Wie eine künftige Welt im Treibhaus aussehen könnte, dafür liefert 2024 eine Vorahnung. Auch in Deutschland gab es immer wieder Starkniederschläge und daraus folgend Hochwasser: um Pfingsten im Saarland und in Rheinland-Pfalz, im Juni in Bayern und Baden-Württemberg und schließlich im September in Brandenburg – eine Flut, die Österreich, die Slowakei, Tschechien und Polen ungleich stärker traf. Zugleich war der Juni 2024 der 13. Monat in Folge mit einem globalen Temperaturrekord.

 

Jörg Drewes erwartet, dass solche regionalen Wassernotlagen immer häufiger auftreten. "Wir sehen darin eine Bedrohungslage mit globaler Dimension", warnte das Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) am Freitag in Berlin.

Das Gremium übergab an dem Tag sein neues Gutachten "Wasser in einer aufgeheizten Welt" an die Bundesregierung. Das 300-seitige Werk konstatiert zunehmende regionale Wassernotlagen – ausgelöst durch Klimawandel, Übernutzung von Wasserressourcen, die ungleiche Verteilung von Wasser, den Verlust von Naturleistungen sowie damit verbundene Gesundheitsrisiken.

Der Klimawandel sei ein wesentlicher Treiber der Wasserkrise, betonte Drewes. Der Wasserwirtschaftler sieht aber auch erhebliche Änderungen im Landschaftsbild als Ursache. Industrielle Landwirtschaft und Urbanisierung verringerten die Möglichkeiten, Wasser lokal versickern zu lassen, erläuterte er.

Halbe Weltbevölkerung leidet unter schwerem Wassermangel

Das WBGU-Mitglied warnte, künftig könne es wegen veränderter Wasserströme letztlich auch zu einem "geordneten Rückzug" von Mensch und Natur kommen. So werde mit steigendem Meeresspiegel das Meerwasser kilometerweit in die Küstenstreifen eindringen.

Das werde nicht nur die von Menschen genutzten Grundwasserressourcen schädigen, sondern auch das Wasser, das die Vegetation benötigt. "Wenn wir das kommen sehen, wären wir gut beraten, frühzeitig darauf zu reagieren", sagte Drewes.

Zahlreiche Wassersprenger auf einem grünen Feld.
Künstliche Bewässerung in Trockengebieten, hier im Südwesten der USA, lässt sich so nicht auf Dauer durchhalten. (Bild: Ken Figlioli/​Flickr)

Dass die "Aufheizung" der Erde nur einer von mehreren Faktoren für die zunehmende Wassernot ist, zeigen auch die Daten des Gutachtens. Danach haben rund 2,2 Milliarden Menschen noch immer keinen sicheren Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Zwischen 2002 und 2021 waren 1,6 Milliarden Menschen von Überflutung sowie 1,4 Milliarden Menschen von Dürre betroffen. Derzeit leidet laut Gutachten rund die Hälfte der Weltbevölkerung zumindest in einem Teil des Jahres unter schwerem Wassermangel.

Die Ausweitung der Bewässerungslandwirtschaft und der wachsende Bedarf der Städte führen dabei zu einer Übernutzung des nicht erneuerbaren Tiefenwassers und zu sinkenden Grundwasserspiegeln, heißt es im Gutachten weiter. Besonders betroffen davon seien Nordafrika, der Nahe Osten, Indien und Nordchina sowie der Südwesten der USA.

Zugleich zeigen die Projektionen bis zum Ende des Jahrhunderts, dass der steigende Bedarf an Bewässerung bei zugleich stärkerer Verdunstung zur zunehmenden Erschöpfung der Grundwasservorräte beiträgt, sodass der Erdboden gewissermaßen global "austrocknet".

Landwirtschaft beansprucht drei Viertel des Süßwassers

Gegenwärtig entfallen laut den Angaben knapp drei Viertel aller Süßwasserentnahmen auf die Landwirtschaft. In sogenannten Hocheinkommensländern verbraucht der Agrarsektor dabei rund 40 Prozent, in Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommen sind es sogar 80 bis 90 Prozent des Süßwassers.

Zugleich entfallen etwa 65 bis 90 Prozent des weltweiten Handels mit "virtuellem Wasser" – Wasser, das in Produkten steckt – auf Agrarerzeugnisse. Länder mit hohen landwirtschaftlichen Ausfuhren würden damit indirekt das eigene Wasser exportieren, betont das Gutachten.

Die Wissenschaftler sprechen sich im Gutachten für ein sozial ausgewogenes und klimaresilientes Wassermanagement aus. Mehr Aufmerksamkeit verlangen sie für das bisher weitgehend unbeachtete "grüne Wasser". Dieses im Untergrund gespeicherte und von Ökosystemen genutzte Wasser sollte als Schutzgut ins nationale und internationale Wasserrecht aufgenommen werden, forderte die WBGU-Kovorsitzende Sabine Schlacke am Freitag.

Das "grüne" Wasser werde von der Wasserwirtschaft und den zuständigen Behörden in seiner Bedeutung bisher nicht mitgedacht. Auch müssten die Agrarbetriebe befähigt werden, das Wasser in der Landschaft zu lassen. "Wir haben Landwirte im Grunde zu Grünwasserwirten zu machen", forderte Schlacke. Dazu gehörten die Renaturierung und Wiedervernässung trockengelegter Standorte.

 

Auch für Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) haben mögliche Lösungen selbst mit dem Wasser zu tun. Feuchtgebiete wie Moore oder renaturierte Auen könnten einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten und mit ihren Wasserspeichern bei der Anpassung an Dürre und Hochwasser helfen, betonte Lemke.

Die Ministerin verlangte mehr Wertschätzung und mehr Aufmerksamkeit für das Wasser. Gegenwärtig hätten Länder wie Deutschland fast gleichzeitig mit zu wenig und mit zu viel Wasser zu kämpfen. Das überfordere bisherige Strukturen.