Wasser ist das zentrale Lebensmittel – für jeden einzelnen Menschen. Seine Verfügbarkeit und gute Qualität sind aber auch für die Entwicklung der Volkswirtschaften weltweit wichtig, vor allem in den Ländern, die heute schon unter Wasserknappheit leiden.
Der globale Wasserkreislauf gerät zunehmend aus dem Gleichgewicht – das ist die Kernbotschaft eines neuen Berichts der "Globalen Kommission für die Ökonomie des Wassers", kurz GCEW.
Auswirkungen hat das laut dem Report vor allem auf die Nahrungsmittelproduktion. Mitte des Jahrhunderts könne bis zur Hälfte davon gefährdet sein, mit der Folge eines weltweiten Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts um durchschnittlich acht Prozent, so die Autorinnen und Autoren.
In Ländern mit niedrigerem Einkommen, zum Beispiel in Afrika und Lateinamerika, könne der Rückgang sogar zehn bis fünfzehn Prozent betragen. Der Bericht fordert, den Wert der Ressource Wasser für die Weltwirtschaft neu zu bestimmen. Das Menschenrecht auf Wasser wird nur am Rande erwähnt.
Wasserressourcen sollen in Wert gesetzt werden
Die Kommission ist 2022 von der niederländischen Regierung ins Leben gerufen worden, mit Unterstützung des Industrieländerklubs OECD. Sie war Mitveranstalterin der UN-Wasserkonferenz 2023. Die Kommission soll eine Grundlage für die ökonomische Bewertung von Wasserressourcen und deren nachhaltige Bewirtschaftung zu schaffen.
Vergleichbare Reports wurden bereits zu den Themen Klimawandel ("Stern-Report") und Biodiversität ("Dasgupta-Report") vorgelegt. Einer der vier Vorsitzenden der Kommission ist Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.
Rockström wies darauf hin, dass der Klimawandel die zur Verfügung stehende Wassermenge weltweit verändere, ablesbar an mehr Dürren und Überschwemmungen. "Auf Niederschläge, die Quelle allen Süßwassers, kann man sich aufgrund der vom Menschen verursachten Klima- und Landnutzungsveränderungen nicht mehr verlassen", sagte Rockström.
Bereits heute seien fast drei Milliarden Menschen und über die Hälfte der Nahrungsmittelproduktion von Trockenheit oder unsicherer Wasserverfügbarkeit betroffen. Auf der Welt leben zurzeit rund 8,2 Milliarden Menschen.
Hinzu kommt laut dem Report vielerorts ein anhaltendes Missmanagement der Ressource durch Verschwendung und Verschmutzung. So würden 80 Prozent des in der Industrie verwendeten Wassers nicht recycelt.
Die Nachfrage nach Frischwasser werde das Angebot bereits zum Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent übersteigen, da die Wassersysteme der Welt unter "beispiellosem Stress" stünden. Eine unsichere Wasserversorgung in ärmeren Regionen führe heute noch jeden Tag zu schätzungsweise 1.000 Todesfällen unter Kindern.
"Grünes Wasser" findet kaum Beachtung
Der verschwenderische Umgang mit Wasser geht laut der Kommission vor allem darauf zurück, dass die Ressource vielfach zu billig verfügbar sei. Weiter moniert sie, dass sich volkswirtschaftliche Ansätze zur Bewertung der Ressource vor allem auf "blaues Wasser" in Flüssen, Seen und Grundwasserleitern konzentrierten und die Rolle von "grünem Wasser", das in Böden und in der Pflanzenwelt gespeichert ist, außen vor bleibe.
Dringliches Problem
Für ein menschenwürdiges Leben sind laut dem Report im Durchschnitt mindestens 4.000 Liter pro Person und pro Tag erforderlich, wobei neben dem Wasser für Trinken, Kochen und Hygiene – 50 bis 100 Liter – auch das Wasser für die Produktion etwa von Nahrungsmitteln sowie andere Bedarfe einberechnet ist. In den meisten Weltregionen sei diese Menge nicht zu erreichen, sodass die Menschen auf den Handel mit Lebensmitteln und Konsumgütern angewiesen sind, um den Bedarf zu decken.
Dabei gelange das grüne Wasser über kurz oder lang in die Atmosphäre und spiele in Form von Niederschlägen eine maßgebliche Rolle für die Wasserversorgung. Auch die Bedeutung dieses Wassers bei der natürlichen Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid im Boden werde unterschätzt.
Laut dem Bericht stammt etwa die Hälfte des weltweiten Niederschlags über Land von der Vegetation. Durch Verdunstung entstehen Wolken, die sich dann in Windrichtung bewegen.
Brasilien mit seinen Regenwäldern sowie Indien seien global die größten Exporteure dieser "atmosphärischen Flusssysteme", während China und Russland die Hauptnutznießer seien. Chinas Wirtschaft ist Rockström zufolge auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung in der Ukraine, in Kasachstan und im Baltikum angewiesen. "Das Gleiche gilt für Brasilien, das Argentinien mit Frischwasser versorgt."
Um diese Abhängigkeiten besser einschätzen zu können, braucht es, so die Kommission, eine bessere Datenerhebung, die beide Wasser-"Arten" umfasst.
Staaten sollen kooperieren
Singapurs Präsident Tharman Shanmugaratnam, einer der Co-Vorsitzenden der Kommission, sagte, die Länder müssten mit der Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung der Wasserressourcen beginnen, bevor es zu spät sei. Der Bericht nennt fünf Maßnahmenfelder, in denen entschlossenes Handeln zu einem besseren Wassermanagement führen würde:
- Transformation der Landwirtschaft: Sparsame "Mikrobewässerung" sollte ausgebaut und die Nutzung stickstoffhaltiger Düngemittel verringert werden. Pflanzliche Ernährung sollte gefördert werden, weil sie weit weniger Wasser verbraucht als tierische Ernährung.
- Schutz und Wiederherstellung natürlicher Lebensräume: Bis 2030 sollen rund 30 Prozent der beeinträchtigen Ökosysteme weltweit wiederhergestellt werden, besonders jene, die zu einem stabilen Wasserkreislauf beitragen.
- Aufbau einer Wasser-Kreislaufwirtschaft: Abwasser muss besser aufbereitet und wiederverwendet werden. Die Verteilung und Rückgewinnung von Wasser ist effizienter zu gestalten.
- Effizientere Wassernutzung: Die Wasserverschwendung muss reduziert werden – durch den Einsatz erneuerbarer Energien und energieeffizienter Technik oder auch künstlicher Intelligenz.
- Zugang zu sauberem Wasser weltweit bis 2030: Dafür sind Investitionen in die dezentrale Wasseraufbereitung und Abwasserreinigung nötig.
Die Kommission schlägt zur Umsetzung der Leitlinien einen "globalen Wasserpakt" mit internationalen Partnerschaften vor. Die globale Wasserkrise sei eine Tragödie, aber auch "eine Chance, das Wirtschaften mit Wasser zu verändern", sagte Ngozi Okonjo-Iweala, Chefin der Welthandelsorganisation und Co-Vorsitzende der Kommission.
Beginnen könne der Wandel damit, den wahren Wert der Ressource Wasser anzuerkennen. Davon würden vor allem ärmere Länder profitieren, die stark von seiner Verfügbarkeit abhängen.
Vor Kurzem hatte auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) ein Gutachten zur globalen Wasserkrise vorgelegt. Industrielle Landwirtschaft, ungerechte Verteilung, zunehmende Urbanisierung und Verschmutzung werden darin als größte Probleme genannt.