Während Umweltschützer nach dem Klimagipfel in Katowice mehr Engagement fordern, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen, zeigen sich diese immer deutlicher.
Zwei aktuelle Studien zu Grönland und der Antarktis zeichnen ein dramatisches Bild. Sie kommen zum Ergebnis, dass die Eisschmelze bislang unterschätzt worden ist und ein ein unerwartet hohes Tempo angenommen hat.
Im Falle Grönlands hatten Forscher um Luke Trusel von der Abteilung für Geologie und Geophysik an der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA Eisbohrkerne von Gebieten entnommen, die mehr als 1.800 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Da in diesen höheren Lagen das Schmelzwasser nicht in den Ozean abfließt, sondern Jahr für Jahr im Winter wieder gefriert, konnten die Forscher diesen Prozess bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Denn die jährliche Eisschmelze hatte sich in Form von Eisbändern in Schichten gestapelt.
Die Forscher untersuchten die Eisbohrkerne in den Laboren und kombinierten die Ergebnisse mit Satellitenbeobachtungen und Klimamodellen. So ließ sich der Schmelzwasserabfluss in Grönland über die Jahrhunderte visualisieren. Bislang konnten Wissenschaftler die Eisschmelze nur mit Hilfe von Satelliten messen – die aber liefern erst seit Ende der 1970er Jahre Daten.
Schmelzrate schnellte erst vor Kurzem hoch
Das Ergebnis veröffentlichten die Forscher um Trusel vergangene Woche im Fachblatt Nature. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts begann demnach die Eisschmelze zuzulegen – parallel zur beginnenden Industrialisierung. Von der natürlichen Variabilität aber hebt sich dieser Prozess erst seit etwa 20 bis 30 Jahren ab. Die jüngsten Schmelzraten seien im historischen Kontext äußerst ungewöhnlich: Sie liegen auf Rekordhöhe.
Würde Grönland all sein Eis verlieren, würde sich der Meeresspiegel um über sechs Meter heben, sagen Klimaforscher. "Um beantworten zu können, was als nächstes mit Grönland passieren könnte, müssen wir verstehen, wie Grönland bereits auf den Klimawandel reagiert hat", sagte Trusel. "Unsere Eiskerne zeigen, dass sich Grönland jetzt in einem Zustand befindet, in dem es viel empfindlicher für weitere Temperaturerhöhungen ist als noch vor 50 Jahren."
Die Forscher waren vor allem überrascht, wie wenig zusätzliche Erwärmung es braucht, um große Ausschläge bei der Eisschmelze zu verursachen. "Schon eine sehr kleine Temperaturänderung hat in den vergangenen Jahren zu einem exponentiellen Anstieg der Schmelze geführt", sagte Sarah Das, Glaziologin in Woods Hole und Mitautorin der Studie. "Die Reaktion der Eisdecke auf die vom Menschen verursachte Erwärmung war also nicht linear."
Mit anderen Worten: Die Erwärmung hat heute eine größere Auswirkung als früher.
Auch in der Ostantarktis verändert sich das System
Auch vom anderen Pol kommen alarmierende Nachrichten. Nasa-Forscher haben mithilfe von neuen Karten der Eisgeschwindigkeit und der Eishöhe nachgewiesen, dass selbst in der Ostantarktis, dem größeren Teil des antarktischen Kontinents, das Eis schmilzt. Die Region war bislang für relativ stabil befunden worden. Für etwa ein Achtel aller Küsten in der Region ist nun aber klar, dass seit einem Jahrzehnt das Eis zurückgeht.
Für den bekannten Totten-Gletscher war das bereits belegt worden. Die Forscher um Glaziologin Catherine Walker vom Nasa Goddard Space Flight Center konnten nun aber auch für vier weitere größere Gletscher in der Region einen Eisverlust nachweisen, er beträgt im Schnitt etwa drei Meter seit 2008. Auch eine Handvoll kleinerer Gletscher hätten an Eismasse verloren.
Zwar ist dieser Eisverlust im Vergleich zur Westantarktis immer noch klein, allerdings zeigt er, dass sich die Ostantarktis wandelt. "Die Veränderung scheint nicht zufällig zu sein, sie scheint System zu haben", sagt Nasa-Glaziologe Alex Gardner, der an der Studie beteiligt war. Er vermutet, dass Meereseinflüsse die Ursache sein könnten, die wiederum mit der Eisschmelze in der Westantarktis zusammenhängen.