oder CO2-Ausstoß der Anlagen im Gesetz verbindlich festgeschrieben werden. Damit wäre das Ende des Kohlestroms klar und vorhersehbar durch den Bundestag vorgegeben.
Weiterer Vorteil eines Ausstiegsgesetzes: Entschädigungen würden nur dann und nur in dem Umfang an die Betreiber gezahlt, wie es rechtlich geboten sei.
Reststrommengen würden zwar ebenfalls gesetzlich geregelt werden, aber wie bei vertraglichen Vereinbarungen zwischen Kraftwerksbetreibern und Bundesregierung wäre hier der Vollzug des Kohleausstiegs in die Verantwortlichkeit der Betreiber verlagert und damit der staatlichen Steuerung entzogen. Ein vorhersehbarer Ausstiegspfad wäre auf diese Weise nicht gewährleistet, warnt das Gutachten.
"Der Kohleausstieg ist durch ein parlamentarisches Gesetz festzuschreiben", bekräftigt Rechtsgutachterin Cornelia Ziehm. "Vertragliche Vereinbarungen zwischen Regierung und Betreibern gewährleisten die Zielerreichung und Planungssicherheit nicht mit der notwendigen Verbindlichkeit."
Die Festsetzung von CO2-Emissionsgrenzwerten oder das Einführen von Effizienzanforderungen über das Bundes-Immissionsschutzgesetz könnten zwar gleichfalls das Ende der Kohleverstromung einleiten. Zusätzlich wären hier aber zahlreiche administrative Umsetzungsakte auf Länderebene erforderlich, sodass diese Ansätze laut dem Client-Earth-Gutachten, das heute auch an die Mitglieder der Kohlekommission ging, nicht bevorzugt werden sollten.
Stilllegungen sind keine Enteignungen
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt ein Gutachten zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Ein vorzeitiges Ende für Kohlekraftwerke ist laut der 370 Seiten starken Studie, die der Juraprofessor Thomas Schomerus und der Rechtsanwalt Gregor Franßen von der Kanzlei Heinemann vorgelegt haben, mit dem Grundgesetz und dem EU-Recht vereinbar.
Demnach ließen sich Elemente eines Kohleausstiegsgesetzes dem Atomgesetz entnehmen, weil es beim Atom- und beim Kohleausstieg eine Reihe von Gemeinsamkeiten gebe. Dazu gehörten eine vergleichbare Eigentums- und Bestandsschutzproblematik ebenso wie Enddatum und Stilllegungsreihenfolge, aber auch der weitgehende gesellschaftliche Konsens über die Notwendigkeit des Ausstiegs.
Vor allem bei möglichen Ausgleichpflichten sollte der Gesetzgeber genau hinschauen, mahnen die Regierungsgutachter. Stilllegungen sind ihnen zufolge keine Enteignungen, die entschädigungspflichtig wären, sondern der Eigentümer kann in der Nutzung seines Eigentums eingeschränkt werden, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werde. Deshalb empfehlen die Juristen Übergangs- und Härtefallregelungen – bei der Änderung des Atomgesetzes war das versäumt worden.