Wie die Alu-Herstellung grün werden soll, ist noch ziemlich unklar – während das CO₂-Budget kleiner und kleiner wird. (Foto: Jarrett Tilford/​Pixabay)

Mit dem Ziel der Klimaneutralität muss die Industrie in den nächsten Jahrzehnten Treibhausgasemissionen weitgehend verhindern, und, wo das nicht möglich ist, ausgleichen. Eine Branche, in der die komplette Vermeidung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen eine besondere Herausforderung darstellt, ist die Aluminiumindustrie.

In Aluminiumhütten wird Aluminiumoxid in einem Verfahren verarbeitet, das Hall-Héroult-Prozess heißt. Hierbei wird das Aluminiumoxid zunächst in einer Chemikalie namens Kryolith aufgelöst und anschließend unter Einsatz hoher Stromstärken aufgespalten. Das Verfahren wird Schmelzflusselektrolyse genannt.

Hierfür wird viel Strom benötigt. Für die Klimabilanz ist daher zunächst entscheidend, wo der Strom herkommt. Laut Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA ist die Stromerzeugung für etwa 70 Prozent der Emissionen der Aluminiumindustrie verantwortlich.

Weltweit gibt es eine Entwicklung, die aus Sicht des Klimaschutzes Sorgen bereitet: Während früher Aluminium häufig in Regionen mit großen Mengen an Wasserkraft produziert wurde, gab es in den letzten Jahren eine Entwicklung hin zu mehr Kohlestrom. Laut IEA fanden im Jahr 2010 noch 40 Prozent der Aluminiumproduktion mit Wasserkraft statt, 2020 waren es noch 26 Prozent.

Dagegen stieg im selben Zeitraum der Anteil an Kohle von 53 auf 59 Prozent. Hinzu kommt: Die Gesamtmenge an Aluminium, die produziert wird, stieg ebenfalls. Für den Trend zur Kohle sind vor allem neue Aluminiumhütten in China verantwortlich. Auf das ostasiatische Land entfällt heute gut die Hälfte der Weltproduktion.

Durch einen Umbau der Stromerzeugung hin zu erneuerbaren Energien könnte ein Großteil der Emissionen der Aluminiumindustrie vermieden werden. Allerdings gibt es weitere Emissionen, die aus dem chemischen Prozess selbst stammen.

Inerte Anoden können Emissionen senken – oder erhöhen

In Aluminiumhütten werden Anoden eingesetzt, die aus Kohlenstoff bestehen. Genutzt wird hierfür üblicherweise Petrolkoks, der in Ölraffinerien als Nebenprodukt entsteht. Diese Kohlenstoff-Anoden werden im Hall-Héroult-Prozess verbraucht und zu Kohlendioxid umgewandelt. Pro Tonne Aluminium entstehen etwa 1,5 Tonnen CO2.

Doch das ist nicht das einzige Problem. Die Kohlenstoff-Anoden reagieren teilweise mit der Kryolith-Lösung, dabei entstehen die Chemikalien Tetrafluormethan und Hexafluorethan. Beide sind stark wirksame Treibhausgase: Auf 100 Jahre gerechnet ist Tetrafluormethan 7.000-mal so schädlich wie CO2, Hexafluorethan 12.000-mal.

Die Emissionen dieser Gase, die Perfluorcarbone (PFC) heißen, wurden in den letzten Jahren deutlich reduziert. Doch ganz vermeiden lassen sie sich bislang nicht. Viele in der Aluminiumindustrie hoffen, durch alternative Anodenmaterialien sowohl Kohlendioxid- als auch PFC-Emissionen zu vermeiden. Doch das ist nicht einfach.

Würden für die Anoden statt Kohlenstoff Materialien verwendet, die im Prozess nicht reagieren und somit nicht verbraucht werden, könnten Emissionen verhindert werden. Man spricht dann von inerten Anoden. Gemeint ist, dass diese während des Produktionsprozesses chemisch nicht mit anderen Substanzen reagieren. Es würden sowohl CO2- als auch PFC-Emissionen vermieden.

Daneben haben die inerten Anoden für Aluminiumproduzenten einen weiteren Vorteil. Sie müssten nur einmal hergestellt werden und wären dann über längere Zeiträume einsetzbar. Kohlenstoff-Anoden hingegen müssen regelmäßig ersetzt werden, da sie sich verbrauchen.

Zahlreiche alternative Anodenmaterialien wurden in der Vergangenheit bereits getestet, bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Die Technologie der inerten Anoden hat inzwischen den Ruf, immer vermeintlich kurz vor der Fertigstellung zu stehen – am Ende klappt es dann doch nicht.

Oft angekündigt, bisher kaum im Einsatz

Das US-Unternehmen Alcoa, einer der größten Aluminiumhersteller weltweit, hatte Anfang des Jahrtausends bereits angekündigt, innerhalb weniger Jahre inerte Anoden einsetzen zu wollen. In einem alten Geschäftsbericht ist zu lesen, dass der damalige Alcoa-Chef Alain Belda im Januar 2001 bereits für den folgenden März die erste kommerzielle Aluminiumproduktion mit inerten Anoden avisierte.

Passiert ist das nicht. Einige Jahre später gab Alcoa das Projekt zunächst auf. Seit ein paar Jahren arbeitet man aber erneut an der Technologie. Im Forschungsprojekt "Elysis" in Kanada wollen Alcoa und der Bergbaukonzern Rio Tinto die Technologie testen. Das Projekt erhält großzügige Fördergelder von der kanadischen Regierung.

Eine erste Lieferung von Aluminium aus einer kleinen Pilotanlage gab es bereits. Die hat Apple gekauft, um sie in seinen Smartphones zu verbauen.

Inerte Anoden würden also die Prozessemissionen der Aluminiumproduktion senken. Doch ein Nebeneffekt muss berücksichtigt werden: In der klassischen Aluminiumproduktion mit Kohlenstoff-Anoden sind diese nicht nur chemische Hilfsmittel, sie setzen im Prozess auch Energie frei – und das vergleichsweise effizient. Das heißt, dass ein Prozess mit inerten Anoden mehr Strom benötigen wird als der klassische Hall-Héroult-Prozess.

Asbjørn Solheim, Wissenschaftler am norwegischen Forschungsinstitut Sintef, hat in einem Beitrag für die wissenschaftliche Fachzeitschrift Light Metals ausgerechnet, was das bedeutet. In einem Blogpost auf der Sintef-Website hat Solheim seine Kritik an inerten Anoden ebenfalls erläutert.

Im Gespräch sagt Solheim: "Wenn man eine erneuerbare Energiequelle hat, dann kann man inerte Anoden nutzen, dann hilft es. Aber wenn man Energie aus Kohle verwendet, hat man am Ende mehr Emissionen als mit Kohlenstoff-Anoden." Angesichts der Tatsache, dass zuletzt die Aluminiumproduktion aus Kohlekraft eher zu- als abgenommen hat, erscheint das als ein durchaus ernstzunehmendes Problem.

Verfahren mit geschlossenem Kohlenstoffkreislauf

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, Aluminium zu produzieren. Über den Zwischenschritt einer Chlorverbindung wird dabei ein ganz anderer Weg eingeschlagen. Dieser Prozess wurde von Alcoa in den 1960er Jahren entwickelt und zeitweise eingesetzt, konnte sich aber letztlich nicht durchsetzen.

Man lässt Aluminiumoxid zunächst mit Chlor und Kohlenstoff reagieren, es entsteht Aluminiumchlorid und CO2. Das Aluminiumchlorid wird anschließend in einer Elektrolysereaktion gespalten. Hier kommen zwar auch Kohlenstoff-Anoden zum Einsatz, doch anders als beim Hall-Héroult-Prozess werden diese nicht verbraucht.

Auch in dem Prozess entstehen im ersten Schritt CO2-Emissionen, die ähnlich hoch sind wie beim Hall-Héroult-Prozess. Für das Klima ergibt sich also zunächst kein Vorteil. Allerdings plant das norwegische Unternehmen Norsk Hydro, das Ganze so zu modifizieren, dass sich solche Prozessemissionen vermeiden lassen.

Statt Kohlenstoff kommt beim "Halzero"-Projekt von Norsk Hydro das Gas Kohlenmonoxid zum Einsatz. Das beim Prozess entstehende Kohlendioxid wird abgefangen und unter Einsatz elektrischer Energie wieder in Kohlenmonoxid umgewandelt. Das Ganze soll laut Hydro in einem geschlossenen Kreislauf stattfinden: Es entsteht zwar das Treibhausgas Kohlendioxid, dieses entweicht jedoch nicht, sondern wird direkt weiterverwendet.

Das klingt vielversprechend, ist aber noch in einem frühen Entwicklungsstadium. In einem Schreiben des Hydro-Konzerns heißt es: "Um das Halzero-Verfahren zur Industrialisierung zu entwickeln, ist noch erhebliche Forschungsarbeit erforderlich. Die Komponenten der Halzero-Technologie befinden sich auf unterschiedlichen technologischen Reifegraden, und es besteht immer noch ein erhebliches Risiko im Zusammenhang mit dem gesamten Prozesssystem."

Bis zum Jahr 2030 hofft Norsk Hydro, eine Pilotanlage der Chlor-basierten Aluminiumproduktion betreiben zu können.

Geringe CO2-Konzentration erschwert CCS

Es gibt verschiedene Ansätze, den klassischen Hall-Héroult-Prozess zu ersetzen. Noch sind aber die Unsicherheiten groß, ob und wann sie verfügbar sein werden. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die CO2-Emissionen abzufangen und unterirdisch einzulagern, also mit Carbon Capture and Storage (CCS) zu arbeiten.

Asbjørn Solheim vom norwegischen Sintef-Institut hält das für vielversprechender als inerte Anoden. Allerdings ist die CO2-Abscheidung für die Aluminiumindustrie besonders schwierig umzusetzen, denn die Abgase der Aluminiumzellen enthalten nur etwa ein Prozent Kohlendioxid.

"Ein Prozent ist eine zu niedrige Konzentration", sagt Solheim im Gespräch. "Eine Möglichkeit ist, das Abgas zu recyceln, damit kann man die Konzentration auf vielleicht vier Prozent erhöhen." Heißt: Man würde statt Frischluft den Abgasstrom aus den Aluminiumzellen zurückführen. Das könnte auch Energie sparen, da die im Abgas enthaltene Wärme wieder dem Prozess zugeführt wird.

Doch all das ist bislang Theorie, es gibt weltweit keine Aluminiumproduktionsanlage, die CCS einsetzt. Der Konzern Norsk Hydro, der auch an dem erwähnten Chlor-basierten Verfahren arbeitet, hat angekündigt, die Aluminiumproduktion mit CCS zu testen, und hofft, auch bestehende Aluminiumzellen umrüsten zu können. Bis 2030 soll eine Pilotanlage entstehen.

Insgesamt scheinen die inerten Anoden in der Industrie als die vielversprechendste Option gesehen zu werden. Während mit Norsk Hydro nur ein einziger großer Aluminiumkonzern konkrete Planungen mit einem Chlor-basierten Verfahren verfolgt, hat eine Reihe von Unternehmen Projekte mit inerten Anoden geplant. Das Essener Unternehmen Trimet, das mehrere Aluminiumhütten in Deutschland betreibt, plant ebenfalls mit inerten Anoden.

Auch Alu-Raffinerien und -Gießereien emittieren CO2

Daneben gibt es weitere Prozessschritte in der Aluminiumproduktion, die von fossilen Rohstoffen wegkommen müssen.

Bevor Aluminiumoxid verarbeitet werden kann, muss es zunächst aus Bauxit gewonnen werden. Das Aluminiumerz Bauxit ist ein natürlich vorkommendes Gemisch an Materialien, das außer Aluminiumoxid auch Eisenverbindungen und andere Stoffe enthält.

Daraus wird das Aluminiumoxid extrahiert. Das geschieht im sogenannten Bayer-Verfahren in Aluminiumraffinerien. Die meisten derartigen Anlagen befinden sich in Aluminiumabbaugebieten, beispielsweise in China und Australien. In Deutschland gibt es nur eine einzige Aluminiumraffinerie, die Aluminium Oxid Stade GmbH (AOS).

Der Bayer-Prozess benötigt vor allem Wärmeenergie, die üblicherweise durch fossiles Erdgas bereitgestellt wird. Um Emissionen zu vermeiden, müssten diese Prozesse elektrifiziert werden, doch auch hier ist die Entwicklung noch in einem frühen Stadium.

In Australien hat die dortige Agentur für erneuerbare Energien zwei Pilotprojekte des Aluminiumkonzerns Alcoa finanziert, um Technologien zu testen, die effizienter sind und deren Energie elektrisch bereitgestellt wird. Die Firma AOS hat eine Anfrage, ob es dort Pläne für eine Abkehr von den fossilen Rohstoffen gibt, nicht beantwortet.

Ein weiterer Prozessschritt, bei dem in der Aluminiumproduktion Kohlendioxid entsteht, sind Gießereien. Fertig produziertes Aluminium muss in passende Formen gegeben werden. Auch beim Recycling ist ein Einschmelzen des Metalls nötig. Geschmolzen wird heute ebenfalls in aller Regel mit Erdgas, auch hier ist langfristig eine Umstellung auf Strom oder andere erneuerbare Energiequellen nötig.

Das Recyclingpotenzial ist begrenzt

Hunderte gebrauchter Kaffeekapseln auf einem Recyclinghof.
Kaffeekapseln aus Aluminium: Wie sinnvoll der energieintensive Rohstoff eingesetzt wird, steht noch auf einem anderen Blatt. (Foto: Adrian Michael/​Wikimedia Commons)

Eine Möglichkeit bleibt, bei der weder der Bayer- noch der Hall-Héroult-Prozess benötigt wird: Das Recycling von bereits in Umlauf befindlichem Aluminium braucht deutlich weniger Energie. Doch auch hier werden die Schmelzen heute noch häufig mit fossilem Gas betrieben und müssen mittelfristig elektrifiziert werden.

Die Produktion aus recyceltem Aluminium ist kostengünstiger als die Primäraluminiumproduktion. Entsprechend wird schon viel Aluminium recycelt, da die Firmen einen Anreiz haben zu sparen. Das Potenzial, die Produktion aus Sekundäraluminium zu erhöhen, ist deshalb begrenzt.

An der Entwicklung von Verfahren, die Emissionen sowohl im Bayer- als auch im Hall-Héroult-Prozess verhindern, führt kein Weg vorbei. Der erste Schritt ist der Einsatz von grünem Strom, womit bereits ein Großteil der Emissionen verhindert werden kann. Doch auch für den Rest braucht es Lösungen.

Die Technologien dafür sind noch in einem frühen Entwicklungsstadium. Wann sie in großem Maßstab industriell eingesetzt werden können, ist bislang völlig unklar.

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