Erdgas-Brennwertkessel in einem Mehrfamilienhaus: Damit ist die Klimabilanz des Hauses besser als mit einer Ökostrom-betriebenen Wärmepumpe – so sieht es das Gesetz. (Bild: Douglas Dunn/​Wikimedia Commons)

Die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) elektrisierte die Öffentlichkeit, wie es lange kein Gesetz geschafft hat. Natürlich mit "freundlicher" Unterstützung einer medialen Kampagne, die offensichtlich nicht auf sachliche Information setzte. Der gesamte Prozess war ein absolutes Kommunikationsdesaster. Aber nun ist das Gesetz nach allem Streit beschlossen.

Das politische Geschehen bestimmte verschiedene Koalitionsrunden, löste öffentliche Debatten aus, verschliss einen Staatssekretär und brachte die Stimmung in der wie auch die Zustimmung für die Ampel auf einen Tiefpunkt.

In CDU und CSU brachte es viele auf die Palme und einige bis vor das Verfassungsgericht, allerdings nicht so weit, dass ein vernünftiger Änderungsantrag oder wenigstens eine sinnvolle inhaltliche Position dabei herausgekommen wäre.

Für Bürgerinnen und Bürger und auch für Unternehmen herrscht jetzt Klarheit, bis auf die "Nebensächlichkeit" der Förderbedingungen. Zudem soll das Gebäudeenergiegesetz mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt werden, was inhaltlich sinnvoll erscheint.

Bei eingehender Betrachtung dessen, wofür das neue GEG konzipiert ist und was mit den beschlossenen Maßnahmen tatsächlich erreicht werden kann, stellt man aber fest: Um einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, muss das Gesetz nachgebessert werden.

Alles zurück auf Start. Und zwar noch in dieser Legislatur. Obwohl das nicht verlockend klingt, gibt es dafür mehrere politische und auch klimapolitische Gründe.

Ziel verfehlt, Mittel liegengelassen

Zum einen: Wirtschaftsminister Robert Habeck selbst erklärte in der jüngsten Bundestagsdebatte zum GEG, dass das Gesetz das angestrebte Klimaschutzziel verfehlt. Denn nicht mehr über 50 Millionen Tonnen CO2, wie ursprünglich geplant, sondern nur noch knapp 40 Millionen Tonnen würden mit den entschärften Maßnahmen eingespart.

Die Klimaziele im Gebäudebereich werden also verpasst. Gesetze zu verabschieden, von denen von vornherein bekannt ist, dass sie die eigenen Ziele nicht erreichen, ist eine politische Blamage.

Hier muss es eine politische Motivation geben nachzuschärfen – für alle Parteien der Ampelkoalition und für alle Parteien, die den Klimaschutz und die Auswirkungen von unterlassenem Klimaschutz ernst nehmen.

Bild: privat

Michael Liesner-Düning

koordiniert die Klima- und Energie­politik beim Hamburger Ökostrom-Unternehmen Lichtblick. Er studierte unter anderem Soziologie, Geografie sowie Kommunikation und Mitarbeiter­führung in Berlin. Nach Stationen als Mitarbeiter im Bundestag war er für politische Kommunikation zu erneuerbaren Energien beim Windrad­bauer Enercon und dann bei EnBW zuständig. Liesner-Düning ist Heraus­geber­rats­mitglied von Klimareporter°.

Zum anderen: Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien neben den Veränderungen im Heizungsbereich auch dieses angekündigt:

"Um eine wirtschaftlich effiziente, sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele, insbesondere orientiert an der eingesparten Tonne CO2, sicherzustellen, setzen wir auf passgenaue und technologieoffene Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen. Die Förderprogramme werden wir den Zielen und Bedarfen entsprechend weiterentwickeln und umschichten."

Im Grunde heißt das nichts anderes als: Neben Heizung und Kühlung soll auch die Gebäudehülle optimiert und damit der gesamte CO2-Ausstoß eines Gebäudes berücksichtigt werden.

Das ist auch sehr sinnvoll, denn leider gibt es nicht die eine Lösung für alles, wenn es um Dämmung und Heizung von Gebäuden geht.

Gebäudehülle und Heizung in Bezug auf den CO2-Ausstoß miteinander zu verknüpfen, ist daher mindestens genauso so sinnvoll wie die nun angestrebte Verknüpfung von GEG und kommunaler Wärmeplanung.

Nur, dass mit der Verknüpfung von Gebäude und Heizung noch nicht begonnen wurde.

Rechnung mit fehlerhaften Annahmen

Bereits lange vor der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes hat Lichtblick in einer Studie gezeigt, welche Schritte nötig wären, um zu einem klimaneutralen Gebäudebestand zu kommen.

Hauptkritikpunkt ist auch schon hier, dass im GEG die Klimabilanz des gesamten Gebäudes als Steuerungselement des Einsatzes von Energieträgern gar keine Rolle spielt. Die Festschreibung in der jetzigen GEG-Novelle, möglichst jede neue Heizung mit 65 Prozent Erneuerbaren-Anteil zu betreiben, ändert daran nichts.

Die Berechnungen beruhen auf fehlerhaften Annahmen: Die Energiebilanz von Gebäuden basiert im Gebäudeenergiegesetz auf den Primärenergiefaktoren. Je niedriger der Faktor ist, desto "besser" fällt im Gesetz die Energiebilanz eines Gebäudes aus.

Tacheles!

In unserer Kolumne "Tacheles!" kommentieren Mitglieder unseres Herausgeberrats in loser Folge aktuelle politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen.

Der Haken: Fossile Energieträger haben fast alle einen mäßig hohen Primärenergiefaktor von 1,1. Für Netzstrom gilt noch immer ein sehr hoher Faktor von 1,8. Strom gilt also von vornherein als ineffizient und ein Bezug von 100 Prozent Ökostrom ist schlicht nicht vorgesehen.

Das Resultat ist, dass fossile Energien im GEG rechnerisch besser abschneiden als erneuerbare. Konkret gesagt: Im jetzigen GEG hat ein Haus mit Gas-Brennwertkessel eine bessere Klimabilanz als ein Haus mit Wärmepumpe, die mit Ökostrom betrieben wird. Das gilt auch nach den letzte Woche beschlossenen GEG-Änderungen.

Das enorme Klimaschutzpotenzial von Ökostrom wird weiter übersehen. Im Neubau könnten 90 Prozent der CO2-Emissionen und 95 Prozent der Primärenergie mit Strom aus erneuerbaren Energien eingespart werden. Im Bestand wäre eine 97‑prozentige CO2-Einsparung möglich.

Die Berechnungen nach den derzeitigen GEG-Kriterien verschleiern dieses Potenzial jedoch – mit weitreichenden Folgen. Es kommt zu klimapolitischen Fehlinvestitionen. 2022 waren von 980.000 neu eingebauten Heizsystemen 61 Prozent Gasheizungen.

In der Studie sind die konkreten politischen Forderungen und Änderungsnotwendigkeiten im Detail erläutert. Allerdings ist davor ein noch wichtigerer Schritt zu tun. Die Ampelkoalition muss sich eingestehen, dass mit der aktuellen Novelle die eigenen Ziele deutlich verfehlt werden.

Das bedeutet: Das Gebäudeenergiegesetz muss noch einmal angefasst werden. Dass nach den Diskussionen, Kampagnen und Tiefschlägen der jetzigen Novelle niemand Lust dazu hat, ist absolut verständlich.

Daran führt aber kein Weg vorbei, wenn die Ampelkoalition die eigenen Ziele und die Verantwortung zur Bekämpfung des Klimawandels ernst nimmt. Nach der GEG-Novelle stehen wir vor der GEG-Novelle.