Börsianer setzen heute gerne auf Rüstung – getragen von dem durch keine Schuldenbremse mehr ausgebremsten kreditfinanzierten Sondervermögen, das noch der "alte" Bundestag beschlossen hat. Dadurch scheint geradezu ein Panzer-Hype ausgebrochen zu sein.
Finanzanalysten erwarten im Gegenzug ein Ende der Öko-Hochphase. Jahrelang haben Produkte, vor allem Investmentfonds, die auf Nachhaltigkeit setzten, geboomt.
Umfragen, Meinungsäußerungen von Experten und Gespräche des Autors legen allerdings nahe, dass Sparer vor allem enttäuscht sind von der zweifelhaften Qualität vieler ESG-Anlagen. ESG steht für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung.
Die Enttäuschung folgt diversen Greenwashing-Skandalen – international und in Deutschland. So hat die Finanzaufsicht Bafin laut Medienberichten nach Hinweisen eines Mitarbeiters im Dezember eine Sonderprüfung in der Deutsche-Bank-Gesellschaft DWS aufgenommen.
Die trübselige Stimmung heben wird die neueste Finanzrecherche auch nicht. Sie deckt verbreitetes Greenwashing in europäischen ESG-Fonds auf, in sogenannten Artikel‑8- und ‑9‑Fonds. Betroffen sind auch deutsche Anbieter wie Allianz und DWS, aber auch die Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe Union Investment oder das Wertpapierhaus der Sparkassen Deka.
Belastbare Kriterien verschrecken Emittenten
Die ESG-Lage insgesamt ist verzwickt. Zum einen haben sich viele Banken und Investmentgesellschaften nach anfänglicher Begeisterung aus den besonders nachhaltigen Artikel‑9-Fonds verabschiedet – aus Sorge vor juristischen Scharmützeln und damit verbundenen Imageverlusten, da für diese "dunkelgrünen" Fonds besonders scharfe Kriterien gelten.
Diese Kriterien hatte die EU im Jahr 2021 mit ihrer Offenlegungsverordnung angespitzt. Das Aus für Artikel‑9-Fonds hat den ganzen Öko-Finanzmarkt weniger grün gemacht – jedenfalls .
Wie eine Untersuchung der unabhängigen Organisationen Urgewald aus Münster und Facing Finance in Berlin nun zeigt, ist die Öko-Sache noch an anderer Stelle verzwickt. Eine neue, kaum ein Jahr alte Leitlinie der europäischen Wertpapieraufsicht Esma in Paris soll eigentlich ab Mai für Klarheit sorgen.
Das Vorhaben zielt an sich in die richtige Richtung, soll es doch den Ausstieg aus fossilen Unternehmungen erzwingen. Allein auf die sechs größten Öl- und Gasmultis Total, Shell, Exxon, Chevron, Eni und BP entfallen Investitionen "grüner" Fonds in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro.
Die Crux: Erfasst werden von der Leitlinie nur Fonds, die Begriffe wie "nachhaltig" oder "sozial" im Namen führen. Zwei Drittel der rund 14.300 von Urgewald und Facing Finance untersuchten Artikel‑8- und ‑9‑Fonds werden von dem neuen Regelwerk gar nicht erfasst – weil in ihren Namen keine ESG- oder nachhaltigkeitsbezogenen Begriffe verwendet werden.
Fonds, die von der Esma-Leitlinie erfasst werden, müssen die meisten oder alle ihrer fossilen Investments nun verkaufen oder aber im Mai ihren Namen wechseln. Für die anderen Fonds ändert sich nichts.
Insgesamt sind laut der Finanzrecherche von Urgewald und Co über 120 Milliarden Euro in Unternehmen angelegt, die fossile Expansionsprojekte vorantreiben oder aber keinen glaubhaften und Paris-konformen Ausstiegsplan aus Kohle, Öl und Erdgas vorgelegt haben.
Schlechte Noten, aber auch Chancen
Leserinnen und Leser dieser Klimareporter°-Serie dürfte es kaum überraschen: Namen sind nun einmal Schall und Rauch in der Grüngeld-Szene. Doch schlummern in der zunächst niederschmetternden Finanzrecherche der Nichtregierungsorganisationen auch Chancen.
Zum analysierten Stichtag investierten rund zwei Drittel aller untersuchten ESG-Fonds nämlich nicht in fossile Unternehmen ohne Paris-Ziel. Für Kritiker, Sparer und Investoren heißt es also genau hinzuschauen – nicht auf Benotungen, Titel und "grüne" Namen, sondern auf Inhalte.
Wie bei allen Geldanlagen ist für eine nachhaltige Entscheidung Arbeit notwendig. Eine erste grobe Orientierung erlauben unabhängige Informationsdienste wie Finanztip und die Stiftung Warentest.
Die Berliner Warentester haben über tausend mehr oder weniger grüne Fonds unter die Lupe genommen. Dieser Test kann online für knappe fünf Euro freigeschaltet werden. Entsprechende Informationen und gegebenenfalls sogar eine persönliche Beratung bieten die Verbraucherzentralen an.
Für die engere Auswahl empfiehlt der Autor dann einen Blick in den "Prospekt" der Wahl. In Deutschland dürfen Fondsanteile, Wertpapiere und Vermögensanlagen nicht ohne einen von der Finanzaufsicht Bafin gebilligten Wertpapierprospekt verkauft werden. Für Angebote mit einem geringen Emissionsvolumen – bis zu acht Millionen Euro – genügt ein kürzeres Dokument.
Die Bafin überwacht freilich weder die Seriosität des Emittenten noch kontrolliert sie das Anlageprodukt. Auch die inhaltliche Richtigkeit wird nicht überprüft. Grundsätzlich bietet der Prospekt aber alle erforderlichen Informationen, die für Anleger und Sparer wesentlich sind, um sich ein Urteil zu bilden. Auch darüber, ob Hersteller von Panzern und anderen Rüstungsgütern im Fonds versteckt sein könnten.