Angefangen hat es mit einem Nachfrageschock. Wegen der Corona-Epidemie ist der Ölverbrauch stärker zurückgegangen als jemals zuvor: um 3,8 Millionen Barrel (159 Liter) pro Tag, wie die Marktforscher von IHS Markit ausgerechnet haben. Folglich verbilligte sich das Öl auf den Märkten.
Um einen weiteren Preisverfall zu verhindern, wollte das Ölkartell Opec mit Russland eine Förderkürzung um 1,5 Millionen Barrel pro Tag vereinbaren. Doch Russland weigerte sich am Freitag mitzuziehen.
Die Investmentbank Goldman Sachs vermutet, dass Russland die US-Frackingfirmen aus dem Markt drängen will und der absehbare Preissturz als eine Art Antwort auf die Sanktionen der US-Regierung gegen die Nord-Stream-2-Pipeline zu verstehen ist.
Am Samstag erklärte schließlich Saudi-Arabien einen Preiskrieg. Das Land senkte die Preise für Öl deutlich. Am Montag folgte dann der stärkste Preisrutsch für Öl seit 1991: Seit Jahresbeginn hat sich der Preis für das Nordseeöl Brent von 66 US-Dollar auf nur noch 33 Dollar halbiert.
Anfang April könnte dann ein Angebotsschock folgen, denn dann läuft ein Abkommen zwischen Russland und der Opec aus, das die Produktion derzeit noch begrenzt. Der russische Ölminister Alexander Nowak sagte: "Ab dem 1. April sind weder wir noch die Opec oder ein anderes Land zu Förderkürzungen verpflichtet." Saudi-Arabien hat am Wochenende bereits angekündigt, die Förderung zu erhöhen.
Ölförderer trifft es hart
Diese Kombination von Nachfrageeinbruch und Angebotsschock gab es zuletzt in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Damals reduzierte die Weltwirtschaftskrise die Nachfrage und mit dem Ölfeld East Texas kam plötzlich viel schwarze Brühe zusätzlich auf den Markt. Das Resultat: Im Juli 1931 fiel der Ölpreis auf nur noch 13 US-Cent pro Barrel respektive 0,08 Cent pro Liter.
In jüngerer Vergangenheit ging es nicht ganz so weit herunter. 1998 kostete Öl zeitweise 9,55 US-Dollar und 2016 war das Barrel für 27,10 Dollar zu haben. Solche Preise sind nun erneut möglich, meint Roger Diwan von IHS Markit: "Wir werden wahrscheinlich die niedrigsten Ölpreise in den letzten 20 Jahren sehen."
Das wird für Ölförderländer und westliche Ölkonzerne teuer. Am härtesten wird es den Iran treffen. Das Land braucht einen Ölpreis von 125 Dollar, damit der Staatshaushalt ausgeglichen ist, wie der Internationale Währungsfonds ausgerechnet hat. In Saudi-Arabien liegt dieser Wert bei 85 Dollar und in Russland bei 42 Dollar.
Welche Auswirkungen der Preiskrieg auf die US-Frackingfirmen haben wird, ist schwieriger zu sagen. Schon 2016 hatte die Opec versucht, diese neuen Anbieter aus dem Markt zu drängen, und war damit gescheitert. Die Fracker wurden nur noch wettbewerbsfähiger.
Mittlerweile hat sich aber die Einstellung der Finanzmärkte zu den Frackern gewandelt. Firmen, die in den kommenden Monaten Kredite oder Anleihen zurückbezahlen müssen, werden daher Schwierigkeiten haben, diese zu refinanzieren.
Auswirkungen auf Energiemix unklar
Die Öl- und Gasindustrie hat mit elf Prozent von allen Branchen den höchsten Anteil am Markt für Anleihen geringer Bonität, sogenannter Junk Bonds. Davon hatte bereits am Freitag über die Hälfte eine Rendite, die mehr als zehn Prozentpunkte über der Rendite von US-Staatsanleihen lag. Ab diesem Wert gilt eine Anleihe als stark ausfallgefährdet.
Ein Konkurs bedeutet allerdings nicht, dass eine Ölfirma ihre Produktion einstellen muss. Kurzfristig erhält sie zumindest in den USA einfach Gläubigerschutz.
Daher lässt sich auch schwer abschätzen, welchen Einfluss der Ölpreiskollaps auf den künftigen Energiemix der Welt haben wird. Zum einen verleitet ein niedriger Ölpreis zu mehr Konsum und konterkariert in Deutschland den nun ab 2021 geltenden nationalen CO2-Preis.
Die größte Klimawirkung könnte daher der kurzfristige Nachfrageeinbruch wegen der Corona-Epidemie haben. Ein Barrel Öl entspricht 430 Kilogramm CO2. Derzeit ersparte der Coronavirus der Atmosphäre bisher also um die 1,6 Millionen Tonnen CO2 pro Tag. Das entspricht den täglichen Emissionen von Kanada.