Im Westen nannte man sie "Zonengrenze" und "Todesstreifen", im DDR-Amtsdeutsch hieß sie verharmlosend "Kontrollstreifen". Die innerdeutsche Grenze bestand 40 Jahre lang, bis 1989. Das ehemalige Sperrgebiet hat sich inzwischen längst zu einer Lebenslinie gewandelt, die als "Grünes Band" zum großen Teil unter Naturschutz steht.
Und nun steht eine neue Auszeichnung bevor: Deutschland wird das Mega-Biotop der Unesco zur Aufnahme in die Kategorie "Weltnaturerbe" vorschlagen.
Welterbe
Die Unesco ist die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation. Eine ihrer Hauptaufgaben ist es, zur Erhaltung des Kultur- und Naturerbes der Menschheit beizutragen.
Die Unesco vergibt das Prädikat "Welterbestätte" – das können etwa Zeugnisse vergangener Kulturen, künstlerische Meisterwerke oder einzigartige Naturlandschaften sein. Ihnen gemeinsam ist ihr "außergewöhnlicher universeller Wert", also eine Bedeutung nicht nur für lokale oder nationale Gemeinschaften, sondern für die gesamte Menschheit.
Zurzeit gibt es insgesamt 1.199 Welterbestätten in 168 Ländern. In Deutschland wurden 49 Kulturerbe- und drei Naturerbestätten nominiert. Gemischte Welterbestätten gibt es weltweit nur 39, von denen sich keine in Deutschland und nur neun in Europa befinden, darunter Ibiza und Sápmi.
Die Bundesrepublik legt als Vertragsstaat der Unesco-Konvention nur alle zehn Jahre Vorschläge für neue Welterbestätten zur Entscheidung vor. Die nächste Einreichung steht im Januar 2024 an.
Das Grüne Band ist fast 1.400 Kilometer lang, es reicht von der Ostseeküste bis zur Grenze nach Tschechien, die Breite beträgt 50 bis 200 Meter, seine Gesamtfläche rund 800 Quadratkilometer.
Das Natur-Refugium ist Lebensraum für über 1.200 seltene und gefährdete Arten aus den Roten Listen. Es handelt sich um den größten Biotopverbund in der Bundesrepublik, und mit Ausnahme des Hochgebirges kommen alle deutschen Landschaftsformen vor – von den norddeutschen Niederungen bis zu den Mittelgebirgen. Biotopverbünde können entscheidend für die Anpassung an den Klimawandel sein.
Zu DDR-Zeiten wurde ein Streifen von den Grenztruppen regelmäßig umgepflügt und frei von Pflanzen gehalten, im Rest des meist unbewohnten Sperrgebiets konnte sich die Natur jedoch ungestört entfalten.
Viele bedrohte Arten fanden ein Refugium in den vielfältigen Naturformen, wie Wiesen und Wälder, Heideland, Binnendünen und Orchideenwiesen sowie Moore und Bäche. Darunter waren Wildkatze, Fischotter, Eisvogel, Kranich und Schwarzstorch sowie Arten, die als ausgestorben galten, etwa in Thüringen der Kurzschwänzige Bläuling, ein Schmetterling.
Umweltschützer vom Bund Naturschutz in Bayern ergriffen kurz nach dem Mauerfall, am 9. Dezember 1989, die Initiative, das Naturrefugium zu erhalten. Im oberfränkischen Hof riefen sie das Grüne Band ins Leben. Inzwischen sind vier Fünftel der Fläche als "Nationales Naturmonument" geschützt, allerdings gibt es auch noch Lücken.
"Außergewöhnlicher Ort"
Vor einigen Jahren zeigte eine Bestandsaufnahme, dass immerhin 87 Prozent des Grünen Bandes intakt waren, aber rund 180 Kilometer der Biotopkette fehlten. Vor allem Landwirte hatten in den ersten Jahren nach der Wende ungeklärte Eigentumsfragen ausgenutzt und die Flächen für ihre Zwecke umgewidmet.
Sollte das Grüne Band in die Welterbe-Liste aufgenommen werden, würde das einen ganz besonderen Schutzstatus bedeuten. Das Band könne "für die Ewigkeit bewahrt werden", falls die Unesco der Anerkennung zustimmt, hofft der Umweltverband BUND.
Der Weg dazu ist offen, nachdem die Konferenz der Kultusminister jetzt nach den Umweltministern ihr Okay für die Nominierung gegeben hat. Das Auswärtige Amt wird nun das Grüne Band im Januar 2024 dem Unesco-Welterbezentrum in Paris als neues Naturerbe vorschlagen.
Stimmt das UN-Gremium zu, könnte es später sogar zu einer "gemischten Welterbestätte" für Umwelt und Kultur erweitert werden.
Der BUND-Beauftragte für das Grüne Band, Hubert Weiger, lobte den Beschluss der Kultusminister. Damit sei nicht nur der Naturschutzwert des Grünen Bandes bestätigt, "sondern auch seine Bedeutung als lebendiges Monument und Erinnerungslandschaft der deutschen und europäischen Geschichte".
Auch Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, zeigte sich hocherfreut. Das Grüne Band sei ein "außergewöhnlicher Ort für heutige und kommende Generationen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit".
Hier sei Zeitgeschichte unmittelbar erlebbar und Erinnerung möglich, betonte der Chef des Dachverbandes. "Wir wollen hierzu einen Beitrag leisten und zeigen, dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind."