Wärmebild eines ungedämmten und eines daneben stehenden gedämmten Hauses.
Die Sanierungsrate will die EU verdoppeln. Die Technologien sind vorhanden. (Foto: Passivhaus Institut/​Wikimedia Commons)

Seit Beginn der Coronakrise haben die EU-Länder bereits sehr viel Geld mobilisiert, um ihre Volkswirtschaften zu stützen, die Hälfte davon allein Deutschland. Dabei ging es um Soforthilfe, nicht um Klimaschutz.

Doch wenn Europa in 30 Jahren klimaneutral sein soll, braucht es auch grüne Investitionen im großen Stil, um den geplanten nachhaltigen Umbau zu beschleunigen. Derzeit liegt der CO2-Ausstoß der EU noch bei gut vier Milliarden Tonnen jährlich.

Der grüne Wiederaufbauplan, den die EU-Kommission am Mittwoch vorgestellt hat, soll nun genau dies leisten: den Übergang zur Klimaneutralität unterstützen. 750 Milliarden Euro ist das Paket schwer und soll Wirtschaft und Klima gleichermaßen helfen.

Der Plan zielt vor allem auf vier Bereiche, in denen dringender Handlungsbedarf besteht:

Gebäude: Eine "massive Renovierungswelle" will die EU-Kommission in Gang setzen. Mindestens doppelt so viele Gebäude wie derzeit sollen energetisch saniert werden. Ein geleakter Entwurf aus der vergangenen Woche, der detailliertere Vorschläge enthält, nannte als Ziel noch eine Verdreifachung. Vorgesehen sind demnach 91 Milliarden Euro im Jahr für die Förderung von Solardächern, Wärmedämmung und erneuerbaren Heizungssystemen.

Erneuerbare Energien: In den nächsten zwei Jahren will die EU 25.000 Megawatt Wind- und Solarenergie ausschreiben. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll weitere Projekte mit zehn Milliarden Euro fördern. Ein Schwerpunkt soll die "Ankurbelung einer sauberen Wasserstoffwirtschaft" sein.

Verkehr: Eine Million Ladestationen für Elektrofahrzeuge sollen installiert werden. In dem geleakten Entwurf war noch von zwei Millionen die Rede. Auch 40 bis 60 Milliarden Euro für Null-Emissions-Züge sowie 20 Milliarden für eine Art Kaufprämie für "saubere" Fahrzeuge werden darin genannt.

Strukturwandel: Der Fonds für einen gerechten Übergang, der besonders betroffenen Regionen bei der Transformation helfen soll, wird deutlich aufgestockt – auf 40 Milliarden Euro. Bislang war der "Just Transition Fund" nur 7,5 Milliarden schwer.

Aufgestockt werden sollen auch die Mittel für den Landwirtschaftsfonds zur Entwicklung des ländlichen Raums (um 15 Milliarden), für den Meeres- und Fischereifonds (500 Millionen) sowie für die EU-Agrarpolitik (um vier Milliarden).

"Leuchtturm" und "Papiertiger"

Letzteres hält die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch für die "größte Schwachstelle" des Plans. "Damit setzt die EU weiter die falschen Schwerpunkte", heißt es in einer Stellungnahme. Viele Milliarden würden damit weiterhin an Großbetriebe fließen, "bislang ohne wirksame Umwelt- und Tierschutzauflagen".

Insgesamt rechnet die EU-Kommission mit fast einer Million neuer grüner Jobs durch das Paket. Allein die ebenfalls geplante Stärkung der Kreislaufwirtschaft soll bis 2030 mindestens 700.000 neue Arbeitsplätze schaffen und Europas Wirtschaft unabhängiger und krisenfester machen.

Fachleute sehen in dem vorgeschlagenen Wiederaufbauplan einen guten ersten Schritt in die richtige Richtung. Allerdings gibt es viele Fragezeichen.

Der Plan braucht die Zustimmung der EU-Länder und des Europaparlaments und könnte dabei einiges an Federn lassen. Das am Mittwoch vorgelegte Papier enthält jedenfalls schon Abschwächungen gegenüber dem zuvor geleakten Entwurf und bahnt mit betont allgemein gehaltenen Formulierungen bereits Kompromisse an.

Entscheidend wird sein, in welche Projekte genau die Fördermittel fließen. Nützt das Geld tatsächlich dem Klima?

Um dies sicherzustellen, will die EU die sogenannte Taxonomie anwenden. Dabei werden Kriterien für nachhaltige Investitionen festgelegt. Doch auch hier gibt es ein Aber.

Die Taxonomie ist zwar bereits beschlossen, jedoch noch nicht rechtlich umgesetzt. Sie schließt, als Mindeststandards, die Förderung von fossilen Energien und Atomkraft aus.

"Die Taxonomie ist ein Leuchtturm", sagt Kristina Jeromin, stellvertretende Vorsitzende des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung. "Aber die Umsetzung ist noch ungeklärt." Bislang sei das Instrument deshalb nur ein relativ schwacher Papiertiger.

Es bleibt bei 25 Prozent des Haushalts fürs Klima

Genauso im Schwebezustand befindet sich nach wie vor der Green Deal, der durch das neue Paket "verstärkt" werden soll. "Der European Green Deal ist eine große Chance und kann zum Impulsgeber werden", sagt Christian Calliess vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. "Die umfangreiche Agenda des Green Deal ist aber noch nicht ausbuchstabiert."

Der Green Deal ist bislang nur ein Vorschlag der Kommission und braucht ebenfalls noch die Zustimmung der EU-Länder.

Und: Auch mit dem neuen Wiederaufbauplan wird die EU unterm Strich nicht mehr Geld für Klimaschutz ausgeben als zuvor geplant. Es bleibt bei den bisherigen 25 Prozent des Gesamtbudgets.

Ob dies ausreicht, um den "kühnen Schritt nach vorn" zu schaffen, von dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch sprach, steht dahin.

Um das Paket zu finanzieren, will von der Leyen auch neue Einnahmequellen vorschlagen. Die Ausweitung des Emissionshandels auf den See- und Luftverkehr könnte jährlich zehn Milliarden Euro bringen, eine Grenzsteuer auf CO2-intensive Importwaren fünf bis 14 Milliarden. Auch eine Digitalsteuer gehört zu den Vorschlägen (bis zu 1,3 Milliarden).

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