Zur Bewältigung der Coronakrise hat die EU-Kommission bereits am 23. April Hilfsprogramme über 540 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Klimaschutz und ökologische Kriterien spielten dabei keine Rolle, die Hilfen waren als kurzfristige Sofortreaktion gedacht.
Bei dem längerfristig angelegten "Recovery Plan", der damals beschlossen wurde, soll das völlig anders sein. Sehr viel Green Deal werde in dem Paket stecken, hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehrfach angekündigt.
Heute nun hat sie ihre Vorschläge vorgestellt und dabei nicht mit großen Worten gespart. "Dies ist der Moment Europas", sagte von der Leyen bei der Aussprache im EU-Parlament. "Ich will einen kühnen Schritt gehen." Die Erfahrung zeige, dass die kühnsten Maßnahmen auch die sichersten seien.
Das Aufbaupaket solle "den Binnenmarkt wiederherstellen" und zugleich "einen großen Schritt hin zu einer Union der Nachhaltigkeit" darstellen, sagte sie, also Wirtschaft und Klimaschutz gleichermaßen nützen. Dafür wolle sie "einen neuen Generationenpakt". Das Paket, das den Green Deal "verstärken" soll, trägt denn auch den Namen "Next Generation EU".
Auf insgesamt 1,85 Billionen Euro bezifferte von der Leyen das Volumen von "Next Generation EU". Dazu zählt sie den EU-Etat in Höhe von 1,1 Billionen (der gerade ausgehandelt wird) sowie 750 Milliarden Euro, die zusätzlich von der EU am Kapitalmarkt aufgenommen werden sollen. Zwei Drittel davon, also 500 Milliarden Euro, sollen als nicht rückzahlbare Zuschüsse fließen, der Rest als Kredit.
"Die Krise ist gewaltig", rief von der Leyen den Abgeordneten zu. Aber die Chance, die sich nun auftue, sei es auch. "Dies ist ein definierender Moment in unserer Geschichte." Es gehe jetzt darum, gemeinsam "voranzuschreiten".
In einem geleakten Entwurf der Vorschläge war zuvor bekannt geworden, dass die Schwerpunkte des Aufbaupakets auf Investitionen in Gebäudesanierung, erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff sowie in saubere Mobilität und die Kreislaufwirtschaft liegen sollen.
Viele der Vorschläge seien im Konjunktiv gehalten, sodass gar nicht klar sei, was zum Schluss herauskommt, kritisierten EU-Abgeordnete. Die Kommission wolle sich offenbar Spielräume für die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten schaffen.
Diese Verhandlungen werden am 18. und 19. Juni stattfinden und stellen die eigentliche Herausforderung dar, da etliche Staats- und Regierungschefs ganz andere Vorstellungen darüber haben, wie die "nächste Generation" aussehen soll.
Das Konfliktpotenzial ist enorm und reicht von dem bereits schwelenden Streit, ob Gelder tatsächlich als Zuschuss ausgezahlt werden sollen, bis zu der Frage, was als sinnvolle Zukunftsinvestition gelten soll. Wie grün das Paket am Ende ausfallen wird, ist offen.
Eine Einigung mit dem EU-Parlament könnte im September folgen. Auch hier tun sich Konflikte auf. "Die Kommission verliert ihren Fokus auf den Klimaschutz", fürchtet der Abgeordnete Michael Bloss von den Grünen. Bislang seien keine "wirksamen Klimabedingungen" formuliert. Konservative Parlamentarier mahnten hingegen, der Schutz von Unternehmen und Arbeitsplätzen müsse im Zentrum stehen.
"Nicht gleichzeitig klimaschädliche Branchen unterstützen"
Auch Umweltorganisationen äußerten Bedenken. Das Aufbaupaket bekräftige zwar die Absicht von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft zu erreichen, hieß es beim WWF Deutschland. "Aber es fehlen noch viele Schlüsselelemente." Die aktuellen Vorschläge seien noch keine Garantie dafür, dass nicht auch umwelt- und klimaschädliche Aktivitäten gefördert werden.
Die Vorschläge seien "ein Schritt in die richtige Richtung", sagte BUND-Chef Olaf Bandt, der zugleich aber die "Zaghaftigkeit der Maßnahmen" kritisierte. Die geplanten grünen Investitionen drohten zu verpuffen, "wenn gleichzeitig klimaschädliche Unternehmen und Branchen wie Fluggesellschaften und Automobilkonzerne mit Milliarden unterstützt werden".
Als "wegweisend" lobte hingegen Audrey Mathieu von Germanwatch das Recovery-Paket der EU-Kommission. "Wenn die EU diese Vorschläge umsetzt, kann die Coronakrise zur Chance für die Bewältigung der Klimakrise und die Stärkung der Solidarität in Europa werden."
Wie das bevorstehende Tauziehen um den richtigen Weg zur Bewältigung der Coronakrise ausgehen wird, hängt nicht zuletzt auch von Deutschland ab, das zum 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
Am heutigen Vormittag stellte die Bundesregierung dem Präsidenten und den Fraktionsvorsitzenden des EU-Parlaments ihre Agenda dafür vor. Im Mittelpunkt soll die Bewältigung der Coronakrise stehen. Auch Klimaschutz wird als ein Schwerpunkt genannt.
Erstmals wird es dabei zugleich eine neue "Trio-Präsidentschaft" geben, die Deutschland gemeinsam mit Portugal und Slowenien bildet, die im kommenden Jahr den Vorsitz übernehmen werden. Das 23-seitige Programm des Trios erwähnt das einschlägige Stichwort "Green Transition" allerdings nur zweimal.
Analyse: Wie grün ist der grüne Aufbauplan?