Eine Hand beim Einfüllen von Kraftstoff mit einer Zapfpistole in den Tankstutzen eines Autos – ein erwarteter höherer Benzinpreis führte zu den Protesten der Gelbwesten
Tanken wird in Frankreich teurer. Die Steuer-Mehreinnahmen fließen auch in Klimaschutz. (Foto: Rudy und Peter Skitterians/​Pixabay)

Er hat die besseren Argumente. Doch das nützt ihm wenig. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron findet kaum noch Gehör. Der Volkszorn bricht sich Bahn. Bei landesweiten Protesten gegen eine Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin haben Hunderttausende von Demonstranten am Wochenende Straßen, Verkehrsknotenpunkte und Mautstellen blockiert.

Die Protestbewegung "Gelbe Warnwesten" entstand aus dem Nichts. Sie kam von unten. Sie hat keine Führungsfigur, hält sich fern von Gewerkschaften und Parteien, so sehr diese auch versuchen, aus der wachsenden Empörung Kapital zu schlagen. Die blutigen Zwischenfälle häufen sich. Eine Tote und mehr als 400 Verletzte sind zu beklagen.

Dabei hat der französische Präsident doch nur getan, was die Vernunft gebietet. Luftverschmutzung und Klimawandel haben ein derart bedrohliches Ausmaß erreicht, dass die Politik handeln, den Verbrauch fossiler Brennstoffe drosseln muss. Höhere Mineralölsteuern motivieren zum Umstieg auf emissionsärmere Verkehrsmittel. Mit den zu erwartenden Mehreinnahmen kann der Staat die Energiewende vorantreiben.

Die Ankündigung der Regierung, die Abwrackprämie für Besitzer alter Dieselautos aufzustocken, zeugt vom Willen, dies auch zu tun. Hinzu kommt, dass die von den "Gelben Warnwesten" angeprangerten hohen Treibstoffkosten weitgehend den stetig steigenden Rohölpreisen der vergangenen drei Jahre geschuldet sind. Vier Fünftel des Preisanstiegs sind dem Weltmarkt geschuldet, ein Fünftel der französischen Steuerpolitik.

Macron lässt beim Vorwärtsstürmen viele zurück

Wenn all dies in der kollektiven Empörung untergeht, Macron kein Gehör findet, dann deshalb, weil Teile des Volkes von ihm nichts mehr wissen wollen. Von Aufbruchstimmung beseelt, wollte der vorwärtsstürmende Reformer lange Zeit nicht wahrhaben, dass gerade auf dem Land viele Franzosen immer weiter zurückbleiben.

Wenn im Dorf kein Zug mehr hält, die letzte Arztpraxis schließt, der letzte Lebensmittelladen aufgibt, fällt es schwer, sich für digitalen Fortschritt oder langfristig zu erwartende Reformrenditen zu begeistern. Und die überwiegend aufs Auto angewiesene Landbevölkerung ist es auch, die unter dem Spritsteueraufschlag ganz besonders zu leiden haben wird. Sie vor allem hat am Wochenende protestiert. Dass sie sich von der Politik nicht nur vergessen, sondern nach geringschätzigen Äußerungen des Staatschefs auch noch verachtet fühlt, schürt den Zorn zusätzlich.

Der massive Widerstand, der bei Macrons ersten Reformen ausblieb, er scheint sich jetzt zu bilden. Und es ist nicht ersichtlich, wie der Präsident den Konflikt mit den laut Umfragen von drei Viertel der Bevölkerung unterstützten "Gelben Warnwesten" entschärfen könnte.

Macrons Steuerpläne

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, eine klimafreundlichere Politik betreiben zu wollen und deshalb den CO2-Preis stärker ansteigen zu lassen als von seinem Vorgänger geplant. Jetzt hat die Regierung die Besteuerung von Diesel und Benzin erhöht, konkret soll ab Januar Diesel mit zusätzlich 6,5 Cent pro Liter besteuert werden, Super-Benzin SP95 mit weiteren 2,9 Cent.

Hintergrund ist unter anderem der zum Jahreswechsel in Frankreich steigende CO2-Preis. Er erhöht sich von derzeit knapp 45 Euro auf 55 Euro pro Tonne.

In diesem Jahr hatte es auf Kraftstoffe bereits Steuererhöhungen gegeben, sodass in Frankreich der Steueranteil bei Kraftstoffpreisen inzwischen bei 60 Prozent liegt. Damit fällt Frankreich im europaweiten Vergleich nicht aus dem Rahmen: Die Kraftstoffpreise lagen im Oktober im Schnitt bei 1,52 Euro für den Liter Diesel und 1,56 Euro für Benzin.

Von den Steuereinnahmen durch die sogenannte interne Verbrauchssteuer auf Energieerzeugnisse (TICPE), die praktisch auf alle Ölbrennstoffe anfällt, sollen 19 Prozent für die Finanzierung der Energiewende verwendet werden. Der Rest fließt in die Staatskasse, an örtliche Behörden oder in Infrastrukturvorhaben.

Nimmt der Staatschef die Spritsteuererhöhung zurück, ist es um seine Glaubwürdigkeit geschehen. Als Erneuerer eines in verkrusteten Strukturen verhafteten Landes war er gewählt worden. Sein Markenzeichen war und ist es, dass er sich von seinen Amtsvorgängern absetzt, Frankreich unbeeindruckt vom Widerstand der Straße reformiert.

Gewiss, Macron könnte versuchen, den Benzinpreisschock sozialpolitisch abzufedern, einkommensschwache Haushalte mit Treibstoffzuschüssen zu beglücken. Das von der Spritsteuererhöhung ausgehende Signal, dass eine Abkehr von fossilen Brennstoffen ökologisch unumgänglich ist und sich finanziell zunehmend lohnen wird, wäre damit freilich in sein Gegenteil verkehrt.

Bleiben erhöhte Zuschüsse zum Umstieg auf umweltfreundliche Energien. Der Präsident hat diesen Weg beschritten. Überzeugt hat er damit nicht. Und es stimmt ja auch: Ob Rentner oder Mindestlohnempfänger – wer am unteren Ende der Einkommensskala rangiert, wird es sich auch mit staatlichen Zuschüssen nicht leisten können, den alten Dieselwagen gegen ein Elektroauto einzutauschen oder die Öl- gegen eine Gasheizung.

Gescheitert ist der einst als Jupiter gepriesene Präsident auch beim Versuch, aus dem Götterhimmel herabzusteigen, Volksnähe zu praktizieren. Eine Woche lang war er kürzlich durch die verarmte nordfranzösische Provinz gereist, hatte den Kontakt mit seinen Landsleuten gesucht. Doch die Demut kam offenbar zu spät. Laut einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage, ist Macron auf 25 Prozent Zustimmung abgestürzt. Auf ihn, auf Frankreich, kommen unruhige Zeiten zu.

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