Satellitenaufnahme vom August 2021: Brände in Jakutien
Satellitenaufnahme vom August: In Jakutien brannten die Feuer dieses Jahr ungewöhnlich lange und heftig. (Foto: NASA)

Erst Anfang Oktober erloschen die Feuer. Am 1. Oktober meldete die Region Jakutien im nordöstlichen Sibirien kein einziges Wildfeuer mehr, berichtet die Siberian Times in einem Kurznachrichtendienst. Zuvor brannte es wochenlang in der größten und kältesten Teilregion der Russischen Föderation, die seit 1992 Republik Sacha heißt. Allein hier wurden über acht Millionen Hektar Wald von Bränden vernichtet.

In ganz Russland sind diesen Sommer 18,2 Millionen Hektar Wald den Flammen zum Opfer gefallen. Das hat der russische Zweig der Umweltorganisation Greenpeace anhand von Daten der Forstbehörden ermittelt. Seit Russland 2001 mit der Überwachung von Waldbränden durch Satelliten begonnen hat, wurde noch nie so viel Wald durch Brände vernichtet – auch nicht im Rekordjahr 2012, als die Brände 18,1 Millionen Hektar Wald auffraßen.

Zumindest in Jakutien sind Flächenbrände im Sommer weder selten noch ungewöhnlich. Die Region gilt als eine der brandgefährdetsten Regionen Russlands. Weil Jakutien fast neunmal so groß wie Deutschland ist, werden die Brände meist sich selbst überlassen, solange sie keine Siedlungen oder Menschenleben bedrohen.

In den vergangenen Jahren wurden die Feuer allerdings immer größer. In diesem Sommer waren die Feuer in Sibirien umfangreicher als die Feuer in Griechenland, Italien, Kanada, der Türkei und der USA zusammen. Mehrere tausend Menschen versuchten die Brände in Jakutien zu bekämpfen.

Zudem wurden Wolken vom Flugzeug aus mit einem chemischen Cocktail aus wetterveränderndem Silberjodid, flüssigem Stickstoff und Trockeneis besprüht. Die Technologie, die zu Sowjetzeiten entwickelt wurde, soll Regen auslösen. Doch erst gegen Ende des Sommers hörten die Feuer endlich auf.

Die Folgen der großflächigen Brände waren auch andernorts spürbar. Erstmals zog der Rauch aus Jakutien bis zum Nordpol. Im Süden drifteten die Rauchschwaden bis zum 2.000 Kilometer entfernten Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei.

Es brennt häufiger, länger und stärker

Die Brände in Sibirien haben riesige Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre gepumpt. Zwischen Juni und August dieses Jahres – innerhalb von nur drei Monaten – setzten die Feuer landesweit etwa 970 Millionen Tonnen CO2 frei, so viel wie nie zuvor.

"Vergleicht man die 970 Millionen Tonnen Kohlendioxid vor allem aus sibirischen Waldgebieten mit den Emissionen in Deutschland aus der Nutzung fossiler Brennstoffe, dann haben die Waldbrände in Sibirien etwas mehr beigetragen als alle unsere Aktivitäten bei der Nutzung fossiler Brennstoffe", sagt der Klimaforscher Hartmut Graßl. 2019 hat Deutschland, sechstgrößter CO2-Emittent der Welt, mit seiner Volkswirtschaft 810 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen.

Die Gesamtemissionen der sibirischen Feuer zwischen Juni und August waren damit doppelt so hoch wie noch 2020. Das hat der Copernicus Atmosphere Monitoring Service (Cams), eines der Erdbeobachtungsprogramme der EU, mitgeteilt.

Die überaus hohen Emissionen kommen zustande, weil einerseits eine ungewöhnlich große Fläche von Bränden betroffen war und es andererseits besonders lange und intensiv brannte. Auch hat sich die Feuersaison ausgedehnt.

"Außergewöhnlich waren die große Zahl der verschiedenen Brände, ihre Größe sowie die anhaltend hohe Intensität", sagte Mark Parrington, leitender Cams-Forscher und Waldbrandexperte. "Zum Beispiel brannten in Jakutien die Feuer seit Juni und ließen erst Ende August langsam nach, und wir beobachteten auch noch Anfang September einzelne Brände in der Region."

Der überwiegende Teil der Emissionen wurde vor allem in Jakutien und im östlich angrenzenden Autonomen Kreis der Tschuktschen freigesetzt. 806 Millionen Tonnen CO2 verursachten die Feuer dort. Auch der im Südwesten an Sacha grenzende Bezirk Irkutsk war von Feuern betroffen.

Mehr Brände heißt nicht automatisch mehr CO2

Aus Sicht des EU-Erdbeobachtungsdienstes hängen die gestiegenen Brandaktivitäten mit höheren Temperaturen und geringerer Bodenfeuchtigkeit in der Region zusammen. Seit dem späten Frühjahr dieses Jahres lagen die Temperaturen in der Republik Sacha weit über dem Durchschnitt. Ab Juni erreichte die Hitze stets überdurchschnittlich hohe Werte und ging erst im September langsam zurück.

Die Bodenfeuchtigkeit war in den Monaten vor und während der Hauptbrandaktivitäten durchweg niedriger als im Durchschnitt. Schon im vergangenen Jahr fielen die Waldbrände in Sibirien meist mit überdurchschnittlich trockenen Böden zusammen, sodass die darauf wachsende Vegetation anfälliger für die Feuer war als in feuchteren Umgebungen.

Der Klimawandel befeuert die Entwicklung noch: "In Sibirien hat es schon immer große Brände gegeben. Es ist eine Landschaft, die sich durch Brände entwickelt hat", sagt Jessica McCarty von der Miami University in Ohio. "Was sich durch den Klimawandel geändert hat, ist, dass größere Flächen abbrennen, weiter nördlich gelegene Orte betroffen sind und dass Materialien brennen, die in der Vergangenheit feuerbeständiger gewesen wären."

"2021 waren die Brände heftiger als sonst", sagt auch Hartmut Graßl. Die mit den Feuern einhergehende Luftverschmutzung habe sicherlich vielen Bewohnern geschadet, aber auch – nach chemischen Reaktionen in der Atmosphäre – für zusätzliche Düngung aus der Luft gesorgt und damit das Pflanzenwachstum in diesem und den nächsten Jahren angeregt.

"Ob die Brände netto zur CO2-Belastung der Atmosphäre durch die Russische Föderation beigetragen haben, ist noch nicht klar, weil die erhöhte Biomassebildung der Wälder wegen der CO2-Düngung sehr schwer abzuschätzen ist", betont Graßl.

Natürliche Ursachen überschätzt?

Neben Hitze und Trockenheit spielt auch Brandstiftung eine Rolle. Die Umweltstiftung WWF führt 72 Prozent der Waldbrände in Russland auf fahrlässige oder vorsätzliche Brandstiftung zurück. Eine russisch-japanische Studie zu Feuerursachen in der Region geht von einem geringeren menschlichen Einfluss aus. Danach werden 47,5 Prozent aller Waldbrände in Sacha von Menschen verursacht.

Die zweitwichtigste Brandursache waren der Studie zufolge Blitze mit 43 Prozent. Allerdings werde Blitzschlag allzu häufig als mögliche Ursache für Feuer genannt, vor allem in Gebieten mit hoher Gewitteraktivität, heißt es in der Studie. Denn bei abgelegenen Bränden sei in der regionalen Forstgesetzgebung nicht vorgesehen, dass die Feuer vor Ort beobachtet oder bekämpft werden.

Dabei waren durch Blitze entzündete Feuer in Sacha – wie in anderen borealen Regionen der Welt – bisher für die meisten abgebrannten Flächen verantwortlich. Das hat sich mittlerweile gedreht: Seit Mitte der 2000er Jahre überwiegen die von Menschen ausgelösten Brände. Das hängt auch damit zusammen, dass die ursprünglich dünn besiedelte Region immer mehr erschlossen wird. Das Forschungsteam spricht von einer Welle der Industrialisierung: Seit 1996 werden Waldflächen in industriell genutzte Flächen umgewandelt – am häufigsten zur Exploration von Erdgas oder für den Bergbau.

Die jetzt vorgelegten Zahlen zum freigesetzten Kohlendioxid beziehen sich allerdings nur auf die verbrannte Vegetation. "Die Satellitenbeobachtungen zur Strahlungsleistung der Feuer, die wir zur Abschätzung der Feueremissionen verwenden, erfassen im Wesentlichen Wärmequellen an der Oberfläche und unterscheiden nicht zwischen den brennenden Materialien", sagt Mark Parrington.

Zudem wird dem Cams-Forscher zufolge eine globale Landbedeckungskarte verwendet, um die vorherrschende Art der Vegetation, das Biom, abzuschätzen. Zur Ermittlung der Brandemissionen aus der beobachteten Strahlungsleistung sei dies wichtig, da es die Emissionsrate beeinflusse.

Unsicherheitsfaktoren Torf und Permafrost

Insgesamt könnte deswegen auch noch mehr CO2 freigesetzt werden – wenn die Brände den kohlenstoffreichen Torfboden entzünden. "Es ist bekannt, dass bei einigen der Feuer in Sibirien Torf gebrannt hat, aber wir berücksichtigen dies derzeit nicht in unserer Berechnung", sagt Parrington gegenüber Klimareporter°.

"Es sollte beachtet werden, dass Torfbrände bei niedrigeren Temperaturen oder unterirdisch brennen können, sodass sie von den Satellitensensoren möglicherweise nicht erkannt werden können", gibt er zu bedenken. Das System werde aber ständig weiterentwickelt, sodass solche Informationen künftig einbezogen werden könnten.

Wie sich die Feuer auf den Permafrost auswirken, lässt sich ebenfalls nicht so einfach sagen. Es gibt Befürchtungen, dass die Brände die organische Materie in der Auftauschicht an der Oberfläche der Permafrostböden zerstören. Die dauerhaft gefrorenen Böden würden damit ihre Oberflächenisolierung verlieren, sodass Hitze und Feuer noch weiter vordringen könnten.

"Permafrost kann durch Brände im Sommer oder Herbst oberflächennah angegriffen werden", bestätigt Klimaforscher Graßl. Ob die Brände die Permafrostböden längerfristig stärken oder schwächen, hänge von vielen Faktoren ab – zum Beispiel stärkerer Winterfrost an der Oberfläche, weniger tief frierender Boden durch erhöhte Schneelast auf den abgebrannten Flächen, erhöhte regionale Reflexion der Sonnenstrahlung bei glatterer Schneedecke und noch andere Faktoren wie geringere Verdunstung. "Der Nettoeffekt ist nur sehr schwer abzuschätzen", so Graßl.

Redaktioneller Hinweis: Hartmut Graßl ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.

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