In Deutschland können die Erdgasspeicher schneller gefüllt werden als erwartet. Das ist erfreulich für Deutschland und Europa, aber für manche andere Länder ein Problem.
Um die Speicher zu füllen, kaufen europäische Länder derzeit jede Ladung an Flüssigerdgas (LNG), die der Markt hergibt. Die Folge sind astronomische Preise: Am Tag vor Kriegsausbruch kostete eine Megawattstunde Gas 90 Euro. Heute liegt der Preis bei über 270 Euro – rund dreimal so hoch.
Das ist für Länder ein Problem, die ihren Gasbedarf nicht nur mit langfristigen Lieferverträgen gedeckt haben, sondern auch Erdgas kurzfristig auf dem sogenannten Spotmarkt kaufen. Dieser macht knapp zwei Fünftel des gesamten LNG-Markts aus und das Gas war dort meist günstiger zu haben als mit langfristigen Verträgen.
Doch wer in der Vergangenheit hier gespart hat, zahlt jetzt drauf. Das größte Problem haben Länder in Asien, allen voran Pakistan. Das Land begann das Jahr mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise, erlebte dann eine Hitzewelle und nun eine katastrophale Überschwemmung.
Dazu kommen rollende Stromausfälle, weil Gas fehlt. Das Land ist im Juli zum vierten Mal daran gescheitert, Erdgas auf dem Spotmarkt zu beschaffen. Es lag kein einziges Angebot vor.
Noch kritischer ist die Lage in Sri Lanka. Wegen mangelnder Devisenreserven kann das Land quasi keine Importe mehr bezahlen – egal ob Medikamente oder eben Gas.
Aber auch Bangladesch leidet, obwohl es finanziell besser aufgestellt ist als Sri Lanka und Pakistan. Das Land litt im Juli unter Stromausfällen und sein größter Stahlproduzent BSRM musste wegen der Energiekrise seine Produktion um ein Fünftel kürzen.
In Südostasien ist vor allem Thailand betroffen. Dort geht die einheimische Produktion seit Jahren zurück und zuletzt sind Importe aus dem Nachbarland Myanmar wegen westlicher Sanktionen weggefallen.
Da Thailand mehr als die Hälfte seines Strombedarfs mit Gaskraftwerken deckt, muss es nun Flüssigerdgas importieren. Das kann man seit Anfang September auch an der Stromrechnung ablesen: Strom ist jetzt 18 Prozent teurer als im Vormonat.
Entspannung nur vorübergehend
Für viele dieser Länder kommen noch zwei weitere Probleme dazu: Seit Beginn des Krieges hat sich der Kohlepreis fast verdoppelt, von 240 auf 414 US-Dollar pro Tonne.
Zudem ist der Dollar im Vergleich zu den meisten Währungen stark gestiegen. Das verteuert Importe vom Weltmarkt, wenn man diese in Thai Baht, bangladeschische Taka oder pakistanische Rupien umrechnet.
Zwei Faktoren könnten allerdings für etwas Entspannung sorgen: Freeport LNG, der zweitgrößte LNG-Exporteur in den USA, hofft im November die Exporte wieder aufnehmen zu können. Wegen einer Explosion war dieser Anbieter seit Juni ausgefallen.
Und in Europa dürften die Gasspeicher demnächst voll sein. Diese Woche twitterte Tom Haddon von der niederländischen Beratungsfirma Arcadis: "Deutschland hat erklärt, dass sich die Lagerbestände schneller als erwartet füllen, was darauf hindeutet, dass die staatlich beauftragten Käufer kurz davor sind, aus dem Markt auszusteigen."
Dann könnte am Spotmarkt für Gas der Preis kurzfristig sinken. Sobald in Europa die Heizperiode beginnt und sich die Speicher wieder leeren, kommen die Europäer aber wieder als Käufer zurück – koste es, was es wolle.